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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 6.1908

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Heft 11
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4705#0503

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nach keiner Richtung Konzessionen und indem sie die
ganze Kraft ihrer Begabung in den Dienst einer stetig
sich steigernden, rastlos sich ausgebenden, im Selbst-
genuss der Produktion sich unablässig konzentrierenden
Persönlichkeitsoffenbarung stellen, rücken sie, wahrend
sie scheinbar sich von einander entfernen, in Wahrheit
einander immer näher. Zweifellos ist Liebermann der
fertigere Künstler, der besser fundierte, der klassischere
und monumentalere. Er ist stets vollkommen in sich
geschlossen und hat etwas sicher Ruhendes selbst dort,
wo er das Allerflüchtigste, Momentanste mit Zauber-
küristlergriff behende erhascht. Soviel Kopfschütteln er
im Anfang erregt hat: allen Vorgeschrittenem ist er heute
durchaus zugänglich und unter wahrenKennern herrscht
über Wert und Wesen dieses Künstlers keinerlei Zweifel
mehr. Hingegen bleibt Munch selbst seinen intimen

Künstler, von denen jeder in seiner Art so durchaus
echt ist, neben und nacheinander in ihrem graphischen
Wirken zu betrachten. Die gehaltvollen, ins Tiefe
schürfenden Worte, mit denen Schiefler in den je-
weiligen Einleitungen Beide charakterisiert, kommen
uns dabei trefflich zu statten. An der Hand der Kata-
loge aber wird es vor allem interessieren, einige sta-
tistische Vergleichungen anzustellen, die uns die Art,
wie die beiden Künstler sich der Graphik näherten und
darin heimisch wurden, illustrieren mögen.

Dem Umfange nach ist Liebermanns graphisches
Werk das geringere. Es umfasst — wenn wir vom An-
hang, der Reproduktionen nach Federzeichnungen ent-
hält, absehen — dreiundsechzig Nummern und diese
verteilen sich über eine Schaffenszeit von fünfund-
zwanzig Jahren (1883 bis 1907). Hingegen hat Munch

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CAMILLE COROT, MÜHLE IN HOLLAND

(DUKAND-RUEL, PARIS)

Freunden stets ein wenig problematisch. Aber gerade
dieses Problematische, kühn Experimentierende, das
des Begehrens voll ins Unbekannte schweift, macht
den Reiz seiner Kunstweise aus. Fühlt man doch unter
all diesem äusserlich Vagen, Mystischen, Gespenstischen
und selbst Verzerrten die gesunde Gradheit einer
durchaus naiven Natur, die niemals geschraubten
Eigendünkel und stets nur einem oft schmerzlichen
inneren Gebote folgt. Und darum haben seine Blätter
den weiteren Reiz des Individuell-Heroischen, des
starken Glaubensbekenntnisses, ja eines gewissen Mär-
tyrermutes.

Somit bietet es mancherlei Förderung, diese beiden

in der Hälfte der Zeit, in dreizehn Jahren (1894 bis
1906), ein graphisches Werk von nicht weniger als 24.7
Nummern zustande gebracht.

Dementsprechend ist Munchs graphische Wirksam-
keit auch in technischer Hinsicht beiweitem vielseitiger.
Liebermann ist fast ausschliesslich Radierer. Nur drei
Lithographien werden von ihm aufgezählt. Innerhalb
der Radiertechnik freilich zeigt sich der Künstler von
grosser Mannichfaltigkeit und Kombinationskunst. Im
Vordergrund steht ihm die Ätzkunst. Wir zählen 37
reine Ätzungen gegen neun Kaltnadelstiche und ebenso
viel Vernis-mou-Arbeiten. Dafür wird aber sehr oft
die kalte Nadel mit der Ätzkunst oder dem Vernis-mou

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