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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 54.1903-1904

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Schur, Ernst: Die dekorative Ausgestaltung unserer Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7291#0295

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Die dekorative Ausgestaltung unserer Museen.

(Weltausstellung in 5t. Louis.)

490 u. 49(. Broschen, nach Entwürfen von k). L. v. Berlepsch,
planegg, ausgeführt von p. Merk, München, (wirk!. Gr.)
<*90. Goldornament und Türkis-Talisman auf transparentem
Lmailgrund.

49J[. Gold mit großer perle und neun Rubiu-Lobochons.

Muster geschützt.

die Fülle. Und das Tatsächliche, wie wir es in
naturwissenschaftlichen Museen empfinden.

Wo ist aber — auch hier — das organische
Wachsen? Das fühlen dieses Wachsens? Wir
nähern uns dem Leben. Doch immer noch steht da
eine Schranke. Wo ist das Ineinandergreifen, das
Ganze? Wie wir im Ganzen stehen, und alles vor
unseren Augen ineinander greift?

Wo ist das, was wir Kultur nennen?

III.

So, wie die Museen entstanden, konnten sie
nicht anders werden. Auch war die Zeit noch nicht
reif. Einzelne Stücke wurden gesanimelt. Die Sammel-
wut, die nun geweckt war, strebte danach, das Feh-
lende zu ergänzen. Vollständigkeit war der Ehrgeiz
aller. Nach und nach gelang dies endlich -—• mit
einzelnen Ausnahmen, die immer versagt blieben,
weil sie -— nur einmal vorhanden — in festem
Besitz waren. Ein internationales Netz von Ver-
käufern und Agenten sorgte dafür, Lücken zu stopfen.

Soll dies nun immer und endlos so weiter
gehen? Soll nie gesichtet werden? Soll nie eine
sinnvolle Anordnung das Einzelne zum Ganzen
fügen? Damals, als die Museen entstanden, hatte
man keine Vorstellung davon, zu welcher Fülle sich
das Material auswachfen würde. Und von manchem
anderen wußte man nichts. Soll das für uns maß-
gebend bleiben? Der Sammler, der beginnt zu
sammeln, erhält jedes einzelne Stück für sich, und es
verknüpfen sich Erinnerungen damit. Er mag für
sich im Schrank die Stücke aufstellen. Er übersieht
sofort alles. Ihm lebt alles. Aber nicht immer
bleibt es fo. Füllt sich feine Sammlung, fo fügt er
gerne die Dinge seinem Lsause ein. Er fügt ein
Ganzes, aus dem in Mischung von Altem und
Neuem sinnvoll eine Harmonie entsteht. Er ordnet,
er gibt ein Ganzes, Geschloffenes, ein Werk, das in
sich nun organisch lebt. Nur so rechtfertigt sich
künstlerisch ein Streben, das sonst haltlose Gier bleibt,
dem er und andere besinnungslos nachtaumeln, als
einem wechselvollen, interessanten Sport. Was beim
einzelnen so unsere Mißachtung erregt, ist das ge-
rechtfertigt, wenn ein ganzes Institut das tut?

Wir verabscheuen die jährlichen Kunstausstel-
lungen, wo Tausende von Bildern wieder und immer
wieder sich drängen. Wir empfinden diesen jähr-
lichen Kunstbetrieb als unkünstlerisch. Diese Aus-
stellungen sind die logische Weiterentwicklung unserer
Galerien. Auf Kosten anderer hebt sich eine Kunst
über Gebühr heraus, ohne berechtigt zu sein, stört
das Ganze, verliert den Zusammenhang und ent-
wickelt sich nun hypertrophisch. Sie griff zu und
setzt sich, und nur sich, durch. All das gilt es nun
wieder zu bessern, zu überwinden, einzurenken. Die
Zeit schwemmt es weg. Denn es spricht uns ein
unentwickeltes Empfinden daraus.

Vor den Kunstausstellungen flüchten wir. Wohin?

In einen Kunstsalon, der das Milieu besitzt,
das den Bildern entspricht, sich ihnen anpaßt. 5o
daß eine Zeitströmung, ein allgemeines Empfinden
hier redet, aus dem alles hervorwächst. Das Bild
fügt sich den Dingen ein, und den Dingen gibt das
Bild Schmuck. Im Ganzen bleibt es ein Ton.

Vielleicht also mußte diese Entwicklung einmal
so sein. Das ist anzunehmen. Damit ist aber nicht
gesagt, daß es nun immer so sei und immer so
bleibe.

IV.

fjtcr setzt nun die moderne, dekorativ-kunst-
gewerbliche Bewegung ein. Sie ist nicht aus einem
Nichts geworden. In allen Zeiten gab es solche
Bestrebungen. Sie sind das Normale, das Gesunde.
Das Gegenteil ist Zersplitterung, Überwucherung

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