„ächst Freude am Zcichiien hatte, bedrängt ihn unablässig
mit dcr Masscnfragc: Ist das so richtig, bin ich nun
fcrtig, darf ich abgehcnr wie kam ste ;u dieser Fragc, da
das Rlcinkind doch noch hingcgebcn ohne Fragc selbstsicher
schaffte, Das geschah so:
Dcr Lehrer stand untcr dcm unbcwußten Zwang einer
Dildung, die analytisch den wcg „vom Lcichten zum
Schweren" ging. Er solgte eincm Lehrgang, der diesen
weg fiirs Zcichnen darin sah, daß zunächst mit sogenann-
ten leichtcn Einzelformen angefangcn und dann allmählich
bis zur Erhabenhcit der Pcrspcktive fortgeschrittcn wurde.
So tratcn äußcrc Fertigkcitcn an Stelle von Fähigkeiten,
die nur aus Inncnschau geboren wcrden können. Hinzu
kam, daß der Lchrer glaubte, er Müffe vorzeichnen. Da
in ihm sclbcr die Formkräfte aber brachlagen, gelangen
ihm auch nur mit Hilfsmitteln (Bauformen, Lineal usw.)
herstellbare Typenbilder. Die welt des Rindes ist aber
nicht aus zusammenhanglosen Typcn zusammengestoppelt,
sondern ist ganzheitlich organisch. Diese welt wurde nicht
angcsprochen. So mufitc das Rind, von den eigenen guten
Gcistern verlaffen, mühselig ängstlich frcmde Masken an.
beten, seelenlose Dinge nachzeichnen, und das ist genau so
schwer, wie mit fremdcn Vokabeln sprechcn. Iedcr Rhyth-
mus fällt von ihm ab, jedes Gefühl für die Bildwirkung,
das Miteinander von Flächc und Bild, geht verloren.
Das Gesetz in dcr eigenen Brust ist nicht anwendbar; an
seine Stelle tritt in der Beurteilung des ungcliebten,
qualitätslosen produkts dic Frage: Ist das so richtig, bin
ich nun fertig;
Armer Lehrer, armes Rind, arme Schule! An diesem
Grabc steht, hauptverhüllt, dic weinende Muse dcr Volks-
kunst.
Doch steh, ste hebt den Ropf. Der Student hat dic
vcrschüttete Guelle aufgegraben. Er hat die kleine welt
des Rindes angerufen und bejaht. Er hat das Zeichnen
wieder zum lustreichen, arbeitsamen Spiel gemacht, hat
seine Spiclrcgcln erklärt und damit das Gesetz des For-
mens und das Urteil über das Ergebnis wieder in dic
Brust dcs Rindcs zurückgelcgt. „Alles was du weißt und
worüber du dich freuft in eurem Garten, möchte ich sehen,
und kcin Gckritzel darf dazwischen sein; denn in eurem
Garten ist's ja auch sauber und ordentlich. Gedcs Blatt
am Daum sitzt brav an seincm Zwciglein, so wie der
nicht von seinem Ast und dieser nicht vom Stamm läßt."
Da ist's nun plötzlich aufgeblüht, die Blumen wachsen
und dic Läumc und freuen sich der Sonne und der Sternc.
Da fliegen die Vögel. Da hängt die große wäsche. Da
freut stch das Mädelchen selber am Blumenstrauß, und die
Aohannisbeeren sind sehr gut geraten dieses Jahr. Dcr
Piepmatz im Nestc sorgt für kommendes Leben.
Es wäre nun manches zu sagen über die Entwicklungs.
stufe, giif der diese Zeichnung steht. wer den Dildbeilagen
der Völksschule in dem Sinne, den ich inz Heft zo, Iahr-
gang 'z;, ausgezeigt habe, gefolgt ist, wird dadurch nur
geiangweilt. Er hat auch so seine Freude an dem kleinen
lebendigen Dild und wird stch nicht besinnen, welchen weg
von dcn beiden, die diese zwei Seiten einer Rinderzeich-
nung zeigen, er fürderhin gehen wird. Er weiß, daß dcr
lustige, mutig das Radiergummi verachtende weg zu einer
Sichcrheit des Formens führen muß, die allein ernsthaften
Erfolg zeitigen kann, die auch jede neue Erkenntnis im
kindlichen weltbild in Form umzusetzen imstande sein
wird. Hicr wird wieder Volkskunst, allgemein verständlich
und erfreuend. Die blaß gewordene Muse bekommt Farbe.
Hilf mit, ste wieder gan; drall und springlebendig zu
machen! — Diese Rinderzeichnung maßt sich nicht an,
schon als fertig ;u gelten, aber ste weist den weg!
