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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 3 (März 1935)
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Noack, Elisabeth: Musikerziehung bei den Kleinen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0060

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O

esunde Menschcn und gcsundc Völker bedUrfen
dcr Musik ebenso, wie der Sprache, der Rör-
perbewegunc, in Tan; und dramatischer Auf-
führung, der Raumgestaltung, der Malerei
und plastik, um sich darin seelisch gan; ausdrücken ;u kön-
nen. Darum ist es selbstverständlich, daß dic Volksgemein-
schaft ihre Jüngsten hineinstellt in diejenige musikalische
Gcfühls- und Wertwelt, dic Rinder mit der ungebroche-
nen Rraft ihres Empfindcns ergreifen können. wie dic
Muttersprache spielend erworben wird im Familien-
kreis, so werden auch dic ersten Liedchen von der Mut-
tcr selbst vorgesungen und vom Rinde nachgelallt, dic
ersten Rhythmen gehört und dann geklatscht und geklopft
mit ungeschickten -Aändchcn. Gan; natürlich wächst das
Aind hinein in den Rreis unserer volkstümlichen Nach-
ahmungsspiele, Ringelreihen und Schlafliedchen und all-
mählich weiter in den gan;en Reichtum des deutschen
Volksliedes, die Natur-, Heimat- und Vaterlandslieder,
Schcr;- und Tan;lieder, Stände- und Liebeslieder, Ar-
beits- und Feiergesänge. Und all die verschiedenen Sei-
ten des Fühlens und Erlebens, die im Liede anklin-
gen, werden auch in dem kleinen Menschen berührt und
formen ihn ;um Trägcr seines Volkstums. Die Ver-
antwortung aber sür die richtigc Einführung in dic
musikalische Muttersprache trägt ;uerst die Mutter.
Ein Rind in seiner großen Aufgeschloffenheit würde ja
gutc wic schlechte Lieder gleich freudig hinnehmen. Da
heißt es, alles wirklich echte im Volkskinderspiel und -lied
;u pflegen und kräftig im Rinde ;u verwur;eln. wird in
der Familie gute Hausmusik gepflegt, so wachsen
die Rinder auch, fast unbewußt, an der Musik der großen
Meister. Zuhören, in sich hineinhorchen, statt Lärm ;u
machen, ist meist schon ein Leweis gesunder musikalischer
Legabung. Bei dem einen Linde ;eigt sie sich früher, beim
anderen später. wo es irgend möglich ist, sollte sie dann
;um eigenen Tun auch auf instrumentalem Gebiet führen.
Ünsere heutigen guten privatmusiklchrcr wiffen
das Volksliedsingen und Liedbegleiten mit ein;ubauen in
ihren Unterricht, so daß sie neben Elternhaus, Grgani-
sation und Schule in bester weise mithelfen ;u einer wirk-
lich bodenständigen musikalischen Volkskultur.

Im Rindergarten wird heute überall musi;iert.
Auch hier darf es sich nie um Lärmen und plärren han-
deln, sondern um das aufmerksame, leichte Musikmachen,
das den Menschen wirklich innerlich ;u formen vermag.
Gutes Hinhorchen beim Vorsingen führt nicht nur ;um
schnelleren, sondern auch ;um feineren Erfaffen der Melo-
diebewegung, ;artes Singen und richtiges Atmen werden
der Rindergärtnerin selbst abgelauscht. Biegsames, fröh-
liches Singen läßt keine Langeweile aufkommen und keinc
Stumpfheit. Daß lauter echte Volkskinderlieder, keine
in falsche Rindertümelei verfallendc gesungen wcrden, und
daß nicht immer dieselben gesungen werden, ist hoffentlich
felbstverständlich. Man achte bei der Auswahl auch auf den
geringen Stimmumfang der Rleinen und laffe sie vor
allem nicht;u tief singen, in der Höhe aber nur mit lei-
ser Ropfstimme. Rleiiie selbsterfundene Rufe, die ins Spiel
eingebaut werden, " eigne Trommelrhythmen lenken die
' Rinder aus das Fpeie musikalische Tun. Beobachtungs.
übungen gliedepn sich gän; zwanglos an und führen zum
Verständnis von kaut.lcise, langsam-schnell, hüpfend, lau-
fend, gehend usw , hoch und tief (oder: hell-dunkel ü. a.),
,um Ünterscheidvn der Rlänge der verschiedenen In
nente und der Gcrausche. Am besten werden auch s«
Versuche vtrbundenMit Rdrperbewegungen, die°

musikalischen Geschehcn angepaßt sind, sa ihm entspri,

Ein allzustraffcs Marschirren «nd AstSkichten jst auf^
str kindllche» Stufe noch nicht günstig fllr Kie Entwick-

lung. Die Hauptsache ist das phantasievolle, fröhliche Sich.
ausspielendürfen.

