Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

DOI Heft:
Heft 11 (November 1935)
DOI Artikel:
Koelitz, Hanna: Kostümkunde, [3]: ein Spiegel der Stilwandlungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0258

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
tzonnc weiblichen Deschlechts wird (le soleil), gleicht sich
Mann in seiner Rleidung so völlig dcr Frau an, daß,
manchmal Unterscheidungcn schwer sind.

Dic Wandluns ;ur Männechose vollzieht sich allmäh.
lich- Man könntc sagcn, sie sei durch die neue Art RUstung
hcrvsrgerufcn, aber so äußcrliche Einzelheitcn pflegcn
niemals eine Tracht zu verändern: wcnn sich nicht Ge.
schmack, Runstempfindcn und geistige Einstellung geändert
hättcn, wäre nicht diesc Art panzerhemd erfundcn wor.
dcn, oder wärc für dieses panzerhcmd cine andcre Art
Alcidung ersunden wordcn. Dic Minncsängerzeit benutzt
zum Schutz eincn Ringclpanzcr, dcr sclbst wie ein ,Zcmd
ausstcht und Uber dcn Hcmdkittcl gezogen wird. Dem
,4. Iahrhundert ist dicser wcitmaschigc Ringclpanzcr nicht
„ichr „stcher" genug: Es ersetzt ihn durch den platten.
panzer. Alle Löchcr werden, so weit es gcht, vermieden:
MögUchst dicht muß platte an platte liegen, und cs ist
srlbstvcrständlich, daß der Schutz umso größer ist, jc
rnger dcr panzcr dem Rörper anliegt. Ein solcher pan-
zcr kann nicht weit auf die Leinc heruntcrreichen: Ent-
wcdcr liegt er ;u scst an, odcr er schlottert um die Beinc
hcrum vnd kann so zum gcfährlichen Hindernis werden:
Lr wird also verkUrzt, und an dcn Leincn von Schienen
ersetzt, dic zucrst dcn Unterschenkel, spätcr den Oberschen-
kel deckcn.

Die Rleidung unter dcm panzer muß eng werden.
Schon hat sich dieses Engwcrden vorbereitet: Es beginnt
mit cinem Aufschlitzen des Männerrocks vorn herunter.
Auch dcr Frauenrock wird vorn.heruntcr geöffnet, aber
das hält sich nicht. Der Männcrrock bleibt offen und wird
hald so kurz, daß das problem der Beinbekleidung gelöst
«rdcn muß. Sowicso schon macht die plötzlichc Änderung
böses Blut. während vorher der Lörper von der Taillc
ab in dcn weiten Gewändern so gut wie verborgen war,
jst er plötzlich gan; enthüllt: )?5o reicht der Rock bis
zu den Rnien, i;ö4 bis zu den HUften. Gcistlichkeit und
weltliche Obrigkeit protestieren gegen die unsrttliche Rlci-
»ung- Immer noch besteht die Beinbeklcidung aus zwci
Lcilen: den Beinlingcn und der Lruoch. Die Leinlingc
find strumpfartig, aber aus Stoff. Erst dic Zeit Heinrichs
j»es Achten kennt gcstricktc Strümpfe, die, als besondere
ß-stbarkeit, Rönigen geschenkt werden, und erst um 1600
nndet ein Thcologieftudent den ersten Strumpfstrick-
hl. Die Bcinlinge des 14. Iahrhunderts haben hinten
xauf oder vorn und hinten eine vlaht. Sie werden mit
ändern seitlich an einem unsichtbaren Leibgurt gehal.
Die Bruoch (Breeches) ist eine Art Badehose. Zu.


erst verschmelzen Beinlinge und Lruoch zu einem zusam-
menhängenden StUck. Aber noch ist der Schritt offen: Es
fehlt der elastischc Stoff, der ein Hinseyen möglich machen
könnte, und cng muß das RleidungsstUck sein: Es kann
gar nicht eng genug werdcn: Ohnc Hilfe kann es Uber.
haupt nicht „abgeschält" werden. Da wird, in dem Augen<
blick, in dem das wams nur noch bis zur HUfte reicht,
die elastische weberei erfunden: Scharlach ist nun ein
nicht nur sehr feines, sondern dehnbares Wollengewebe
— und die Hose ist fertig, die noch heute das wichtigste
RleidungsstUck des Mannes ist. Diese Hose trägt man mit
Dorlicbe aus rotem Scharlach — schließlich wird das
wort Scharlach Bezeichnung für ein bestimmtes Rot, ja
schließlich für eine „rotc" Rrankheit.