Erschienen in „Die Volksschule" 'Zeft 9/10 19Z4; V7achdru>L mit
freundlicher Erlaubnis des Verlages Iulius Bely, Langenfalza.
mit dcr Masscnfragc: Ist das so richtig, bin ich nun
fcrtig, darf ich abgehcnr wie kam ste ;u dieser Fragc, da
das Rlcinkind doch noch hingcgebcn ohne Fragc selbstsicher
schaffte, Das geschah so:
Dcr Lehrer stand untcr dcm unbcwußten Zwang einer
Dildung, die analytisch den wcg „vom Lcichten zum
Schweren" ging. Er solgte eincm Lehrgang, der diesen
weg fiirs Zcichnen darin sah, daß zunächst mit sogenann-
ten leichtcn Einzelformen angefangcn und dann allmählich
bis zur Erhabenhcit der Pcrspcktive fortgeschrittcn wurde.
So tratcn äußcrc Fertigkcitcn an Stelle von Fähigkeiten,
die nur aus Inncnschau geboren wcrden können. Hinzu
kam, daß der Lchrer glaubte, er Müffe vorzeichnen. Da
in ihm sclbcr die Formkräfte aber brachlagen, gelangen
ihm auch nur mit Hilfsmitteln (Bauformen, Lineal usw.)
herstellbare Typenbilder. Die welt des Rindes ist aber
nicht aus zusammenhanglosen Typcn zusammengestoppelt,
sondern ist ganzheitlich organisch. Diese welt wurde nicht
angcsprochen. So mufitc das Rind, von den eigenen guten
Gcistern verlaffen, mühselig ängstlich frcmde Masken an.
beten, seelenlose Dinge nachzeichnen, und das ist genau so
schwer, wie mit fremdcn Vokabeln sprechcn. Iedcr Rhyth-
mus fällt von ihm ab, jedes Gefühl für die Bildwirkung,
das Miteinander von Flächc und Bild, geht verloren.
Das Gesetz in dcr eigenen Brust ist nicht anwendbar; an
seine Stelle tritt in der Beurteilung des ungcliebten,
qualitätslosen produkts dic Frage: Ist das so richtig, bin
ich nun fertig;
Armer Lehrer, armes Rind, arme Schule! An diesem
Grabc steht, hauptverhüllt, dic weinende Muse dcr Volks-
kunst.
Doch steh, ste hebt den Ropf. Der Student hat dic
vcrschüttete Guelle aufgegraben. Er hat die kleine welt
des Rindes angerufen und bejaht. Er hat das Zeichnen
wieder zum lustreichen, arbeitsamen Spiel gemacht, hat
seine Spiclrcgcln erklärt und damit das Gesetz des For-
mens und das Urteil über das Ergebnis wieder in dic
Brust dcs Rindcs zurückgelcgt. „Alles was du weißt und
worüber du dich freuft in eurem Garten, möchte ich sehen,
und kcin Gckritzel darf dazwischen sein; denn in eurem
Garten ist's ja auch sauber und ordentlich. Gedcs Blatt
am Daum sitzt brav an seincm Zwciglein, so wie der
nicht von seinem Ast und dieser nicht vom Stamm läßt."
Da ist's nun plötzlich aufgeblüht, die Blumen wachsen
und dic Läumc und freuen sich der Sonne und der Sternc.
Da fliegen die Vögel. Da hängt die große wäsche. Da
freut stch das Mädelchen selber am Blumenstrauß, und die
Aohannisbeeren sind sehr gut geraten dieses Jahr. Dcr
Piepmatz im Nestc sorgt für kommendes Leben.
Es wäre nun manches zu sagen über die Entwicklungs.
stufe, giif der diese Zeichnung steht. wer den Dildbeilagen
der Völksschule in dem Sinne, den ich inz Heft zo, Iahr-
gang 'z;, ausgezeigt habe, gefolgt ist, wird dadurch nur
geiangweilt. Er hat auch so seine Freude an dem kleinen
lebendigen Dild und wird stch nicht besinnen, welchen weg
von dcn beiden, die diese zwei Seiten einer Rinderzeich-
nung zeigen, er fürderhin gehen wird. Er weiß, daß dcr
lustige, mutig das Radiergummi verachtende weg zu einer
Sichcrheit des Formens führen muß, die allein ernsthaften
Erfolg zeitigen kann, die auch jede neue Erkenntnis im
kindlichen weltbild in Form umzusetzen imstande sein
wird. Hicr wird wieder Volkskunst, allgemein verständlich
und erfreuend. Die blaß gewordene Muse bekommt Farbe.
Hilf mit, ste wieder gan; drall und springlebendig zu
machen! — Diese Rinderzeichnung maßt sich nicht an,
schon als fertig ;u gelten, aber ste weist den weg!
Erschienen in „Die Volksschule" 'Zeft 9/10 19Z4; V7achdru>L mit
freundlicher Erlaubnis des Verlages Iulius Bely, Langenfalza.