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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 2 (Februar 1935)
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Koelitz, Hanna: "Zur Entwicklung der Landschaftsmalerei": vom Goldgrundbild zur Freilichtmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0033

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nach Nlodellcn zu zeichnen: sie seien nicht schön genug, wie
dcr griechischc und dem Renaissanceempfinden darum nahe-
stchendc Lildhaucr polyklet aus eincr Reihe „schöner"
Mcnschenkörper die Maße für seine Idcalfiguren fand,
so bcdeutet die Figur der Rcnaiffance dem natürlichcn
Menschenkörper gegenüber einen nicht mehr Ubcrirdischen
und naturabgewandten, aber außernatürlichen und die Na«
tur weit übertrcffenden Idealfall, ;u dem die Natur mehr
odcr weniger unvollkommen das Material stellen — ;u drin
sie abcr niemals Vorbild sein kann. Der schwärzliche Schat-
tenton der Malcrci ist höchstcns in dem klaren und pn<
persönlichen Licht eines gut gebauten Ateliers, niemäls
in dcr vlatur ;u finden. So wäre für den Renaiffancemäler
ein Malen nach dcr Natur sinnlos.

Dic barockc Landschaft stellt Bewegung und Licht där.
Die Naturnähe wächst, aber trotzdem gleicht die barocke
Landschaft einer Art Lühne, mit den großen Ruliffen der
dramatisch aufgereckten Läumc, mit den wilden Licht-
effckten, die den Horizont überschütten. Auch hier bietet
dic Natur nur in den seltenen Ausnahmefällen großer
Ratastrophen ein Vorbild für die Malerei. Aber die rasche
Vcränderlichkeit der ungewöhnlich erregten l<latur, wie
sie ;. D. der wolken- und Lichtwechsel eincr Gewitter-
landschaft zeigt, würde dieses Naturvorbild für eine Male-
rci nach der Vkatur unbrauchbar machen. Es kommt auch
gar nicht auf Natureinzelheiten an. Alles ist im Großen
gcsehen, die Haltung der Bäume ist wichtiger als das
Blattwerk, die Heftigkeit des Helldunkelwechsels wichti-
ger als das Spiel des Lichts auf den Einzelheiten. Die
leidcnschaftliche Geste des Barock ist ebenso, von der Natur
gcsehen, ein Grenzfall wie die schöne Ruhe der Renaissance
war. Der Ausdruck einer barocken Landschaft ckann vör
der Natur seltener und weniger eindrrnglich ekfaßt wer-
den als ohne die iTlatur, die ;ur Banalität— im barocken
Sinn verlciten müßte (wie sie ;ur ,Aäßlichkeit im Sinn
der Renaissance, ;ur Sündrgkeit und Schwere im Sinn
der Gotik vcrleitet hätte). Denn dic Farbigkeit,-der Haupt-
rei; der Vlatur wird im Barock ;u einem bräunlichen
Gesamtton verändert, aus dem grell das Licht hervor»
bricht, sei es mit der wucht des Rembrandtschen Hell-
dunkel, sei es mit der Vcrhaltenheit der poussinschen Bil-
der. ^

Erst in dem Augenblick, in dem Farben gemalt werden:
die Bcziehungen der Farben zueinander, in dem Augenblick,
in dem der neue Ausdruck entdeckt wird, dcr in einer
Farbverhindung liegt, in dem das geistige Gesetz des Far-
benklangs das Gesetz des Helldunkels ablöst wie dieses das
Gesey der Form äblöste — in diesem Augenblick wird,
streng genommen, erst die Natur entdeckt. Denn bei die-
sen farbigen Gesetzen handelt es sich nicht mehr um den
Aufbau von Einzelheiten: Der Farbenklang kann nicht
so aus nebeneinandergeseyten Einzelheiten allmählich ent-
stehen wie das ausdrucksvolle Grnament der Gotik, er
kann nicht nach den Gesetzen des Gleichgewichts zusammenge-
fügt werden, wic der formvollendete Aufbau der Renais-
sancc, nicht allmählich aus Hell und Dunkel entstehen:
sondern er muß im ersten Augenblick fertig da sein. Die
Farben bceinfluffen sich gegenseitig so stark, daß cin
auch nur wenig verändertes Rst in einen Farbenzusam-
menhang einen völlig neuen Farbklang bringt. Die Farben
immer wiedcr auch nur wcnig ändern, hieße nichts an-
deres, als aus eiiiem Facbklang immer wieder in rinen
anderen sturzen^ es würve keme Vervollkommnung, son-
dern nur Vyränderung bedeuten. während die Disputa
aus 45 verscbiedencn Studicn und in einer langen Zeit-
spanne wirklich crst rntstanden ist, und die Idee des Bil-
des erst allmählich herauskam, ist der Farbenklang des

