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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 1 (Januar 1935)
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Parnitzke, Erich: Beitrag zur Planarbeit für den Bildunterricht in der Volksschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0012

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Zcichcnstundc (im dritten Schuljahr) an, dic anfangs aus
dcm Gcdächtnis, dann direkt abgezeichnct wurdc.

Hcutc ist das Lebcn zugelaffcn von dcr Duellc an, wo
cs aus dcm SclbstbildcvermöNen der Rindcr spricht, so
daß nicht jene geometrischc Maßgercchtigkeit Lcitbild scin
kann, viclmchr die im Ganzcn immcr wiedcr bcstätigtcn
Formcn organischcr, natürlichcr Reifung zum Bild.

Damit ist auch dcr wcg an die ganzheitlichc wirklich-
kcitsvorstcllung dcr Rindheit und an die Verarbeitung
„§an;er" Stofse gebunden.

Darstellung ist nicht mchr punktwcises Auf-
nehmen eincr Anstcht, sondcrn vorstcllige Vcr-
arbcitung dcr Stofsc zur Gestalt, wie sie aus eigcncr
Rraft erfüllt wcrdcn kann.

Dic Fragc, dic inimcr wiedcr gestellt ;u wcrden pflegt,
ist nöch zu bcantworten: Auch die Volksschule hat es nicht
nur mit dcm Rindheitsaltcr, sondern mit eincr ersten
Rcifczeit ;u tun. wclchc Lcitbilder, welche Mittcl und
wcgc sind dasür zuständig;

Dic 2lntwort vcrlangt, daß man die Frage aus einer
nicthodischcn Besangenheit ablöst und im ZusaMmenhang
mit dcm ganzcn Begrisf eincr möglichen volkstümlichen
Dildung sieht. Die Frage heißt dann negativ: wollen wir
cin dilettantischcs Skizzen- und Bildchcnmachen mit Schat«
ticren und Glanzlichtcrsetzen, pcrspcktivischcn Verkürzun-
nen und sonstigcn Gesichtspunktcn und Dispositionen, die
cinst unerläßlich schienen, um (wic bcim Deutschaufsatz)
den Formcharakter cines Gegenstandes und eincr Anstcht
;u bcschreibcn-

Und posttiv: Müffen wir vielmehr nicht den Begrifs
der „einsachcn und klaren Darstellung" von da aus saffen,
wo cr augenfällig erwächst auf dem natürlichen wegc
zeichncrischcr Entwicklung und wo er zur Brücke wird,
welche die unselige Rluft zwischen der Volkssprache und
der vcrmcintlich höheren — mcist gestclzten oder gestelzt
vorgcstellten — 2lusdrucksweise übcrwindett

Erst dann rst dic Antwort saßlich, wenn einerseits dic
Renntnis bcsteht, ;u wclchcr höchst brauchbarcn Bild-
sprache eine einsichtig gesührtc Rindheit selber vorzudrin-
gen vermag, andrerseits die Renntnis erworben wird, was
volkstümlichc Zeichnung einmal war und wie sie stnn-
gemäß gegcnwärtig zu erobern ist.

Für das volkststmliche Bild können nicht die Formen
dcr akademischen Runstübung maßgebend sein die seit dem
Leginn des 19. Iahrhunderts teils als Zeichenvorlagen,
teils als elementaristertc Übungen in die Volksschule Ein-
gang fanden. - . ... -

Vielmehr licgt der Anknüpfungspunkt bei den Bild-
formcn der Volksbiichcr und -Blätter, die vor und neben
. den wechselnden Stilen bei schlichter Anschaulichkeit und

Lesbarkeit blicben. - . - ' . -- F.:-

(

Erst wenn niän erkannt hat, wic im Gesolge der ganzen,
fast planmäßigen Zerstörung einer organisch gegründeten
Bildung auch das Vermögen und Verhältnis zum Dild ab-
gedrängt und entwurzelt worden ist, wird dic Aufgabe
dringend deutljch, dem volkstümlichen Vstd nachzugehen.

Vloch ist viclfach gar nicht bekannt, wie bedeutungsvoll
z. B. die quellenmäßigen Rartcnbilder aus Atlantcn,
pslanzenbilder aus Rräuterbüchcrn des 15. und zd. Iahr-
hunderts sich auLiiehmcn, wenn man sie an Schülerarbei-
. ten anreiht. , ( ,

Um jedem Mißverständnis vörzubeugen: es geht hier
wie bei der mustschiM Seite nicht um ein Nachahmenwollen
Mter Leispielc- Föndern -darum, den beispielhaften Gcist
Fder Schlichtheit ünd Foringestnnung zü spüren, also ein
^eiMld dafür ch.gewinncn, welche ganzheitlichen Auf-

WW



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sprcchen will, st
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Gcmäldc- und Naturstudienausfassungen. ZVas hierbei
dcr erwachscnc Zeichner fllr Luftschutz-, Brandschutz-, Ver-
kchrs- usw. werbcbilder oft mühsam als klaren Stil wie-
dcr erobcrn niufi, sindct stch in der Gugend als organischcs
Vcrmögcn, das nur bcansprucht und zu reger Betätigung
angehaltcn scin will, um zu objcktivcm Darstellungswert
;u kommcn.

