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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 54.1903-1904

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Hagen, Luise: Allerlei Schnurarbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7291#0346

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Allerlei Schnurarbeiten.

Gottfried Semper zitieren. Gr ist noch immer nicht
überholt und veraltet. Nur ist's nicht leicht, sich in
ihn hineinzulesen, obwohl die zwingende Logik des
Norddeutschen bei ihin durch eine abgeklärte fünfte
lerische Darstellung der Aalte entkleidet wird. Immer-
hin liegt es in der Natur der augenblicklich vor-
handenen Allgemeinbildung, daß nicht alle Semper
ohne Anstrengung zu lesen vermögen und daher
eines Dolmetschers bedürfen. — An unferm Koro
wäre zunächst zu beachten der Unterschied zwischen
textilen und den tektonischen Gebilden, der nur einem
sehr kleinen Bruchteil moderner Zeichner bewußt
gegenwärtig ist. Sie behandeln infolgedessen das
bewegliche textile Gebilde nur allzuoft zeichnerisch
nach den Grundsätzen, die nur für die Tektonik
maßgebend sein können. Ausgezeichnet ist an diesem
Räuchergefäß der Begriff der Zweckeinheit fest-
gehalten. Ton und Porzellan als gute Wärme-
leiter erfordern, um die Handhabung zu ermög-
lichen, penkel und Griffe aus schlechten Wärme-
leitern, die nicht die pitze des Gefäßes auf die
Handfläche übertragen. Daher gibt man der Tee-
kanne einen Rohrbügel, dem Koro Seidenschnüre
als penkel. Gleichzeitig gibt hier jenes ungetrübte
Intuitionsvermögen der Völker, die unmittelbar
mit der Natur verkehren, ein wundervolles Beispiel
davon, wie alles echt Dekorative ganz von selbst
durch die Zweckdienlichkeit harmonisch wird. Jede
Schlupfe der Schnurverschlingungen ist weit genug
gezogen, um das bequeme Giulegen der Finger zu
gestatten. Wit überraschender Selbstverständlichkeit
ergibt sich daraus die Zentralisation, die richtige
Gruppierung um den ideellen Wittelpunkt, der sich
in diesem Fall nahezu mit den: mathematischen
Wittelpunkt deckt. Dann wieder ist das symmetrische
Prinzip gewahrt und auch hier jenes eigenartige

Durchbrechen zum „gol-
denen Schnitt" erzielt,
das eine ornamentale
Zeichnung von einem
geometrischen Aufriß
unterscheidet. Und end-
lich kommt Sempers
Begriff der Polarisa-
tion zur Geltung, das,
was Weurer den Rich-
tungsgedanken nennt;
der klare Ausdruck des
pängens, der in diesem
Fall unbedingt für die
Vollwertigkeit des ästhe-
tischen Gindrucks er-
forderlich ist. Die Schnur

s;y. Schuurgeflecht von der Jnnungsfahne der Lederhändler
in Söul. Schnüre dunkelblau, Rosetten innen rötlichbraun, um-
rahmt von hellgrün und weiß bzw. gelb (bei den kleineren);
Vnaste oberste Fadenschicht gelb, mittlere braun, innere blau.
Das Geflecht am Knoten der Tuaste mit Blattgold unterlegt.
(’/4 der wirkl. Gr.)

ist über einer widerstandsfähigen weichen Giitlage
sorglich aus Seidenfäden geflochten. Die Quasten
gestalten sich nach dem uitumstößlichen Prinzip der
Renaissancekünstler: Le occhio non vede, mente non
crede. Nur ein feingeschultes ästhetisches Empfinden
vermag die Witte zu halten zwischen jener Dürftig-
keit, die sich ergibt, wenn man die auslaufenden
Flechtfäden der Schnur sich selbst überläßt, und jenem

620 11. 62;.
Flechtschmuck
von einem
koreanischen
Schlagbecken.
C/4 d. w. G.)

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