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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Nekroloqe. — Kmlstüteratilr

154

15li

Aranzosenherrschafk über seine Baterstadt brachte.
Noch al§ sknabe crhielt cr dorl von Professor Suhr
den ersten Ilntcrricht in der Knnsl uud faud bald dauach
«ufnahuie in der Schule Roseuberg's im beuachbarten
E^ona, zu dem cr täglich hiniiber wanderte. Jn jenen
^-agen bestandeu zwischcn Hamburg uud deni dcutschen
Nordeu überhaupt wcit lebhastere Beziebnngen znr Haupt-
stadl DänemarkS, als dies seit dem Jabre 1848 der Fall
>st, und eS war uichts gewöhnlicher, als daß junge Lcute
bon dort sich zu ihrer weiteren küustlerischeu Ausbilduug
die Äopenhagener Akadcmie begaben. Dies that
^enn auch Marr; indcß war seines Bleibens dort nicht
lauge, denn er siedelte schon 1825 uach München über.
^lllerdings ließ sich damals noch uicht die spätere Bedeutung
k'ieser Stadt für dic deutsche Kuusl vorausseheu, wenu
^uch vielleicht ahnen; denn Kronprinz Ludwig hatte den
Throu noch uicht bestiegen und mußte sich noch darauf
oeschränken, seinen Einfluß auf dem Gebiete der Kuusl
logar auf llmwegen gelteud zu machcn. Aber schon ar-
beitete Altmeistcr Cornelius in den Räuiueu der Glyptothek
und bildete so den Keru, um den später dic jirystalle dcr
uenen Kunst anschosseu. Die Malerei halte wieder eine
Heimath gefunden, uud Miiuchen uahm alle ihre Jünger,
aus welchen Strichen der Wiudrose sie auch herbeikameu,
U'il ofsenen Armen anf. Marr besuchle uoch einige
Zeit die Akademie, fühlte aber gar bald. daß^die dort
herrschende Richtung ihn wenig förderu köunc. Lw kehrtc.
er ihr deuii deu Niickeu und ging bei ter stkatur zur Lehre,
lopirte und studirte aber auch daneben iu den Säleu der
damals noch am Hofgarten uutergebrachteu Galeric.
Aber es dauerte nicht lange, bis sich die Auziehuugskraft
^rs naheu Jtaliens auf ten jnugeu Küustler geltend
machie: er nahm sein Ränzel aus deu Rücken uud wanderte
übcr den Brcuner uach dem gelobtcu Laude der Kunlt.
Freilich gab eS da so manche Abhaltung, bald durch eine
^'ogliette goldig schimmcrnden Weines, bald durch dic
leurigen Augeu lieblicher Märchen; aber so lebenslustig
b-r junge Kiinstler war, allüberall hatte er eine» ofsenen
Sinn für die Schöuheiteu der Nalur uud die Werke der
Alten, und nach durchschwärmten Tagen und Nächteu
'aß er wieder Wvcheu lang enisig hinter der Staffelei.

So kain cs, daß cr sich nach seiner Nückkehr nach
stNllnchcn in kurzer Frist eiueu chrenvollen Platz uuter den
^ortigen Kunstgenossen erwarb, und das kiinstsinnige
Publikum ihn zu eineni seiner Liebliuge erkor. Es war
das in dcn dreißiger Jahrcn, uud seine Glauzperiode
dauerte etwa zehn Jahre. Das Wchlwolleu derKunst-
lreunde hatte er vorwiegend seiuem gesuuden, manchmal
wohl auch ctwas derbeu Humor zuverdankeu, mitwelchem
o> seiue bayerischeu und italienischeu Bolksbilder reichlich
auszustatten verstand. Zog seine „Caretteufahrt" namcnt-
lich Jene au, welche selbcr Jtalien besucht hattcn, so galt
andererseits seiue auch durch den Steindruck vcrvielfältigte
»Heimkehr von derGroßhesseloher Kirchweih" imobligateu
Gewitterregen für München als eine Art von Ereiguiß.
And wer könnte sich auch des Lächclns euthalten, weun cr
den kolossalen Kürassierwaäitmcister mit seiuem Schätz-
chen unter einem und deniselbeu sMiniatursoiilieuschirme
wandeln sieht, währeud cin sparsamer Handwerksgeselle
den Glanz seines neucn Tuchrockes dadurch zu retteu sucht,
daß er denselben umgewandt am Leibe trägt? Die dicke
Wirthin iin Schnee ueben dcm umgestürzten Schlitte»
befindet sich in ciner immerhin heitern Situation uud der

