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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 9 (September 1935)
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Lohse, Emil: Der Hahn als Gestaltungsmotiv in der Volksschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0213

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E. ^öll/k-ÄkköökH, Dozcnt am padag. Institut Dresdcn

Der kjahn cils OesialtulWmoklv ln üer Volksschulr

/I^Vs gibt gcwistc Motive, dic sich wcgen dcr schar.
/ fen Lharakteristik der Form, der Möglichkeit

eincr vielfältigen Glicdcrung und Farbgebung
. fiir bildncrischc Gcstaltung bcsonders gut eig-

ncn. Dckannt ist dafür das Daum-Motiv, dem man dar>
aus bcinahc cinen Vorwurf macht. Man Ubersieht abcr
dabci, daß es sich in solchen Fällen um mehr als nur
Zeichenaufgaben, daß es sich um besonders gute Gelegen.
hcit für Stilbildungsarbeit handelt. Iede Gestaltungs.
arbcit sucht lctzten Endes ihre zunächst formalc Voll-
cndung in ciner Stilform, das trisft schon auf dic ein-
fache Rinderzeichnung ;u. Aufgabcn, die inhaltlich stark
beladen sind, und sich mit ausdrucks. und gebärdcnhafter
Form stark auseinanderzusetzen haben, würden durch be-
sondcre Letonung des Formalen übcrlastet werdcn. Man
könnte also unterscheidcn zwischen Gestaltungsübungen, dic
reinc formalc Stilbildung, und solchen, die Ausdrucks-
stcigerung bctonen. Beide Aufgabengruppen strebcn
cincr allmählichen Verschmelzung zu. Im hier behandeltcn
Beispiel wird dieser Versuch der Verschmelzung für
das 10. Schuljahr vorgeführt. Auf allen Stufen ist der
Hahn ein dankbares Motiv. Ahm cignen die oben aufge-
zählten Vorzüge, dazu kommt, daß er öfters eine Rolle
zu spielen hat als Märchcnfigur (Bremer Stadtmusikan-
ten„ Hähnchen und Hühnchen, waldhaus), in der Sagc
<dcr walhall —Hahn Gulinkampi) und in Volkskunst
(Spielzeug, Stickcreimotiv, wetterhahn) und Heraldik
auftritt.

In dcn Illustrationen, die unserc Elemcntaristen zum
Märchcn von den Bremer Stadtmusikanten zcichnen, kann
man bcobachten, wie stch dic Form „Hahn" aus der Ge-
samtform „Licr" ablöst. Da ist eine Grundform vorhan-
den, aufgebaut aus den Formelementen und nach den
Baugesetzen jcner frühen Stufe, durch bestimmte Merk-
male charakterisiert als Esel, Ratze, Hahn und Hund. Zu-
weilen ist ein Formmerkmal, zuwcilen die Farbe bestim-
mend. Der Esel bekommt lange Ghren und zuweilen auf
den Rücken cinen Sack, der Hund einen entsprechcnden
Schwanz, die Ratzc einen Äart, der Hahn hat oft drei
Beine, was immerhin heißen soll, daß er „nicht zu den
Vierbeinigen" gehört. Die Ratze wird gern grün genralt,
und des Hahnes Farbe — sein hervorstechendstes Merkmal
— heißt „bunt". So im Bilde (Abb. z).

Tritt der Hahn als Einzelform in den Zeichnungen die-
sxr Stufe auf, wenn man z. B. Gelegenheit hatte, ihn
mit der Rlaffe eingehend ;u beobachten und ;u betrachten,
so laffen srch leicht zwei Ausgangsformen feststellen, die
in ällen Altersstufen wieder auftauchen. Die eine ist eine
Ärt Schauform, dic ich cjnmal drastisch die „Heringsforni"
nennen chill, die andere eine Bauform. Dazwischen gibt
es zahlreiche Wcbcnformen (Abb. r und z). < „

wcnn ich oben von Betrachtung sprach, so kann es
sich dabei aüf der Elementarklaffe nur in gan; geringem
Maßc, ctwa bci dem schöncn Dogen des Schwanzes, um
eine Detrachtung des Formvcrlaufes haüdeln. Den
bestimmt das Gcsey der Stufc, nicht die betrachtete Natur-
form, und er unterliegt der größeren Linheit det Form,
dic zu suchen wir durch die kunsterzieherische Aufgabc des
ZeicheNUntrrrichtes verpflichtet sind. Gerade weil wir für
die Oberstufe ein ffreies und schöpfcrisches Gestalten in
^^^'chst größer Daturnähe erstreben, müffen wir uns
lnfang an vor jener Abhängigkeit von vlatur hüten,
der Lcheer, anstatt ein offencs Äuge fiir das Rhyth.
e der Form zu haben, Verhaltniffe und Entfernnngen
"" lliertc. Auch rvir bttrachten hchte plaiur, sogar
nd, aheü'wit -vertrauen, daß das Rtnd zunächst
t von stch aus -lnen Grundtyp „Hahn", aus vieserlei

