Runst undJugmb
Amtliches Organ des NGLB für Nünstlerische Erziehung
Hauptschriftleitung: Henrich Hansen, presseamtsleiter des VsSLB., Bayreuth
Schriftleitung fiir Bildnerischc Erziehung: profeffor Erich parnitzke, Riel
Schriftleitung für Musische Erziehung: professor Lernhard Iversen, Riel
Samtliche Einscndungen sind an dic .Kauptschriftlcirllng Sayrcuch, postschließfach ü ;u richtcn
FUr Lcsprechungscxcmplarc, Niedcrschriftcn odcr anderc Linscndunacn irgcndwelcher 2lrt wird eine Vcrantwortlichkcit nur
dann iibcrnommcn, wenn sic erbeten wordcn sind . Schrcibt sachlich klar und einfach i Mcidct allc cntbehrlichen Fremdwörter
Verleger und Herausgeber: NS.-Lehrerbund, Hauptamt für Erzieher, Bayreuth
Romm.-Verlag, Druck, Versand: Eugen Hardt G.m.b.H., Stuttgart-N, Lange Straße iS
15. Iahrgany
Iuli 19ZL
'äeft 7
Alfred-LichtVark (1652^1913)
Lle Erzltstunl, öes MmDms"
Aus der Schrift, dic >yo> crschien und nicht wieder aufgelegt worden ist, dringe tch LusMge,
die un» heute noch wcsentlich angehen. ^ E, p. -
rarbe läßt sich lernen — Is coulsur s'sppssncl —
sagt ein französischer Atelierspruch.
Ie nachdem dies Grakel ausgelegt.wird, stellt es
die Tatsachen auf den Aopf oder drückt kurz und
bündig eine wertvolle Erfahrung aus.
Farbe kann man nicht lernen. wie Musik muß man sie
in der Seele haben. Und wie die musikalische Begabung in
tausend Gradcn vorkomme, ist die Fähigkeit, Facbe ;u
fühlen, eine Sache der rndividuellen Anlage.
Versteht man den Spruch jedoch dahin, -aß die einmal
vorhandene Empfindung für Farbe in hohem Grade aus.
bildungsfähig ist, so Hat er recht. --
In unserer Erziehung bildet das Gebiet der Farben-
empfindung ein völlig unbestelltes Feld (1001!). Den aller-
meisten unserer Gebildeten und Gelehrten wird die Frage,
ob es wünschenswert oder nötig ist, daß beim kommenden
Geschlecht die Empfindung für Farbe erzogen wird, voll-
kommen gleichgültig sein. Ihre Lildung, wesentlich auf
das wort gegründet, hat sie nirgends auf einen punkt ge-
führt, von wo sich Jhnen eine Aussicht auf unsere trost-
losen Zustände aufgetan hätte.
2>n der Tat liegt eine zwingende Notwendigkeit vor,
daß der Deutsche „Farbe lernt".
Die Rrawatte, die der etwas kultiviertere Deutsche
trägt, die Stoffe seines Anzuges richten sich nach dem Far.
bensinn der Engländer, für die Rleidung seiner Frau ist
noch immer paris maßgebend, in der Malerei haben die
Franzosen in Deutschland weite Gebiete beherrscht und
beherrschen sie noch, in der Baukunst wird die Farbe in
der Regel als Vkotbehelf benutzt, einflußreiche Architektur.
schulen stehen der Farbe völlig hilflos oder geradezu
feindlich gegenüber ... jedenfalls beeinflußt die deutsche
Rultur gegenwärtig das AuslaNd koleristisch nicht. Diesc
Beodachtung allein inüßte uns am Gewiffen packen. —
Dem unterrichteten Deutfchen ist im allgemeinen be.
kannt, rvas die wiffenschaft über das wesen des Ljchtes
bisher errungen hat. 2Indes hat für dir künstlrrische Seise
de» problems drr Farbe die wlssenschaft von ihrer physt.
kalischen Natur keine besondere Bedeutung. Es kann sk-
mand' al» Forscher über das wesen drs Lichtes ünd der
Farbe im klaren sein, ohne vom Lsthetischen problem rlne
Ahnung ;u haben.
Daß bei uns Deutschen das VerhLltni» zur Farbe nicht
ganz in «vrdnung ist, lehrt schon da» mangrlhafte sprach-
liche Vermögen auch der sogenannten Gebildrten. Äin all
gemeinen werden nur evelb, Rot, Llau und «ie
Grün mit annährrnder Sicherheit brzeichnet.
meist Gelb genannt, Lila und Violett hrißen
oft Blau. Unsere Sprach« ist weiterhi» ersta ,
an Ausdrücken für Mischtöne und Lbschattungen. wir stnd
gezwungen, französischr Lusdrücke zu wählen: lüa», ora«ge,
vioiet, fraise, prune, puce, bleu mourant usw. — Dte er.
staunliche Fähigkeit der französischen Sprache, aus jedem
Hauptwort ohne writeres eine Farbbezeichnung zu machen,
deutet auf die Gewöhnung des Volkes hin, Farbenein»
drücke stark zu empfinden. Denn nur, wo das Gefühl leb.
haft auf den Eindruck antwortet, stellt die phantasie den
treffenden Namen zur Verfügung.
In der ästhetischen Empfindung für Farbe laffen sich
historische Schwankungen, iokale Eigentümlichkeiten und
Gewöhnungen bei allen Völkern beobachten.
Nebcn „Farbenbewegungen" (das wort stammt von L.
Ewald), dic ein weltalter umspannen, laffen sich Ver.
änderungen in größeren, mittleren und kleineren Zeiträu.
men beobachtcn. Das Gefühl für Gelb, Rot, Blau ist
beim Geschlecht von 1700, dem der Vorfahren um )öoo
oder iroo nicht identisch. Es ist nicht dasfelbe bei Tizian,
Rubens, Rembrandt. Iede Zeit hat ihr Rot, ihr Grün, ihr
Blau, ihr Gelb. Aus dem Fetzen eines Bildes, das nicht»
als zwei oder drei Farben enthält, läßt sich die Zeit be.
stimmen, in der es entstanden ist.
Auch über dic Beeinfluffung des Farbensinnes durch ört«
liche Zustände sind wir noch nicht genügend unterrichtet.
wir wiffen nur gan; allgemein, daß sehr große Untec.
schiede in der Erscheinung der Farbe bedingt sind dürch
den Feuchtigkeitsgrad der Luft, den Stand der Sonne, bie
unendlich feinen Staubteilchen, die in der Ltmosphäre
eines Lalkgebirges das Licht anders brechen als in der
einer Granitformation oder am Salzmeer.
Der Lbendhinimel sieht in Venedig anders aus al» 1«
paris, das pariser Abendrot kann nicht mit dem von
Berlin verglichen werden, die Lichterscheinungen um Son>