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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

DOI Heft:
Heft 7 (Juli 1935)
DOI Artikel:
Fischer, Oswald: Über Farbenlehre und ihre Behandlung im Unterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0168

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Oswalö KischmÄhemnih

Nber KrbMchre

unö Hre Ächcinölung lm Llnkemchk

Erziehung des Farbensinnes
oder Farbenlchrc;

iesc Gegcnübcrstcllung in bcr Frayc ist unlogisch,
cbcnbeshalb aber soll stc dcn Ausgangspunkt
bildcn; dcnn cs hat einc gewichtige Strömunc;
gegcben, dic diesen widerspruch Ubcrsah. Das
war dic Lehrc Vstwalds. Sic bictct ein Bcispicl dafUr,
wie man einen gan; klaren Bcstand an Tatsachen so vcr-
wirren kann, daß stch nicmand mchr auskcnnt und, was
dabei das schlimmste ist, daß man schlicßlich, UbcrmUdet
von dem vielen Für und widcr, des ganzen Fragenkrciscs
UberdrUssig wird und Uberhaupt nichts mehr davon hören
will. So ist es der Lhcorie Gstwalds ergangcn, und noch
heute stößt man mcist von vornhercin auf Abneigung,
wenn man das Thema „Farbenlehre" erwähnt. Da hcißt
es gleich: „Ach, wiedcr einmal Gstwald? Ach zwcislc ..."
Dcr Fehler Gstwalds ist hcutc abcr so klar, daß man ihn
mit wenig worten kennzeichnen und abgrenzcn kann. Ost-
wald glaubte — aus ciner mathematisch-naturwiffcnschaft-
lichcn Einstcllung hcraus — wie fUr das gesamte Gebiet
des RUnstlerischcn Ubcrhaupt so insbesondere fUr dic Far-
benlchre Gesctzc aufstcllen ;u können, dic so absolut gUltig
und anwcndbar scicn wie irgcndwelchc mathematischen
odcr physikalischcn Gcsetzc. Er bcmcrkte nicht dcn grund-
satzlichcn, dcn wesenhaftcn Unterschied zwischen der welt
dcr Runst und der der wiffcnschaft. Er bemerkte nicht,
daß seine „Harmonicgesetzc" fUr die Runst nicht einmai
dcn wcrt von Rc;epten haben konnten. Anstelle des rhyth.
misch beschwingtcn, vom Ausdruckswillcn behercschten
FeingefUhls des Rünstlers wollte er eine Art Rechenschie.
ber setzen.

Scin System — es sei nochmal in Erinnerung ge>
rufcn — ist ein doppelter Regel. Jn diesem sind alle
Farben so eingeordnet, daß sedc Farbe durch einfache Zif-
fernangabcn bc;eichnct, jede Mischfarbe durch eine ebenso
einfache Benennung nach ihrer Zusammensetzung bestimmt
wird. Diese „Normung" der Farben stellt ein großes Ver-
dienst Gstwalds dar, wenngleich man nicht übersehen soll,
wie groß in dieser Hinstcht bereits das Verdienst ph. O.
Runges durch seine geniale „Farbenkugcl" war." Nun geht
aber Gstwald weiter. Die Grdnung der Farben ist nämlich
so getroffen, daß durch die Lagebe;iehungen innerhalb je-
des Rreises des Regels zugleich Harmoniebeziehungcn
ausgedrückt werden. wenn ich also in einem Rreis diese»
Farbenkegels ein einbeschriebenes Dreieck um den gemein-
samen Mittelpunkt drehe, so bezeichnen die Spitzen des
Dreiecks jeweils hrei Farben, die nun miteinander „har-
monieren", sie bilden einen Dreiklang. (Hier wird deut.
lich, wie bei der gan;en Theorie die Erinnerung an die
musikalische Harmonielehre patc gestanden hat.) Ich kann
nun also nach Belieben aus den Farbenkreisen Drei- und
Vierklänge usw. Mesen und ste in einem Malwerk, sei
es nun beim Entwurf,einer Dapete oder bei der Herstcl.
lung eines Gemäldes anwenden. Hielte man das ganze
Verfahren für gut »nd geeignet, so müßte man folgerich.
tig zugestehen, daß eine besondere Erziehung des Farben-
sinnes kaum mehr notig sei/

Tatsächlich ümfaßt diese aber viel mehr und anderes, als
in dem cngen, mechanischen Zirkel Gstwalds enthalten istl
*"»n lese nur -eimnal, was Lichtwark vor einrm Men.
enalrer .dartjher Mchviebey hgt. Die welt der Farben

»hpflich. Farbenlehre ist

.X:- . - Äl,.

