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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 10 (Oktober 1935)
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Weißhuhn, Paul: Erde und Holz in der Volksschule
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Gottschow, Albert: Einiges über Plastik, Volkskunst und den Reliefschnitt in der Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0236

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Abb. 4. Frau auf Sesuch mit -Kund / Ton, Madchcn 1;

gibt nickt wenig Fällc, wo Rindcr in dcr Volksschuic zum
ersten Male im Lcben mit Ton in Bcrührung kommcn.
Das sind mcist Stadtkindcr, Ein-elkindcr, Mustcrkinder
und Sorgenkindcr — cin Dcweis, wie nötig einem natur-
gemäß wachsendcm Rindc die knctbare Erde ist. wir kön-
nen nicht genug Matcrial von dcn ^öfcn, Feldern, Ton-
gruben und wäldrrn in dic Schulc bringen, um das wett
zu machen, was die Verstädterung an wachstumsformen
der Rinder verkümmern läßt.

Abb. 5. Fisch und Schlangc / Pappclrindc, Lnabcn ,, 7>.

So war mir ein ^crbststurm willkommen, der in den
parkanlagcn unscrcr Stadt große Pappeln umwarf. Ich
habc mchrcrc Säckc voll Pappelrinde in die Schule brin-
gcn laffen und an cine Rlasse z;—)4-jähriger Iungen im
Laufc mchrerer Stunden ausgeteilt. Aus Pappelrinde
schnitzt sich jedcr Iunge Schiffe. Also haben wir das vor-
erst auch gemacht. Aber dann ließ ich je nach drn Riffen
und Buckeln dcr Rinde Figurcn und Röpfe ausarbciten.
Dabci hat auch wiedcr kein Aungc versagt. Denn da
ließcn sich Sipos, Rönigc, Teufel, Rasperle und anderes
mchr findcn. Stücke ohnc eine innewohnendc Lokmbe-
stimmung ließcn sich noch ;u Schlangcn, Rroksdilen und
Fischen schniyen. — . -

Allc dic Stunden, die wir formcnd und schnitzend ver«
brachten, waren mir Leweis, daß in ünsrren Rinderti
viclfältige Formgedanken ;u wecken sind. wollen wkt He
bei allen Gclcgcnheiten auch an lebendigem Hol; und
tcbcndiger Erde, rrproben und bildrn!

Albert Gottjchow-ßrankfurt a. W.

inleitrnd erinnerc ich daran, daß es Bildhauer
gab, welche beim plastischen Arbeiten der „Tast-
erfahrung" (dem „Anfühlen") das Vorrecht vor
dem Sehen geben wollten (Rruse: „Ein weg zu
neuer Form"), während andere wieder sagten, die plastik
habe die Aufgabe, „die Gesichtsvorstellung ;u gcben und
dadurch dem plastischen das Vuälendx ;u nehmen ' (^ildc-
brand: „problem der Form

wie dem nun auch sei, Fiedler schrieb so: „Die künstle-
rische Tätigkeit jst nichts aks eine Weiterentwicklung des
räumlichen Auffaffungsvermögens, deffen Reim in dcr
Fähigkeit liegt, ;u tasten u n d ;u sehen. Diese zweifache
Auffassung ein und desselben phänomens ist aber nicht
durch getrennte (hrgane, den tastenden Rörper und das
sehendk Auge möglich, sondcrn ist schon im Auge allein
Sjnn hat es, ;u sagen, das Auge ver-
dcr Dinge nicht voll gcrecht ;u wcrden,
Fot'm meffend und berechnend genau
oÄ es eine Form schlrchthin gabe: Als
yur die mehr oder minder geeigneten
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:in ist erne Iveitcrentwicklung dcs durch denselben ge-


gebenen wirklichkeitsmaterials nicht gegeben, während,
was der Gesichtssinn liefert, zu eincr in dem sinnliche»
Stoff selbst erst sich darstellenden Ausdrucksform gelangt.
wahrnehmungen des Tastsrgans wie eben, gebogen, ku-
gelförmig usw. sind aber tatsächlich keine Tast-, sondrrn
Sprachvorstellungcn! Erst indem sich der Tastsinn zum
Gesichtssinn entwickelt, erscheint die Rraft, welche den
sinnlichen wirklichkeitsstoff zu einem Ausdruck sriger
selbst verarbeitet. Selbst in den einfachsten versuchrn einer
bildnerisch werkenden ^andtätigkeit tüt die ^and nicht
etwas, was das Auge schon getan hätte; es entsteht viel«
mehr etwas l-seues, und die ^and nimmt die Weiter-
entwicklung dessen, wäs das Auge tut, gerade an dem
punkte auf und führt sie fort, wo däs Auge äm Endc
seines Tuns ist -- so daß vielmehr die Entwicklung rined
geistigen Tuns immer. zugleich die Entwicklung eines
körperlichen Tuns sein muß."

Ich stelle diese Gedanken meinen Bildern mit Adsicht
voran. ^andelt es sich doch um Reliefschnitte, bei deren
Entstehung das, waö man Gcsichtsvorstellung nennt, auf
jedcn Fall von Bedcutung ist; bei denrn es aber auch
ohne die Tatigkeit der Hand zu nichts kommen würde.
Leib, Seele und Geist müffen. soll aus dem Lescheidenrn
Ansang, den der Reliefschnitt in der Schulc nimmt, etwas
werden, natürlich gan; bei der Sache sein.

-I- ........ .. . >....4:.

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