in dcm das Auge des Malcrs auf ihn gefallen ist. wäh-
rend die Zeit Dürcrs inncrlich voll Figur war, ist die Zeir
Manets von eincr dcrartigen Verfeinexung des Auges,
daß alle Natur ihr in Farben ;u funkeln scheint, schön oder
.häßlich, ;art oder hart. An der Tatsache^des Sehens leidet
und bcgeistert sich der Maler des späteren -s. Iahrhun-
derts, und seine eigcntliche Arbeit, dem Studium der
alten Malcr entsprechend, ist die Drganisierung seiner
palettc. Dic Frage, wie kommt die Farbe am leuchtendsten
;ur Darstellung, führt vom Divisionismus Lonstables und
Dclacroip' über die klaren pläne und die Schattenlosigkeit
der Malerei Manets ;ur Aufhellung der impressionistischen
palette und vcrliert sich in der versteckten wiffenschaftlich-
keit des entartcndcn Impressionismus wie in der schein-
baren primitivität epprcssionistischer Farbgefühle —
nicht anders als die Larockmalerei ;u leerem Schwung,
dit Renaiffancemalerei ;u glatter Manier entartet war.
Dcnn überall jn der Runst müffen Ausdruck und Form,
Geist und Tcchnik zusammengehen, und immer bleiben ;um
Schluß der Epochc Ausdruck oder Form. So ist für
den Maler des is. Iahrhunderts die Natur immer unent-
behrlicher geworden, je farbiger seine Malerei wurde.
Beispiele für die Entwicklung der Landschaft von der
Frührenaiffance an:

9. Erste Darstellung dcr räumlichen Ferne überhaupt:
Ian van Eyck: Genter Altar: Streiter Lhristi.

Die Landschaft ist gleichmäßig grün und sehr weit
hochgezogen: dadurch wirkt sie wie ein Teppich.

Die Landschaft der Renaissance: )

lo. Erste Darstellung der Raumunterschiede zwischen vorn
und hinten:

pieter Brueghel: Herbstlandschaft;

Giorgione (Tizian): Ruhende Venus.

Betontes hintereinander: brauner Vordergrund,
grüner Mittelgrund,
blauer Hintergrund.

Hochgezogencr Horizont.

Spätrcnaiffance:

I I.Das Braun breitct sich aus:

Tizian: Rarl V. nach dcr Schlacht bei Mühlberg.
Verbindung zwischen vorn und hiuten durch die ein-
heitliche Farbe, durch das auftauchendr Licht. Der Hin-
tcrgrund bleibt währcnd der späten Renaiffance noch
ziemlich hoch, und es besteht der Brauch, Personen, dic
den Hintergrund Ubcrragen, vor ein höheres Gebüsch
;u stellen, das sie umgibt.

Die barocke Laudschaft:

ir. Die große Raumtiefe der Hell-dunkel-Malxrei:

^ Rembrandt: Landschaft, Braunschweig, Uluseum.
Rübens: Zwei rümische Sieger.

Lorrain: Einschiffung der Rönigin von Saba.

. Der Horizont ist sehr tief, die weite dcr Landschast
außerordentlich grsß.

(Das starke Rot, das sich bei Ruhens wie auck bei
Rembrandt findet, gibt der einheitlichen ÄWerei einen
lebhaften Akzent.)

Dic Landschaft des i§. Iahrhunderts:
i;. Das Hell-dunkel wird vsn der Farbvaleur ersetzt, die
Raumtiefe vom Raumzusammcnhang:

Lonstäble: Thc hay wain;

Lorot: Landschaft. -

Menzel: palaisgarten des prinzen Albrecht.
Monct: Fischer an der Seine. , .
 
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