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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 4 (April 1935)
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Böttcher, Robert: Der Expressionismus im Lichte unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0084

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vom «crcl uocrwatriyr, wen» er diejc jammcrvollen Lhrj.
stusgestalten sicht, dic so gar nichts mit dcm gcmcin habcn,
wie sich unsere Väter ihren „Heliand" vorstellten? Graut
jhm nicht vor dcn jüdischen Larven, vor dcn xslotzcndcn
Augen, den fletschcndcn Zähncn, dcm brutalen Mund, die
mit dem toten Heiland bci Noldc das 2>ild füllen; Fühlt
er nicht, was jcder deutschc Mann, was jedc dcutschc
srau fühlt, nämlich daß hicr ein Rünstler am wcrkc gc-
wesen ist, der aller Bindungen von Blut und Boden
ledig, deffen Scele vcrwüstet ist bis in ihren tiesstcn Grund
hineinr Erkennt er nicht dcn volksfrcmden Stümper, der
niemals von dcm hohcn Idealismus eincs echten Rünst-
lers bcseclt gcwesen scin kann, nie dcutsch gedacht, nic
dcutsch gefühlt, nie dcutsch gchandelt habcn kann;

Und nun schlagen wir das Buch auf „Emil Nolde,
Briefe aus den Iahren iS04—1srd" und lesen, daß dieser
„Rohling" in der Lagc und fähig war, in diesen Briefen
worte niedcrzuschreiben wie die solgendcn: „Ich din in
dcr Vlähe von Londern iSl-7 gcborcn. Mcin Vater hattc
dort einen Bauernhof und wollte absolut, daß auch ich
Landwirt wcrden sollte. Mit 17 Iahren kam ich trotz allem
davon ab und war dann bis zum ;o. Iahre im Handwcrk,
in Fabrikcn und im Runstgewerbe tätig. Dann abermals
— nachdem ich mir Mittel crworbcn hattc — ließ ich alles
bisherige liegcn und widmete mich der künstleriscben
Ausbildung..."

Und dann:

„Eine stille, fast kindlichc Natürlichkeit ist mein eigen,
und ich hüte sie als mein teuerstes Gut."

Und über seinc Mutter lescn wir:

„Ihr Geschmack war so eigen und selten. weil sie das
Schöne liebte, weil es ihr wertvoller war als Taler, gab
sie diese hin dafür. Ihr Sinn ging über das Alltägliche
hinaus. Sie wußte die schönsten Rleider ;u tragen, dic
schönsten Blumen zu pflanzcn und ;u pflegen. Auch sprach
sic zuweilen so lieb. An cinem frühen Morgen, als ich
von ihr Abschied nahm, zeigte sie mir einen hellett Stern
und sagte: „Ich liege schon eine weile wach und srhe
immer hin und habe dann gedacht, daß dieser dein Stern

scincs bildkünstlerischcn wcrkcs. wo fände ein Laie von
diescn Bricfcn dcn wcg zur „Grablcgung"; Zu seinen
Landschafts- und Blumcnaciuarcllcn ist dic Spanne weit
klcincr. Auf Schritt und Tritt bcgcgnct cincm dort in dec
größtmöglichst gcstcigcrtcn Rraft und Schwcrc der Farbe
in der Dynamik, der Lcidcnschaft und wucht der Linien«
führung dic norddcutschc Landschaft und dcr norddeutsche
Mcnsch. Da ist nichts Frcmdcs, nichts Gnternationales, da
ist nur norddcutsche Hcimat. Und wenn wir nirgends und
nie ein Abbild der äußcrcn Naturcrschcinung finden, so
offcnbart doch dicsc l^latur überall ihre tiefsten Geheim-
niffe, legt ihr inncrstcs wesen, das wcit hinter der Er-
schcinung liegt, bloß. wer das als Norddeutscher nicht
fühlt vor Noldcs Bildern, der ist innerlich arm geworden,
dcm ist cin Reif auf dic Scclc gefallen und hat, was ur«
sprünglich war, zerknickt und zerbrochen.

Und dann wicdcr dicscr Lhristus, diese entsetzlichcn
jüdischen Larvcn, überhaupt dicsc Menschen, die so gar
nichts habcn von dcm, was wir nordisches Schönheits-
idcal nenncn, wic kommcn sic in Emil'lAoldes werk;
wic konntc cr cs überhaupt wagen, er, der nordische
Mensch, er, der scit Gcschlechtcrn mit dcr deutschen Heimat,-
crdc engstcns vcrbundene Bauernsohn, seelischen Gehalt,
eigcne, tief cmpfundenc und im Grunde seiner Seele er-
zeugte Gual und Freudc hineingießen ;u wollen in völlig
raffcfremde Rörper;

Die nordische Seele — im jüdischen Leib!