'^uner

^Kher L»i,strukti»n de» VerhLItnissr» qklet
" »ht «jner Lupfer. «nd «inex

- O N


nur cine Art wcgenctz, durch diescn Rcichtum gezogcn,
um ihn beffcr übcrschaücn ;u können. Dic Farbcnlchre bie-
tet nur das RUst;cug. Dcr Vorstoß ins Schöpferische da-
gcgcn muß gctan wcrdcn von cincr Erziehung dcs Farben.
stnncs. Es erhellt, daß hicr immcr nur von dcm ästhe-
tischcn Dcil dcr Farbcnlchrc dic Redc ist, nicht abcr von
den physikalischcn odcr sonstigcn Vcrhältniffcn. Er;iehung
dcs Farbensinncs ist das wcitcre, Umfaffcndcrc. Sic ent-
hält vor allem dcn Antrieb ;um pcrsönlichcn, Ausdrucks-
mäßigcn, Rhythmischcn, kur; das Schöpfcrische. Farbcn-
lchrc ist dabci nur Rohstoff, dcssen stch die Er;iehung ;ur
Farbc bediente. — Das Vcrhältnis ist gän; ähnlich, um
mit Runge ;u sprcchcn, wic ;wischcn 2lktstudium und Ana-
tomie.

2lus diescr gcgenscitigcn Bc;iehung ergibt sich für uns
also dic Aufgabc dcr ästhctischen Farbcnlchre so: sie
hat dic welt der Farbe übcrsichtlich ;u ord-
ncn; dic Grdnung muß so bcschaffen sein, daß in ihr ;u-
gleich die wirkungsbe;ichungen der Farben untereinander
ausgedrückt sind. llbcr dicse Ausgabe der Farbenlehrc soll
im folgcnden genauer gcsprochen werden. x .

u.

Harmonielehre oder Tatsachenlehre r

wenn man die praktischen Folgerungen für das Runst-
scbaffen ablehnt, die Ostwald aus seiner Lehre zieht, ss
ist dabci wohl zu beachten, daß man sich damit von riner
gan;en Richtung der Ästhetik lossagt. Venn die Anficht,
daß die „Harmonie" drr Farben eine Funktion gewiffrr,
rein ^rhlenmäßig ;u brstimmendrr Farbgeuppirrungrn sei,
ist nur ein Anwendungsfall eine» gkoßen pfychologisch.
Lsthrtischen Systems. (Wrr sich darüber selber unrrrrichren
will, greife ^ B. ;u der Lsthetischen Farbenlrhrr vs» 'GijW
Utiy.) Drr Gedankengang tst, kurz und einfach, folgender:
Die Lsthetische Wirkung eine» Äunstwrrkes wird bestinWs
durch die befriedigten Empfindungen. SchSn ist, wa» Lust.
gefühle erwcckt. Erregen also zwet Farben durch ihrr ge«
genseitige wirkung in mir ein Lustgefühl, so sind das
harmonische Farben. wenn das aber nun nur persönlich
ist? Dann erhalte ich Gewißheit durch das Exprriment.
Es werden einer möglichst großen Zahl von Versuchsper.
sonen Farbentafeln vorgelegt. Man beginnt mit Zusam«
menstellungcn von je zwei Farben, und zwar wLhlt man
nach der Reihenfolge im Farbenkrcis zuerst die »Lchstbe-
nachbarte Farbe, dann die folgende usw. Dabri spricht man
von Intcrvallen, kleinen, mittleren, großen Öntcrvallen.
Das jeweils erregte Lust- oder Unlustgefühl wird gra-
phisch dargestellt, nämlich von einer Linie aus nach oben
oder unten abgetragen, und so erhält man die „Rurve des
Gefallens". Es soll nicht geleugnet werden, daß diesc und
ähnlichc Untersuchungen mit einem Aufwand an Scharf.
sinn durchgeführt worden sind, der als Ergebnis eine
ganze Reihe nützlicher und wichtigcr Erkenntniffe zutage
gefördert hat. Abcr man darf darüber nicht außer acht
lassen, daß gerade die grundsätzliche Folgerung daraus
irrtümlich ist. Es ist der Schluß, daß diese Lust- und Un.
lustgefühle in glcicher weise wie von den Farbtafeln, die
dem Experimentieren dienen, von jeglichem Vorksmmen
derselben Farben in eincm Gemälde oder sonstwo ganz
cbenso erregt werden und ferner: daß diese Gefühle dann
das wesen des Lsthetischen Eindrucks ausmachen. Iedes
echte Runstwerk ist ein lebendiges Ganzes, und die be«
stimmende wirkung geht von seiner ganzen Gestaltung
aus, kxinesfalls aber von einzelnen Lust. oder Unlustgefüh.
len, dte mit diesem oder jenem Teil des werkes verknüpft
sind. Der Gefühlswert jedes partikelchcns kann sogar in
sein Gegenteil verkehrt werden jr nach der Rolle, die jenes

16^

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