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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 7 (Juli 1935)
DOI Artikel:
Renner, Paul: Die fünffache Bedeutung des Wortes Farbe
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Goethe - Newton
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0155

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Paul Nenner

Äit sünffliche Aeömtung öes ZVortes Krbe

Im Auszug nach paul Rcnner — Mcchanisicrte Graphik, Bcrlrn is;).

r i -.

arbc kann einen körperlichen Gegenstand
A bcdcutcn. Dicse „Farbc" 1) kommt in Stücken
oder als pulver vor, mit oder ohne Bindemittcl,
teigig oder flüssig. Sie wird in Ristcn, Säckcn, Schachteln,
Glascrn odcr Tubcn verpackt und unter allcn möglichen
Namcn, die auf Hcrkunft odcr chcmischc Zusammensctzung
hinweisen, in „Farbcn".handlungcn feilgeboten. wenn
man jcdes Mißverständnis vermeiden will, spricht man
nicht von Farbc, sondern von Farbstoff oder pigment.
Man trägt dicse „Farbe" in dünner Schicht auf andrc Ge.
gcnständc auf; man „färbt", indem man mit flüssiger
„Farbe" anderc Gegenständc durchtränkt.

r r:

Auf meinem Arbcitstisch fteht cin würsel aus Pappe,
der mit rotcm Papier übcrzogen ist. Er hat die Farbe
des Papiers, mit dcm er beklebt ist und somit auf allen
sechs Seitcn die gleiche rote Farbe. Er verliert diese
Farbe nicht, wcnn ich ihn in einer Schublade vcrschließe.
Er behält sie auch in einer Dunkelkammer, die von einer
roten odcr grünen Lampe schwach beleuchtet ist. —

„Farbc" ist hier eine Eigenschaft des Pappwürfels und
;war eine dauernde, objektive. Der Rörper ist nicht
Farbc, er h a t Farbe; er ist farbig.

wenn wir diese zweite Ledeutung des wortes vor
Mißvcrständnissen schützen wollen, sprechen wir von Gc-
genstandsfarbe, Lokalfarbe, Dingfarbe.

wir bctrachtcn noch einmal den roten Pappwürfel;
aber jetzt nicht nnt der unbefangenen Einstellung des
natürlichen Menschcn, dcr in einer wclt der Dinge lebt,
sondcrn wir sehcn ihn uns einmal an, wie ein Maler, der
ein Stilleben malen will, also „mit den Augen blinzelnd".

Und da entdecken wir dann, daß die drei würfelflächen,
die wir mit einem Blick umfaffen können, drei verschie.
denc Abstufungen von Rot zeigen, obwohl wir uns doch
eben noch darüber einig waren, daß der würfel auf seiner
ganzen Oberfläche die gleiche Farbe habe.

Für diese dritte Bedeutung gibt es — aus guten Grün.
den — keine sofort verständliche Bezeichnung. —
wir fragen im Leben immer nur nach der Dingfarbe
(? r), die der Gegenstand wirklich hat. Das optische welt.
bild aber antwortet uns darauf stets nur mit Erschei-
nungsfarben (k;). wcnn wir die erste beste, beliebige
Erscheinungsfarbe als die Antwort auf unsere Frage nach
der Gegenstandsfarbe hinnehmen, verfallen wir einem

schweren und im gewerblichen Leben oft kostspieligen Jrr-
tum. —

Iedc Dingfarbe — ums nochmal ;u sagen — ist uns in
Erschcinungsweisen gcgebcn und blcibt der wahrnehmung
transzendcnt; objcktiv-dinglichc Eigcnschaftcn sind nie auf
den crstcn Blick und niemals vollständig ;u crkennen. Die
Feststellung cincr Dingfarbc, der Vcrgleich zweier Ober.
flächcnfarben ist bei ihren reichen Abschattierungsmöglich.
keitcn gar nicht so einfach; das wiffen alle Verkäuferin-
ncn in Ronfektionsgeschäftcn, in Seiden und Tuchhand.
lungcn ebcnso wie die Ätzcr, Rctuschöre und Maschinen.
meister in Runstanstalten und Druckcreien. Dadurch, daß
wir um dic Schwicrigkcit wiffen, ist sie noch nicht behobcn;
abcr wir können nun wenigstens nicht mehk von ihr über-
rascht wcrdcn. —

wenn wir wiffen wollcn, wclche Farbc (l? r) dem wür-
fel ;u eigen ist, fo werden wir mehr als die drei Erschei-
nungsfarben befragen müffen, die sich in diesem Augen-
blick bieten. wir werden den würfcl hin- und herwen-
dcn; wir werden mit ihm ans Fenstcr gehen und ihn be<
stimmt nicht bcim künstlichcn Licht betrachten.

ch 4:

wenn wir fragen, welches Rot hat dieser rote würfel
und von welchem Rot sind die Erscheinungsfarben auf den
drci sichtbaren würfelflächen, dann kommen wir ;u einer
vicrtcn Bedeutung des wortes „Farbe".

Ich sage etwa: das Rot dieses würfels ist dieselbe
Farbe wie das Rot der Nelken dort. — Damit ist keinc
der bisher aufgeführten Bedeutungen von Farbe gemeint,
sondern „dieselbe Farbe" weist hin auf dic Zugehörigkeit
;ur selben Farbengattung.

Damit treten wir völlig aus dcr realen welt in die
der Adeen über. Es ist eine Adee, wenn ich sage, Rot liege
im Farbenkreise zwischen Grange und Violett. Ebenso ist
„neutrales Grau" eine Idee; in der wirklichkeit niemals
anzutreffen, obwohl wir uns doch in Gedanken darüber
gan; klar sind, was neutrales Grau ist. —

5 5:

Grau ist natürlich auch eine Farbenspezies, obwohl eine
fünfte Bedeutung des wortes „Farbe" weiß, Grau und
Schwar; als farblos, nichtfarbig von den eigentlichen
„Farben" ausschließt, im Stadtbild, in der Herrenkleidung
usw. „mehr Farbe" fordert, also mit „farbig" einen Unter-
schied zum „Grauen", aber auch zum „Bunten" meint,
welchcs als ein nicht gan; durchgeistigtes Durcheinander,
ein Runterbunt von reinen Farben gilt.

H:-


7


wäre der Irrtum nicht einfacher, plausibler, populärer
als die wahrheit, so hätte dir welt längst eingesrhen, daß
es nicht bloß Licht, sondxrn, n>ie Goethe es lehrt: emrn
ungeheuren, uranfäyglichen Gegensatz zwischen Licht und
Finstecnis gebe, und daß die Farbe nicht — wie Vkewton
wqhnte, und Goethe, ohne bis ^»m heutigen Tage
Recht zu bekominen, widerlegte — allein aus dem
sondern aus Licht mrt Finsternis züsammen her
Fst es im hochsten Grade lächerlich
etwas so Sinnen- und Sonnenklares nur des.
hkft. und einsehen wM cheil niqft die Finsternis


1^8


(8 MMd

weise sür gar nichts HLlt. Eben daher machte su
länder Lewes Uber die Msurdität Goethes
er aus „plichts", vermischt mit Etwa- —
und Lscht, die Farbe erhalten wolle — a
lehrer, der aus Ton und Stille den
möchte. HH-WS

Armer Lrwesl Er ckpottet
" ^ W dder wäre semMÄn
:den Ntchttönenden M
Uicht in der Mustk




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