Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

DOI Heft:
Heft 3 (März 1935)
DOI Artikel:
Schemm, Hans: Durch die deutsche Musik kämpft sich die Seele in die Ewigkeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0056

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
§« .»°mm» ^ucch öle ömtsche Mßk kampft
ftch öie Oeele ln öle Erolgkeit

^ntcr sämtlichcn kulturcllen Gütcrn des deutschen
^U^-V Volkes stcht dic dcutschc Mustk an allercrster
» Stelle — ste jst die deutschcste allcr Lünste —
am schönsten und reinstcn und mittelbarstcn fin-
det in der Musik dic dcutschc Seele ihren Ausdruck. Am
bcsten ist dies bewiesen durch dcn wundcrvollen Schatz
an deutschen Volksliedern, der die Seclc unseres Volkes
lebcndig erhielt. Die Tatsache des reichen vielgcstaltigen
Scelen- und Gefühlsleben unseres Volkes mußte natur-
gemäß nicht bloß die Liebe ;u Musik und Lied, sondern
äuch die Begabung ;ur Musik bcwirkcn. Im Annern des
deutschen Menschen wogt und webt und bohrt und sucht
und lacht und weint ein gehcimnisvolles Seelenleben, das
sich irgendwie ein Ventil suchen muß, so wächst Malerci
und plastik und Architektur und als schönste Ausdrucks-
sorm die Musik aus dem deutschen Volksleben heraus.
weil nun die Seele, das Gefühl, Gemüt und Lharakter,
Rräfte und Mächte sind, die über die Zeitlichkeit und
Stofflichkeit hinweg den Menschen ;um Ewigen führcn,
so kann man wohl deswegen sagen. An der deutschen
Musik, im deutschen Gesang plaudert, sucht, forscht, kämpft
und opfert sich die deutsche Seele in die Ewigkeit. Dcr
wesentlichste Erfolg der Musik er;eugte Stimmung —
Stimmung ist das Zauberwort der Musik — StimMung
hängt immer mit Secle und Gemüt ;usammen — Musik,
dic keine Stimmung hervorruft, ist keine Runst, sondern
ein Machwerk. Die Stimmung ist immer so beschaffen,
wie der Rünstler beschaffen war im Augenblick, als er
das werk schuf, weil die dcutsche Seele faustisches wescn
besitzt, das immer sucht und kämpft, deshalb drückt sich
dieser Grund;ug dcs deutschen wesens auch in der deut-
schcn Musik aus. Sie ist kein orientalisches fatalistisches
Vcr;agen — ist nicht nur Trauer und Ver;weifeltsein, sie
ist ein klanggewordener Appell ;um ewigen Rampf. Dies
drückt sich am wundervollsten aus in den Wagnerwerken,
sprachlich und musikalisch: wotan geht nicht unter — nie-
mals dürfen wir eine falsch verstandene Erlösungsidee
im Gegensay ;um kämpferischen Befreiungsgedanken hin-
eintragen, sondern hier ist gültig das wort wotans, wenn
er sagte in seiNem Bekenntnis ;u Siegfried: Dem ewig
Iungen weicht in wonne Gott. wenn wir diesen ur-
deutschen Gedanken in der Musik proji;ieren auf das wun-
dervolle Geschehen in unserer Zeit und auf die deutsche Ge-
schichte, so röllt das dcutsche Schicksal in geschichtlicher
Hinsicht vor uns ab wie die deutsche Musik im Großen
über die Iahrtausende ausgebreitet und ;usammengeballt
;. B. in den größten Musikwcrken RLchard wagners. Die
dem deutschen wesen eigene Gegensätzlichkeit, oftmals
Zwiespältigkeit, das Differen;ierende, Dissonante, Lämp-
fende schreit in den Musikwerken wie in der Geschichte
nach der glückhaften Harmonie. Das Grundwesen einer
Schlußkaden; mit dem Leiteton ;eigt uns so recht Sinn
und Inhalt des veutschen wesens. So zerfetzte das Schick-
sal und der Feind dtzs öfteeen das deutsche Volk. Aber
durch all die dissoNanten geschichtlichen Erscheinungen zieht
sich der Sehnsuchtsschrei nach dem letzten wohltuenden
Akkotd, der 1N dit EwigkeH ünd -Harmonie münden foll,
um sosort wicder mit dem Rampf und der Problematik
des Lebens zu beginnen und einen neuen glückhäften
Gchlußakkord änzustreben. Nach dem gewaltigen, wild auf-
Mäumenden Lhorwerk des weltkrieges, das mit wunder.
vdllen Harmonien von Vaterland üüd Heldentod und Sieg
ünd Glauben durchwirkt war, kam ein rasender Totentan;
von diffonantcn Akkordcn und Läufcn. Stack.-.to? - pau-