arme Teufcl von Mönch auf seincm Esel erregt unwillkür-
lich unser Mitleid, deun cr pfeift seincm Thiere zu einer
gewissen Berrichtung, weil er nuter sich etwas plätscher»
hört. Was aber plätschert, ist der gottgeseguete Wein,
der in rolhcm Slrome dem Fäßlein cutmcicht, das er siä'
erbettelt. (Neue Piuakothek iu Bkünchen). Au eiueni
helleu Bache hantiren vollbusige Dirnen mit hochausge-
schürzten Röcken und crwecken in nicht zu verkennendcr
Weise das heiße Berlangen eineS jungen kräftigen LNannes,
den sein Wcg vorübersührt. Solches sind die Stoffe,
welche Marr mit Geschick und Laune zu behandeln wußte.

Aber seine Zeit war schon lauge vorüber; jüugerc
Kräfte verdräugten deu Alterndeu, durch Krankheit Ge-
schwächten, der scit Zahren nur uoch die Rnine desieu
war, was er einst gewcseu: eiu Mauu voll Lebenslust
uud SchaffeuSdrang, ein sröhliäier Gesellschafter nud
eifriger Sängcr.

iiunl'llitelatilr.

Mur Allihn, Dürer-Studicn. Leipzig 1871.
H. Voget. 8.

Der Verfasser wllnschl durch dieses kleinc Buch,
wclcheS eiue Neihe Studieu über eiuzelnc Kupferstiche
Dürer's enthält, eine audere als die bisher allgemeiu
übliche Weise der kuustgeschichtlichen Darstelluug, nämliä'
eiue Wttrdigung ältererKunstwcrke vom allgcmein kultur-
histo rischen Standpuukte auö, eineErklärung derselbeu
aus deu Vcrhällnissen der Zcil, unter welchen sie ent-
standen sind, anzubahncn. Und er ist damit gcwiß voll.
koiumen im Nechte.

Doch muß hervorgchoben werden, daß jeder
wahre Kuusthistorikcr darnach strebi, die Künstler und dic
vou ihuen hervorgebrachten Kunstwerke im Zusainmeu
hauge mit ihrer ganzen Kulturentwickelung zu bctrachten.
Wcil aber die Kunstgeschichte noch eine schr junge Wissen-
schaft ist, mußten die Kräfte bis jctzt anf dic wichtigercn
Arbeitcn, nämlich Sammlung uud kritische Sichlung deS
Malerials, Feststellung desseu. was jeder Künstler ge
schaffen, und das Verhältniß seiner Arbeiten zu andern,
namcutlich iu chronologischcrBeziehnugu. s.w. eonceutrirl
werdeu. Die bci dem heutigeu Stande der allgemeineu
Kullurgeschichtc oft uoch sehr schwicrigc Erkeuntuiß aller
feincreu Beziehungcn des Kunstwerkes zu Zcil, Ort und
Person konnte daher bis jetzt uoch uicht in der wünschens-
werthen Austehnuug erreicht werdcn.

Trotzdem ist eö uiäit überflüssig, von Neuem aus
diese Seite dcr Kunstforschung, welche uur mit Hülfe der
Literatur, ja ofl uur aus „den Winkelu der Literatur"
gefördert werden kauu, aufmerksam zu macheu.

Ob aber Allihu mik der vorlicgendcn Schrift, welche
der Borläufer eiuer größeren „Kultnrgcschichte der Kunst
des füufzehnteu Jahrhunderts" scin soll, dcu genauntcn
Zweck wesentlich gefördert, scheint zweifelhaft, denn er
giebt zwar eine große Menge an sich wcrthvoller Einzel-
studicn aus dem Gebicte der Kulturgeschichte, setzt sie jedoch
uur in sehr loseu Zusamiucuhang mit den Dürer'schen
Kupferstichen, von wclchcu er ausgeht, uud welche cr, als
aus dem Boden jeuer Zeit erwachsen, mit dem Leben im
inuigsten Zusamn'euhang stehend erklären will. Das
Berständniß dersclbeu wird durch seine langen Unter-
suchungen nicht bedeuteud erhöht, uud die positiveu
Resultare siud verhältuißmäßig geriuge. Er giebt
 
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