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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0296

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Allem kann man zweifeln, wenn Anton v. Werner
nicht einmal mehr korrekt ist.

Unser Akademiedirektor hat wirkliches Pech in
n euester Zeit. Konservative Abgeordnete haben tadelnde
Worte gegen ihn ausgesprochen. Unser kluger Staats-
sekretär hat geäussert, dass man bei künftigen Gelegen-
heiten nicht wieder so einseitig und eigenmächtig ver-
fahren würde. Vor allem hat aber Anton v. Werner,
der in seiner Broschüre sagt, Maler wäre er und Maler
bliebe er, darin Pech gehabt, dass gerade jetzt dieser
General v. Alvensleben in die Nationalgalerie gelangte!

Es ist ein wahrhaft entsetzliches Bild. Es ist eine
Hand darauf, die eine Uhr hält — wenn man sagen
würde, die Hand sähe wie angestrichener Gips aus, so
würde man selbst dies unedle Material: Gips, beleidigen.
Der General macht ein Photographiergesicht; er ist
offenbar nach einer Photographie gemalt und das Bild
ist auf dem Wege von dem Photographenkasten auf
die Leinwand nicht durch ein Genie passiert. Hinter
diesem Photographiengeneral tobt eine Schlacht. Mit
Massen tobt sie; sänftiglich; sie wird von nürnberger
Spielzeugfiguren ausgemachten, die über ein Feld laufen
oder verwundet werden oder Kanonen abschiessen.
Kleine Puppenfiguren. Nur gemaltes Zeug. Nicht
einen Augenblick denkt man, diese Püppchen lebten.
Dann sieht man auf dem Bilde ein Bauernhaus brennen.
Nur gemalte Flammen. Und ein nur gemalter Himmel
wölbtsich über dieserScene, vor welcher — ganz regungs-
los, ohne sichtlichen Anteil an der Schlacht und doch
nicht mit der Ruhe des Schlachtendenkers, für den die
Vorgänge etwas Vorausberechnetes haben - lediglich
unbedeutend,IediglichzumPhotographiertwerdenbereit,
der unglückliche General v. Alvensleben steht. Ein
schreckliches Gemälde; ein Original für einen Öldruck.

An derselben Wand von Neuerwerbungen für die
Nationalgalerie hängen die beiden der Galerie ge-
schenkten Bilder von Goya. Man unterdrückt den Ge-
danken nicht, dass, wenn der Handwerker, der den General
v. Alvensleben porträtiert hat, Goya zu censieren ge-
habt hätte, er ihn nicht für St. Louis reif gefunden
haben würde. Jetzt ist es möglich, dass Anton v. Werner
sich vor der Autorität des Namens Goya beugt. Inner-
lich denkt dieser ehrliche, nur ganz unkünstlerische
Mann aber: Gottseidank, dass kein Schüler meiner
Akademie so malt wie dieser Goya . . .

Nicht nur in der Nationalgalerie auch im alten
Museum sieht man übrigens neuerdings Goya. (Er lebte
ä cheval zweier Jahrhunderte, deshalb kann er im alten
Museum wie in der Nationalgalerie vertreten sein.)
Das Bild im alten Museum ist ganz herrlich. Ein Ge-
mach mit Personen an einem Tisch. Helles Seitenlicht
fällt in den Raum. Das Bild mutet noch moderner an
als die beiden Goyas der Nationalgalerie.

Das Gerücht trat auf und wurde widerrufen, dass
der Bildhauer Brütt von starken Bedenken gegenüber
seinem Denkmal Kaiser Friedrichs vor dem branden-
burger Thor ergriffen sei und dass er den Gedanken ge-
fasst habe, das Denkmal noch einmal zu machen. Er
würde dann ähnlich gehandelt haben wie der Bildhauer
Fremiet, der sein Denkmal der Jungfrau von Orleans
in Paris auf der place des Pyramides - als es eines
Tags behufs einer Reinigung zu ihm ins Atelier zurück-
kam — gegen ein anderes vertauschte, das er vorbereitet
hatte. Die Pariser merkten es nicht oder merkten es
sehr viel später. Bei seinem Tode erfuhr man, dass ihm
dieser edle Verbesserungseifer ayoooFrs. gekostet hatte.
Brütt soll angegeben haben, dass ihm nicht bekannt ge-
worden wäre, welche architektonische Form der Ge-
samtbau haben sollte (!). Wenn Brütt diesen Verbesse-
rungseifer gehabt hätte, so wäre es zweifellos sehr
unangenehm unter andern auch für den zweiten Bild-
hauer gewesen. — Für Bremen hat der vorzügliche Bild-
hauer Adolf Hildebrand die Ausführung eines Bismarck-
denkmals übertragen bekommen. Er wird Bismarck als
eisengepanzerten Reiter darstellen, der auf die östlichen
Pforten des Rathauses zureitet. — Prof. Begas ist be-
auftragt worden, den Sarkophag des Kaisers Friedrich zu
wiederholen. Als Material wird penthelischer Marmor
genommen, wie er im Auftrag der Kaiserin Friedrich
beim Sarkophag der Kaiserin verwendet wurde. Beide
Sarkophage werden dann bläulich schimmern. — Die
Statuen der Siegesallee werden zum Schutze gegen
Staub mit einem weissen Wachs überzogen.

Unter den Wahlen zur Akademie freuen und inter-
essieren uns hauptsächlich die von Gaul, Messel, Kupfer-
stecher Krüger,' Israels und Zorn.

Bei Schulte sahen wir die Werke des spanischen
Malers Anglada. Sprechen wir zuerst von den saftvollen
kleinen Skizzen, die er freudigen Augs auf Strassen
und Plätzen, von bewegten Menschenscharen, von
Gruppen im Theater, in dem Innern von Wäldern
aufnimmt. Zum Bilde wird ihm, was er sieht, wenn
er Nachts durch Paris wandelt. Er ist bei der Wieder-
gabe solcher nächtlichen Eindrücke heftiger als etwa
Whistler. Whistler hatte solche Eindrücke noch „ver-
arbeitet". Whistlers Nachtstudie einerStrasse im Schnee,
auf die unsicheres Laternenlicht fällt, oder seine be-
rühmte Auslage eines Ladens mit Früchten, die aus
dem dunklen Grau rechts und links hervorschimmern,
zeigen, wie Whistler immer, wenn auch nicht der Zeit,
so doch dem Gedanken nach, einen langen Weg zurück-
gelegt hat, ehe er ein Bild — oder auch nur eine Studie
— auf die Leinwand treten Hess. Nicht so sind die
Vorgänge bei Anglada. Dieser spanische Maler lässt
seine Eindrücke in materieller Farbe, wie er sie kräftig

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