Eben die Iugcnd hat ja das uncrsetzliche Rönnen vor-
aus, dafi ihr dic sogenanntc sachlichc Seite nicht kalter
Intcllekt ist, sondcrn zwanglos aus der gleichen Hingabc
hervorgeht, mit dcr schon das Rlcinkind in der Zeichnung
wahr ist und mit Liebc dabei, wic denn die musische und
dic sachliche Scitc sich vcrhalten wic rechts und links am
glcichen bcseeltcn Rörper.

Gradc bci dcn erwähntcn Volksbildcrn, z. B. in den
Rräutcrbüchern jst ja Gegenstandstrcuc und Formgestal-
tung eins. Und diesc „ungewollte" Runst steht häher als
dic aüs vcrmeintlichcn Gcstaltungslehren gezüchtete, dic
anstcllc dcr Tiefcnkrästc nur Ersatzübcrlegungen bean-
sprucht.

Rcchtc Beanspruchung vcrlangt eine Aufsaffung von
Untcrrichtssührung, wclcher die Bildarbcit ernst ist als
wescntliches Mittcl der Vorstcllungsbildung. wenn ;. B.
in eincr Zeichcnstunde das Dhema Luther abgcwandelt
wird in Bildchcn s) Luthers Gcburtshaus, b) seine Frau,
c) dcr Thesenanschlag, cl) dic wartburg und nach Vor-
lagen, so ist das hilslose Verlegenheit und vertane Zeit.

Es ist auch hier nicht persönliche Schuld, wenn dic
Dingc ost so wild laufen, wie sie in keincm andern Unter-
richtsgebiet gcstattet wären. Hat doch die liberalistischc
Freiheit-von-allen-Bindungen Verwirrung genug gestiftet.
So daß es unerläßlich bleibt, immer wiedcr das Maß an
vcrständnisvollcr Führung ;u betonen, das grade erfor-
derlich ist, wenn cs um die organische Entfaltung der
Dildkräste geht. Da ;u solcher Führung die frllhere Leh-
rerbildung nichts beitrug, ist hicr vicl nachzuholen in den
Arbcitögemcinschastcn.

Dazu gehört auch — um das nicht uncrwähnt ;u lassen
— dic Frage dcs Zeichnens vor der Natur. Auch hierbci
kann nur die Vorstcllungssähigkeit entscheidend sein, wo-
nach die Dinge auf dem Papicr nachfühlend neu auszu-
bauen sind;u einem Gestaltzusammenhang.

Man lernt noch iminer sehcn, indcm man zeichnet. Und
man lernt anschen und betrachten, Formträchtigkcit emp-
sinden und organischc Zusammenhänge verstchen, wenn
man vor der Natur arbeitct. Für die Endklassen ljegen
hicr Möglichkeiten ciner Arbcit, dic allcrdings besonders
im Augc behalten niuß, was untcr „cinfach und klar" ver-
ftanden werden kann. . -

Nicht dic Modellschemata von Riste und Blumentops
und die daraus abgeleiteten Hilfskonstruktionen für allc
„schwierigeren" Formen, die so oft das natürliche, orga-
nische Gestalt ganzheitlich erfaffcnde Sehen abgewürgt
und mechanisiert haben.

Sondern der schlichtc Ausdruck, der ohne Bruch vom
vorstelligen Arbeiten der Rindheit aus bereichert werdcn
kann aus unmittelbarcr Anschauung. VOobei unerläßlich
bleibt, daß der Frage des „deutschen Sehens" nächgegangen
wird, nachdem die Tradition dieser Zeichenübung vorwic-
gend an romanisch-klassizistischen Formalien hing. Es
sollte mit den wenigen Beispielen und Hinweisen nur ab-
gestcckt wcrden, worum es bei einer Ncuplanung der Bild-
arbeit in der Volksschule zü gehen hat. .

Die Volksschule kann ihre cigcne Form darin finden.
Das Ziel ist unmißvcrständlich erkannt. Sie muß vor.an«
gehen, will sir wirkljch der großen Aufgabe gerecht wer-

e»d auf ein im Vcrlag Oldenburg-Nlüncken erschienenes
B>üchlein- parnitzke, „Bildhasrcs Gcstalten" (Sonderaus-

SchrfftieItoug
 
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