M-tMW

sen — bizarr und grotesk, mit fremden Rlangtönen —
und doch da und dort ein aus urdeutschem wesen quel-
lcnder Fanfarcnstoß, ein Lcitmotiv des deutschen Ge-
dankcns lcuchtct wic in dcn Wagnerwerken immer wie-
dcr auf bis endlich in wundcrvollcm choralhaftem Riesen-
akkord dic Glocken von potsdam den Schluß des Hexen-
sabbaths proklamiertcn. Es wäre jedoch nicht dem deut-
schcn wcsen entsprechcnd, wenn nun dauernd Lhoral ge-
spielt.würde. Schon hat uns wieder das Brausende, nun-
mchr aber in positiver Dur-Tonart pulsierende, probleme-
stellende Lebcn erfaßt und strebt dem nächsten Schluß-
akkord zu, um dann wieder einen neuen, noch schöneren
Abschnitt ;u beginnen. Musik ist Sache der Seele, apel-
liert an dic letzten und größten werte: Liebe und Lha-
rakter. Diese jedoch haben immer nur einen Urgrund: Das
Leben der Gemeinschaft. Es gibt keinen großen Gedanken,
der nicht aus dem Gemeinschaftsleben geboren wäre. Liebe,
Treue und Heroismus sind aus Einzelindividuum gebun-
den nicht dcnkbar. Deshalb, wo Musik lebt — lebt die
Seele — ist das Gemeinschaftslebcn lebendig, oder wo das
Gemeinschaftsleben lebendig ist — ist die Seele erwacht
und muß Musik wachsen. Das Vorhandensein guter Musik
bürgt für die Anständigkeit und den Lharakter eines
Volkcs. Dic Rapellc vor der Truppe, von der HI., SA.-
und SS.-Abtcilung ist absolut sinnvoll, denn hinter ihr
marschiert einc Gemeinschaft von Menschen für eine große
Idee, für einc Idce dcs Herzens, der Gemeinschaft. Die
Musikkapelle ist das voraustragende Her; der Eruppe.
Die SPD. und RPD. hatten auch Rapellen — aber im-
mer war die Lapelle ein widerspruch zur Truppe —
besser hätte man ein Grammophön vorausgetragen. wenn
es trotzdem eine Rapelle war, dann erwachte in dem mar-
schierenden pazifisten, die Tafeln mit der Aufschrift tru-
gen „We wieder Rrieg", das deutsche Mannsbild, der
Soldat in dem marschierenden, verführten aber doch deut-
schen Arbeiter. Ich habe sogar den Irrsinn erlebt, daß
vor einem solchen pazifistenzug das Marschlied „Lützows
wilde verwegene Iagd" gespielt wurde. Die Musikkapellc
— eine schlichte Bauernkapelle — hatte eben keinen pazi-
fistenmarsch. Dieses zusammengesetzte Hauptwort ist an
und für sich ein Irrsinn, denn marxistischer pazifismus
ist Verbrechen und folglich musikalisch nicht ;u übersetzen.
wurde jedoch vor einem solchen pazifistenmarsch ein
marxistisches auch mit bolschewistischem Tept unterlegtes
Lied gespielt, dann geschah das Mcrkwürdige, daß die
Hörer und Sänger innerlich zerriffen wurden — denn
die Musik schrie nach dem Vaterland und der Dext pro-
klamiertc den Verrat. Es ist deswegen selbstverständlich,
daß in unserer nationalsozialistischen Zeit, die auf deni
ewigen Baugrund der Raffe und Seele aufbaut, die zum
ersten Male seit Geschichte geschrieben wird, auf den see-
lischen und charakterlichen werten eine reale welt mit
einstiger kultureller herrlicher Blüte 'errichtet wird, das
Musikleben, öie Pslege und Erziehung zur Musik im Mit-
telpunkt des erzieherischen Denkens steht. So wollen wir
den deutschen Menschen gestalten und erziehen, dem n»r
vernunft- und verstandesmäßigen Intellektualisten — dnn
geistreichen Schwächling, den gesunden starken Lharakter.
mcnslhen gegenübcrstellen. Zum geistreichen SchwaKmg
. paßt dqnn vielleicht nur noch ein Rlangapparat, zum Lha-
raktcrmenschen unserer Zeit aber dic lebendige Musik des
deutschen Volkes, dargebracht vöm Volk, feinen Lünstlern

und scinen Orchestern.
 
Annotationen