Anschauungen erworbcn, bcsitzt. wir bereichern und vcr-
vollständigen nur dcn Vorstellungsschatz, wir fragen: „was
gchört alles zum Ropf; was zu den Beinenr usw.". Da-
durch ergeben sich für das Rind vielerlci Gestaltungs-
anlässe, Gelegenheitcn, für einen Inhalt aus einer ganz-
heitlichen Grundhaltung heraus eine Form zu suchen, einc
„Gestalt" zu finden. Darum geht es uns zuerft. Dazu pfle-
gen wir das erzieherische Moment dcr sorgfälti-
gcn Apbcit, die natürlich auch ihre Entwicklung aus klei-
ncn Anfängen hcr kennt, vom sorgfältigen Ausmalen und
Llachsichcn bis zum Halten cines immcr 'gräßeren Gestal-
tungszusammenhangcs. wcnn wir in den ersten vier
Schuljahren die Sorge um diesc Dinge einer meist sehr
zwcifelhaften „Lcbendigkeit" opfcrn, blciben weite Strek-
ken des uns anvertrauten Bodcns unbebaut. wir könncn
das auch nicht dcr höhcrcn Schulc, die gern frisches Feld
beackern möchte, zuliebc tun.

Die Mittelstufc, vom ;. Schuljahr, einem zeichne-
rischen llbcrgangsjahr, bis zum o. Schuljahr, das gleichen
Lharakter trägt, gerechnet, erlaubt dem Rinde, gemäß seiner
größeren zeichnerischen Bewegungsfreiheif, schon eine deut-
licherc Auseinandersetzung mit der vlaturform. Der Hahn
bekommt, wenn man so sagen will, Bewegung, cr kann lau-
fen, krähen, fressen. Dies wic das Federkleid wird ein An-
laß reicherer Durchgestaltung. Intereffant ist dic auch bei
Erwachsenen immcr wieder auftauchendc naive Rnickung
dcr Beine nach vorn, wie man sie auch bei der Säuge-
tierform beobachtcn kann. Sie mag von der menschlichen
Beinform herkommen, auch aus der Handbequemlichkeit
stammcn. Früher pflegten wir sie zu üekämpfen, indem
wir an der wandtafel die Anatomic des Hahnengerrppes
entwickelten, heute wiffen wir, daß mit einer späteren Ge-
ftaltungsstufe die Beine von selbst „richtig" werden-
Dazwischen aber liegt die Schwankung, die für dic
Mittelstufe der Volksschule besanders charakteristisch ist.
wenn auch bei viclen Studenten und anderen Erwachse-
nen solche Formen auftreten, ist das eben ein deutlichcr
Hinweis auf ihre Entwicklungslage, die mit Guali t ä t
nichts zu tun hat. Die Stufe der richtungsunterschiedenen
Form (Abb. i—z) kennt diese „falsche" Beinknickung nicht,
weil die Möglichkeit fehlt, diese Form zu bilden — Un-
schuld aus Unvermägen! wer das 'elterliche Urteil scheut
— und es ist sehr ;u beachten! — der braucht nur die von
Zeit ;u Zeit im Arbertsgang nötige Betrachtung aller Är-
beiten mit der versammelten Rlaffe zu benützen, um die
iZotwendigkeit einer erneuten iZaturbetrachtung begreif-
lich zu machen. Sie ist der Vorzerchnung an der wand-
tafel immer vorzuziehen. Übrigens lehrt die Volkskunst an
manchem wetterbahn, daß man auch mit „falschen" Ber.
ncn in den Himmel kömmen kann (Abb. 4). Die Form-
entwicklung, soweit es sich um die ungcsteigerte flächen-
haftc Form handelt, schernt bei den meisten Schülern in
der Mittelstufe ihrcn Abschluß zu finden.

Dic Oberstufe bringt andere W^dungen. Ernmal
die zum Technisch c n: ;u Linolschnitt, Schablonendpuck,
Leuchtbild, Preßspanraöierung. Diese Techniken sind hier
eine große Anregung, und man sollte sie nicht sch *
frühen Stufen, wo das technische Denken ihyennf
nicht den nötigen Hintergrund gibt, verschwrndrn. G
Lietet die Entwicklung des Gestaltens tn.,^-H
Aröglichkeiten. Das Federkleid erlaubt eine
- kleine Gestaltungsfelder, die durch fließend
Andacht ünd Licbe durchgearbeitet wert^
meint tst hicr eine Nerlebeodigkeit.tzer
vur glätt ausaematteü Farbfläche durch
, Ineinanderfließcn tzer Tone, !abee Nh»e
Grenzen. Vor allem abxr gestatten tzie Fe,


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