Auch m der Grundschule bleibt zunächst das ge<
sungene Bcwcgungsspiel das Erste. Langsam tritt daneben
die Liedlchre und musikalischc Handwerkslehre, die ;um
selbständigen Umgehen mit der Musik führen soll. Die Lied-
lehre wächst aus der körperlichen Darstellung der Musikali-
schen Bewegungsvorgänge heraus, auf der anderen Seite
aus dem leichten, verständnisvollen Gingen selbst. Zunächst
werden die gelernten Lieder gegeneinander gestellt, wic
Menschen mit eigenen Gesichtern und deutlichem Lharak-
ter,,-sie werden in Gruppen geordnet und mit gan; deut-
lich unterschiedenem musikalischen Vortrag wiedergegeben.
Dadurch soll crreicht werden, daß das Ableiern oder laute
Herunterbrüllen von Liedern verschwindet. In der Hitler-
jugend, bei Iungvolk und Iungmädeln, lernen die Rinder
die Lieder mcist einfach durch Vor- und Nachsingen. Nun
hilft die Schulc mit ihrer Betrachtung der Lieder, der
einzelnen Lieder-Atemzüge, schließlich auch der Einzeltöne
in ihrem Verhalten ;um Grundton innerhalb der Dur-
und Molltonalität ;um bewußten Erfaffen der musikali-
schen Vorgänge. Das Erhörte wird in Zeichen festgehalten
— in Bewegung, Linie, zuletzt unserer Notenschrift. Das
Aufschreiben gehörter Rufe und das Absingen ergänzen
einander, auch die schwächsten Schüler werden fähig, mit-
zutun, wenn die Aufgaben am Anfang leicht und gründlich
genug waren. Rhythmische Schulung, Dirigierübungen,
Singen in Gruppen und einzeln dienen dem weiteren Ein-
dringen und Ausarbeiten der Lieder. Für schlechte Lieder
und Lhöre ist keine Zeit: wir haben so viele prachtvolle
Volkslieder, Lhoräle, Runstlieder in Deutschland, und
heute auch schon so viel gute neueste Lieder und Ranons,
daß wir gleichgültigc und schädliche Dinge aus unseren
Liederbüchern verbannen sollten. Daß die Schülec all-
mählich immer schwierigeren Aufgaben gegenübergestellt
werden, daß sie gründlich handwerklich arbeiten müssen,
darf nicht mit Zwang und Einpauken gleichgesetzt werden.
Ein gesunder Zuwachs an Rönnen befriedigt jedes Rind
und macht es fähig, lebendiger, aus dem Vollcn heraus,
;u musizieren. Auch die werkbetrachtungen verhelfen hier-
zu, wenn che von Schulbeginn an sauber und ehrlrch ge-
pflegt wurden. Beschreiben und erläutern, was gehört
und gesungen wurde, kann auch dem musikalischen Emp-
finden nützen, es ist besonders nötig, um das verschwom-
mene, gefühlsduselige Hören von Musikwerken ;u be-
kämpfen, das sich an Musik berauschen will, anstatt sich
ihr unterzuordnen- Die allzu subjektivc Einstellung ;um
Runstwerk ist eben heute noch lange nicht Überwunden.
Selbstverständlich ist auf der anderen Seite alles Zer-
pflücken und Zerreden, alles Vlur-Verstandesmäßige gan;
;u vcrmeiden.

werden unsere deutschen Rinder durch die Schule da;u
erzogen, der großartigen welt unseres Volksliedes aller
Zeiten nicht fremd gegenüberzustehen, haben sie gelernt,
die verschiedenen Liedarten ;u gruppieren, sich einzu-
verleiben und dadurch ihr eigenes Innenleben fsrmen «nd
, bereichern ;u taffen, haben sie gelernt, nach ihrem Lön.
nen selbständig ;u arbeiten, stimmlich und sprachlich gut
vorzutragen, so sind sie fähig, in den verschicdensten Ge.
meinschaften der Rlaffen, der ganzen Schule, des Lhores
ihren platz auszufüllen. Alles Rönnen aber wäre umsonst,
wenn nicht durch jede einzelne Stunde die Lüst ünd Liebe
zu gemeinsamem Singen und Spielen geweckt und Mpflegt
worden ware, wenn nrcht in diesen mustkakschen Gemein-
-fchäften das kaMeradschaftliche Miteinander gefühlt würde.
Man Weiß vsn deastßen, von D«D «nd ^agvr her, wir
staxk »erade Singcn die Menschen -stsatnnicnfühet. Das
aber soll sich auch in ,eder ricktigen Schulgcmeinschaft
 
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