Oder sollte die jüdische Seele aus diesen Iudengesich-
tern sprechen- was soll uns aber dann dieses Bildr und
wie kann ein nordischer Rünstler aus jüdischer Seele hek«
aus schaffen, da er sie doch nicht besitzt» Und was schlim«
mer ist: wie soll der unverbildete nordische Mensch Zwt- Z
schcn all dem wust von raffefremden Leibern und Frayen
hindurch die ihm verwandte Seele erfühlen können; Wt«
soll er es gar vermögen, mit ihr gehrime Zwiesprnchr
zu haltenr

Viemals kann da» gelingenl
Vkoldes und das Mancher ' '
aller Zukunft fremd
dc» Dritten Rriche».

so wird das Hauptwerk

sei". Manche Menschen wußten sie nicht zu schäyen und
mochten sie nicht leiden. Ich aber bin ihr Rind, ich liebe der Dat drutschr l
sie und verehre fie innig." naturen sind, di«,

Ferner die vielen tiefen und sinnigen worte über seine nicht rrsparen kann,

und die deutsche Runst, von denen nur ein ganz kleiner Vrrdienst für sich

Ausschnitt gegeben sei: „Meine Runst ist nicht für Augen, wieder einen andW^

welche in der Vergangenheit haften, sie ist für die Sinne haben, energisch Front gemacht zü haben gegen WWW

der jüngstcn Gegcnwart und für die Zukunft" und: „In deutschen Geist des französisch gerichteten Jmpresfioui»-

Deutschland haben wir, sollte es uns wirklich gelingen, eine
große deutsche Runst, eine zweite periode zu schaffen —
die erste fällt in Grünewalds, Holbeins und Dürers Zeit
— das große Aufwärtsstrebcn vor uns. Ich selbst fühlc
mich dabei und ich hoffe — hoffe, sie wird kommen, diese
Zeit einer hohen deutschen Runst. ... wenn unsere Runst
gleichwertig oder bedeutender sein wird als die französi-
sche, dann wird sie quch, ohne es bcsonders zu wollen, gan;
dcutsch sein. In der Industrie, dem Handel, der wiffen-
schaft u. a. sind wir allmählich nicht nur glerchwertig,
sondern vorbildlich geworden und haben Selbstbewußt.
sein. In der Runst wird gleiches kommen, alle schönsten
vorbedingungen sind der lZation eigen". Und dann:

„Rünstler sein erfordert ein hohes Maß an pflichtgefühl.
Es ist ein sehr schwerer weg. wem es leicht wurde, der
war wohl nie ein hoher Rünstler."

Und wenn wir weüer in Hunderten von Zeilen lesen,
wie er, Vkolde, mtt -der Natur verwachsen ist, wie er mit
chr jubelt, mit ihr klagt; wie er in ihr tiefstes und hciliy.
stes wesen einzudringen shcht, dann stehen wir erschüttert
vor einem Rätsel. Und wenn -wir nun bei einigen weg

WWSWWWW

Rl«st tpt sich

inniger und stnnigrr, dem
pden verbundener gedacht und
" itil Vkolde tat; Sine kurchtbäre
- dem Manne und einem lkeil

' ' ' ' " -V'-

mus, deffen weltherrschast zerbrochen )v haben, rr
immer am Lußeren klebte, die Schale für den Rrrn mch«,
den äußeren Schein für das innere Sein, weil dee',7"'
bei jhm niemals verpflichtet war, in stch hinrinzn^ .
weil bei ihm ein gutes Auge ond eine geschvlt«
glaubten die reiche und große Seele ersetze« zu kü«n«u
Von alters her hat dem deutschen Rünstler sein Schaffe«
Ausdrucksformung bedeutet. Es war immer <in Htmein»
lauschen in die Tiefen seines wesens, ein Sichfinden vnb
ein Sich>befreien. '

In dicsem Sinnc schuf Albrecht Dürer das Bildnts fri»
ner Mutter. Nicht um ihrer äußeren Lrschrinung wille«,
nicht mit dem Verstande schuf er es, sondern mst d«M
ganzen, vollen Herzen um ihrer inneren Schönheit »»UiWtz
Hier suchte er nicht nach Maßen für eine schöne vnb sidll»
kommene Form, wie er es damals schon so gern tat. lÜei«,
hier hatte er nur das eine Ziel: Die Tragik und die
übermenschliche Schwere eines ganzen v; Aahr« währen»
den Lebens in eine schlichte Lohlezeichnung zu zwinge«.
Und weil er nichts, gar nichts weiter wsllte, weil er in
diesen Augenblicken alles abstreifte, was seit Italien ihn
nicht mehr losließ, darum trägt dieses Bild durch.
aus expressiven Lharakter. wer sreilich auch hier nicht»
sieht—-'und es gibt leider heute deren mehr denn je —als
die unschönen ZUge einer Älten Frau, die zufällig dr» grd«
ßen DUrers Mutter ist, wer nicht gepackt und erschüttert
wird von der Rraft und der Leidenschaft, mit denen der
Rünstler hier Visionäres mit bildkünstlerischen Mitteln zum
 
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