Ein zweites Mittel (außer dem Schnitt) Rleider eng
;u machen, wird auf den Rreuzzügen entdeckt: Der Rnopf,
den die TUrken kennen. Die abendländischc Rleidung hatte
bis dahin keine Lnöpfe zum Zuknöpfen. Auch hier srnd
wieder zwei Rnöpfe aus der Bronzezeit das einzige Ge.
genbeispiel. Die >Griechen legten beidc Stoffteile 'auf.
einander, untcrlegten sie mit einem StUck Hol; oder Me.
tall und schnürten das ab. Bis zum 14. Iahrhundert gab
es Nadeln, Bänder, SchnUrsenkel: Man hatte keinen
Rnopf, aber man brauchte ihn auch nicht. Auch heute
schließt man faltig lockere StoffstUcke nicht mit Rnopf
und Rnopfloch sondern rafft sie, und auch steif
stchende StUcke werden nicht zugeknöpft. Erst beim fest-
anliegenden Rleid srnd Rnöpfe nötig, und wo das Be-
dUrfnis da ist, tritt der Rnopf rn Erscheinung. Seine
mongolische Form wird europäisrert: Das Rnopfloch wird
;u dcm Rnopf hinzuerfunden. Der türkische Rnopf findct
srch heute ;. B. auf chinesrschen Rostümen. (2>n Lhina wird
cr im 17. Iahrhundert durch die Mandschtzdynastie einge-
führt.) Er besteht aus SchnUrknoten und Schnüröse. Die
VerschnUrung mancher Uniformen ist auf diese Art Rnopf
zurückzuführen. Jn Europa wird aus dieser Form Rnops
und Rnopsloch. Dcr neue Rnopf wird sofort Modesache.
Er wird erst einmal Uberall angebracht, wo nian ihn nur
brauchcn kann: am vorderen Verschluß, an dcn engen
Ärmeln. Aber bald bedeckt er den ganzen Rock: i;ö7
schreibt ein böhmischer Lhronist, däß manche Männer
5 bis ö Schock Rnöpfe aus einmal trUgen. Die Rleider
künnen nun so eng werden, daß Bücken unmäglich ist:
Dcr Mann steckt wirklich „wie die wurst in der pelle".
Merkwürdigerweise bleiben die Frauen von diesem Rnopf-
laster verschont. Auch diese Tatsache zeigt wieder, wie
viel gcckenhafter der Mann im Mittelalter ist als die
Frau. . , ^ '




e) Das RostUm der Spätgotik.





d°s 14., vor allem abcr im 15. Iahrhundert Rcnaiffance, und in geringem Abstand alle anderen Zeiten
«ir?^e pdantastischer. Als räumliches Ge- ein Proportions schema das als „schön" gilt, und'das

wird sie eben,o bizarr und vielformig wie im stets, mit geringen ALwandrungen, verwirklicht wird. Hier

-ntt^die Mod/ f ^uben die ^Einhcitlichkeit, in der Spätgotik schätzt man den Rei; der Verschieden-

? ^^"t, bcstehe hicr nur artigkeit, gerade das Abweichen vom Maß. Betrachtet

i^ all-7'"Rl^w. ^erkwUrd-grei^ """ die Gesichter, so findet man riesige Stirnen, neben

5Modeschilderer denen da» Gesicht zusammengedrückt ^irkt, und daneben
,inig, daß die Mode des 15^Aahrhundrrts, von ein. ganz niedrige Stirnen Äber Riesenngsen. Man findrt beim
« ^Abseheo. «me Summe von pkärr. Rinn stark Mrückweichende Formen neben gan; vorgebau.

n darstelle, uberladen, Unfein, ja häßlich. Immerhin ten. Im Gegensatz dazu ist das gricchische Rinn fäst

neitativ ^ereotvv. -die Barocki^ «jyfürnn/ uNd das GltiMaß

iÄiLiloi.'W

MlWK«««
 
Annotationen