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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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7

Kunstliteratur.

8

Wirkungen des Elementes weiter — mit Darstellungen zu
thun, wclche ganz und gar den Anschanungcn der Gegen-
wart entnonimen sind. Nichts von alledem bedentet
blos, alles i st: Schifffahrt nnd Fischfang, Mühle und
Dampfkraft. Die Phantasie des geistvollen Künstlers hat
sich an das Wirkliche gehalten und sich damit begnügt, es
in idealer Weise zu gestalten. Jndem er aber die Spitze
seines Baues mit dem weiblichen Genius krönte, verließ
er den Boden, auf dem er bisher gestanden nnd trat in
das Gebiet der Allegorie ein, die er bis dahin mit größter
Entschiedenheit negirt hatte.

Als vor vierzig Jahren die asiatische Cholera in
Frankreich zuni erstenmale niit einer Hefiigkeit auftrat,
die an die Pcst gemahnte, da wollte eine Nvnne eine
Vision gehabt haben. Es sollte ihr die Madonna
erschienen sein, auf der Erdkugel stehend, die Arme wie
zur Aufnahme Zuflucht Suchender ausgebreilet. Aus der
inneren Fläche der Hände aber gingen Strahlenbündcl
aus, die weitum den Raum erhellten. Als ich vor den
Brunnen Kreling's trat, fiel mir jene Madonna ein.
Kreling's Wassergenius dürfte nur die Hände etwas
sinken lassen, er passirte ebenso gut als die Mutter Gottes
jener französischen Nonne. Und in der That hat auch
die klerikale Angsburger Postzeitung den Wunsch ausge-
sprochen, es möchte dem Künstlcr Gelegenheit gegeben
werden, diese Aenderung im christlichen Sinne vor-
zunehmen.

Ein christlicher Maler mag immerhin eine Madonna
malen, deren Händen Strahlenbündel entqnellen, das
befrcmdet nns so wcnig, wie nns die Strahlenkronen um die
Köpfe der Heiligen befremden. Wir stehen eben hier nicht
auf dem Boden der Solidarität mit den Anschanungen
der Mitwelt, sondern auf dem des Wunderbaren, Unbe-
greiflichen, das sich der materiellen, körperlichen Faßbar-
keit entzieht. Ein anderer Standpunkt aber ist es, den
Kreling in seinen vicr Hauptgruppen nnd cbenso vielen
Reliefs einnimmt. Schon der Genius an sich erscheint als
ein Widerspruch und dieser Widersprnch mit dem Realis-
mus des Hauptgedankens gewinnt noch an Umfang und
an Tiefe dadurch, daß der Künstler den Handflächen seines
Genins einen Sprühregen entquellen läßt. Wenn in der
Nococozeit Künstler aus den Brüsten von Frauengestalten
und den Rachen von Fischen Wasser sprudeln ließen, so
mochte dies unter Umständen geschmacklos scin, aber cs
geschah doch mit Bezug auf die Nalur. Gegen die Natur
aber verstößt die Darstellung Kreling's, denn die Hand ist
kein dazu geeignetes Organ. Dieser Verstoß wird durch
die plastische Erscheinung seines Genins noch fühlbarer.
Handelte es sich mu eine bloße Zeichnung, um eine Aus-
fnhrung in Gran in Grau, in der das Konkrete der Er-
scheinnng weniger lebendig vorträte, so könnte man sich
der Jllnsion noch eher hingeben.

Was den ganzen Anfbau betrifft, so muß derselbc

vollkommen untadelhaft genannt werden: aus cinein
weiten Bassin von schönfarbigem Syenit, das in vier
Vorsprünge ausladet, steigt ein viereckiger Sockel, der wie
alles Figürliche aus Erzguß besteht und sich als ein mit Ast-
werk kannelirter Säulenschaft darstellt, zwischen den oben
erwähnten vier Hauptgrnppen empor, bildet über diesen
eine reiche Blätterkrone und erhebt sich daun säulenartig
weiter bis znm Abschlnß durch den Genius des Wasscrs.
An den nischenartig abgestumpften Ecken des Sockels sehen
wir Mädchen und Knaben beim Schlittschuhlauf und
Krebsfang, sich schmückend und dem Summen der Luft in
einer Muschel lauschend, während hinwiederum vier
Jünglinge, der erste mit einer Schlange kämpfend, der
zweite eine Ente haschevd, der dritte auf einem Delphin
reitend, der vierte sich mit einer Schildkröte beschäftigend,
die vier Ausläufer des Bassins zieren. Die vier Jüng-
linge sind Werke von Ferdinand Miller, die obener-
wähnten Neliefs dagegen Arbeiten von Friedrich Miller.

Schlicßlich wollen wir nicht versäumen, es dankbar
anzuerkennen, daß Kreling durch einen BLrger des fernen
Westens in die Lage gesetzt wurde, eine Lieblingsidce,
welche schon vor zwanzig Jahren im Allgemeinen Gestalt
angenommen hatte, nun zur Aiisfnbrnng zn bringen.

KmilUiteratul-.

Der Dom zu Kölu, seine Konstruktion und Ans-
stattung, gezeichnet und herausgegeben von Franz
Schmitz, Architckt; historischer Text von Or.
L. Ennen. Verlag von 8. Schwann, Köln und
Nenß. 11. und 12. Liefernng.

Ps Eben sind die 11. und 12. Lieferung des beden-
tenden Prachtwerkes über den Kölner Dom von
Franz Schmitz ausgegeben worden. Wie in den früheren,
so sind auch in den vorliegenden Lieferungen alle moder-
nen Effekte vermieden, womit in so vielen architektonischen
Werken die Gehaltlosigkeit verdeckt wird. Die Darstellung
folgt deni Borbilde der alten deutschen Meister, welche die
Formen in festen Linicn in der korrektesten Weise zeich-
neten und die Schattirnng nur dann anwandten, wenn
sie zum Verständniß der Formen unvermeidlich war. Man
sieht es jedcm Blatte an, daß die höchste Liebe zur Sache
und die größte Fachkenntniß des Herausgebers Hand

> leitete. Dieselbe Korrektheit, welche wir an den früher
erschienenen Lieferungen rnhmend anerkannten, zeichnet
auch wieber die einzelnen Blätter dieser Lieferungen aus.
Bei der Answahl der einzeluen Grundrisse, Aufrisse, Durch-
schnitte und Details verfolgt Herr Schmitz einen festcn
sicheren Plan, nnd nach seiner Vollenduiig wird das Ganze
für jeden Kunstfreund und Architekten systematisch in die
genaueste Kenntniß sämmtlicher Fornien des DomeS mit
Sicherheit einzuführen geeignet sein.

Die vorliegendcn Lieferungen enthalten: 1) das
Westportal, zweiter und dritter Stock, 2) Entwickelnng

> des nordöstlichen EckpfeilerS nnd den nördlichen Thurm,
erster Stock, 3) Fiale am nordöstlichen Eckpfeiler, erster
Stock, 4) Sockel und Kapitäle der Transeptpfeiler, 5)
Grnndriß vom südwestlichcn Eckpfeiler des südlichen Thnr-
mes, zweiter Stock, 6) Durchschnitt des westlichen Haupt
 
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