Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

DOI Heft:
Heft 5 (Mai 1935)
DOI Artikel:
Koelitz, Hanna: Naturbeobachtung und Bildgestaltung: ein Beitrag zum Tierzeichnen
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0106

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ZMlMlsche Erzlehung

^anna Soelitz-Berlln-Zehlen-orf

Nstmöeoögchlllllg unö VllügestÄtung

Ein Aeitrag zum Mrzelchnen

Al Dcr Lcopard ll^slir psc6u5> — aus cincm Lcitfaden der Zoologie


I. Grundsatzliche Unterscheidungcn:

ch stelle gcgcnübcr: Naturbcschrcibung in wort
und 2>ild und dichterische Gestaltung in wort
und Bild (am Beispiel des pardels).

H,. vtaturbcschreibung (dazu Lild cl.'»

„Dic pardel (Leopardus) sind große oder mittelgroßc
Ratzcn mit kurzhaarigem, schr buntem, durch gesäumte,
d. h. ringförmsg einen Hof umschließende oder durch vollc
Flecken gezeichnetem Fell, ohne Mähne, Guasten und pin-
sel an irgendeiner Stelle, mit kurzen Dhren und schönen,
großen, rundsternigen, leuchtenden Augen."

, ' ^ : ' — Lrrhm Ticrlcbcn.

8. Dichtung (dazu Lildcr 6) bis 8;)

1- .„Und steh, da kam fast an der höhe schwelle
Des wegs ein pardel leicht und sehr behende ...

Der war bekleidet mit geflecktem felle.

. , Vor meincm Blicke schweift er ohne ende ^.

') . ' ' . — Vantr -. Gottlichc Lomödic.

r. „Dann legte der Neger seine fünf Finger gan; dicht
aneinander — er hatte noch reichlich Schwarz aus
seiner neuen Haut und drückte ste überall dem Lcs-
parden auf, und wo vie fünf Finger das Fell berührt
hatten, blieben, dicht beieinander, fünf kleine schwarze
Flecken ..." ^ , /

— Lipling: wic ber Leopard zu seinen Flcckcn kam.

3- „Sein Blick ist vom Voriibcrgehn der Stäbe
So müd geryorden, daß er nichts mehr HLlt.

- 2hm ist chls öb es tausend Stäbe gäbe , :

Und hinter tauseüh Stäben keine welt.

' Der weiche Ggng aeschmeidig starker Sckritte

Der stch im ällerkleinsten Dreise dreht

Ist wie ein Tan; von Rraft um etve Mitte ^ )

Auf Her eincn Seitc — wort und Bild ^ — nur e i n
Bcispicl für eine Vorstellungsart:

Icdcr Mcnsch muß zum gleichen Ergebnis kommen,
wenn cr auf wifsenschaftlich-objektivc Art den Tatbestand
aufnimmt: prüft, mißt, verglcicht. Dics Ergcbnis kann
gcnaucr odcr wcniger gcnau sein, richtigcr oder weniger
richtig: AIs Zicl hat cs den Idealfall, dcr schlechthin rich-
t>g ist.

Auf der anderen Seite — wort und Bild 6 — finden
wir einc Reihe von Vorstellungen (die stch endlos er-
weitern ließc). Hier ist etwas Lebendiges in eine Form
gebracht, und dcr Gegenstand ist der verhältnismäßig un-
wichtige Anlaß zu einer höchst subjcktiven Rechenschaft,
die sich ein Einzelner gegebcn hat, und die bei kcincm
zweiten gcnau so ausfallen könnte.

Dcr grundlegendc Unterschied zwischen diesen beiden
Arten von Vorstellungen ist klarer ;u erfassen, wenn man
untersucht, zu wclchcn endgültigen „Festlegungen" dic
Vorstellungcn führcn könncn:

Einmal führt der weg von der wahrnchmung übcr
dic Vorstellung zum Begriff: zum verstandesmäßigen
Einordnen von Sachbeständen und Rausalitätszusammen-
hängen. Andrerseits führt der weg von der wahrneh-
mung übcr die Vorstellung zur Anschauung, die im
Grunde nichts anderes ist, als eine in allen Teilen klarc,
lebendige Vorstellung, von einer solchen Deutlichkeit, daß
sie verwirklicht werden kann. — Sich vorstcllen — vor
das geistige.Auge stellen; Anschauen — mit den körpcr-
lichcn Augen'sehen.

Beide wcge vcrlaufen ähnlich: vom Aufnehmen der ;u-
fälligen Einzelerscheinung über die beliebige und vom
Äußeren unabhängige gcistige wiedergabe dieser Einzel-
erscheinung bis zur geistigen Umformung: bei der
Begriffsbildung zu einer Verallgemeinerung, die zugleich
ein abstraktes Schema ist, bei der Anschauungsbildung
wiederum zu eincr Vcrallgemeinerung, die aber einc
äußerste Verwirklichung Lst: Der Gegenstand wird fast
übcrtricben scharf charaktcristert, aber nicht in Einzel-
heiten zcrlegt. '

während bei der Degriffsbildung aus der Mannigfal-
tigkeit von Diger, Hund, pferd die überordnung „Säuge-
tier" sozusagen durch ein gegeneinander Abwägen der ein-
zelnen Arten, und eine Zusammen«
faffung der Gemeinfamkei.
ten abgelcitet ist, wird bei
der Bildung der Anschauung «us
der Mannigfaltigkeit von Tiger, !

Hund, pferd — wiederum durch ein
Abwägen, däs nun aber auf das
Festlegen der individuellen Beson-
derheiten einer jeden Art zielt
der „Tiger" hrrausgcstellt; und im I
Verhältnis Su Hund, pferd- sswie I
aus der Schar drr einzelnen Tiger ^

8ÄKM
 
Annotationen