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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Helbig, W.: Die neuesten Erwerbungen des Britischen Museums
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Die Ausstellung des Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen im Akademiegebäude zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4814#0111

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2,8

Die Ausstellunq des VereinS der Kiinstlerinnen und Kunstfreundinnen im Atadeiniegebäude zu Berlin.

214

Oberlippe, das linkc Ohr, ein Stück des linken Obcr-
schenkels und die linke Hand fehlen, im Ganzen wohl er-
halten. Obwohl von nur dekorativer Ausführung, ist sic
kunsthistorisch von der größten Wichtigkeit, denn wir
dürfen sie mit hinreichender Sicherheit als eine im Ganzen
genaue Kopie des berühmten Diadumenos des Polyklet
betrachten. Der Stand und die Proportionen der Figur
stimmen in deutlicher Weise mit den Statuen überein, in
denen gegenwärtig fast einstimmig Kopien des Doryphoros
des Polyklet erkannt werden. Auch verräth der Kopf,
abgesehen davon, daß seinc Formen etwas rnndlicher ge-
halten sind, eine deutliche Verwandtschaft mit diesem Typus.
Die Stilisirung der einzelnen Theile, vor allem der
Brustwarzen, welche von scharfen Konturen umrissen
sind, weisen deutlich darauf hin, daß in der Statue
von Vaison ein Bronzeoriginal kopirt ist. Diese Statne
setzt uns auch in den Stand, dem bisher bekannten
Diadumenos, der aus deni Palazzo Farnese cbenfalls in
das Britische Museum gewandert ist, bestimmter, als es
bisher möglich war, seinen Platz in der Kunstentwickelung
anzuweisen. Den letzteren in unmittelbaren Bezug zu
dem Diadumenos des Polyklet zu setzen, war bei der
Schlankheit und dcr Zartheit seiner Formen unmöglich.
Offenbar ist er eine in spätcrer Zeit vorgenommene Um-
arbeitung des polykletischen Typus.

Aus den Gräbern von Jalysos auf Rhodos ist einc
Neihe von Vasen, Goldsachen und allerlei Anticaglien
in das Britische Museum übergegangen. Wie die in dcn
ältcsten Gräbcrn von Kameiros gefnndenen Gegenstände
haben auch diese eincn ausgesprochen orientalischen
Charakter. Besonders bemerkenswerlh sind eine Schüssel
aus getriebenem Golde, worauf eine Flügclfigur bossirt ist,
welche in Anordnung und Stil an verwandte Gestalten
auf assyrischen Denkmälern erinnert, und ein Scarabäus
aus Smalt, auf dem Herr Birch die Kartnsche des Königs
Amenophis III. aus der 18. Dynastie erkennt.

Ausgrabungen, welche auf der Jnsel Kypros zwischen
Larnaca und Dali unternommen wurden, haben eine Reihe
kyprischer Steinskulpturen und Terracotten geliefert.

Auf einzelnc Acquisitionen, wie sie im Kunsthandel
und bei der Auktion der Vasensammlung des Prinzen
Bonaparte gemacht worden sind, kann ich hier nicht näher
cingehen. Schließlick sei nnr noch der Erwerbung der
antiken Goldsachen Herrn Alexander Castellani's gcdacht.
Es ist eine Sammlung einzig in ihrer Art, welche die
Entwickelung der antiken Goldarbeit in beinahc allen
Stadien durch ausgezeichnete Exemplare vergegenwärtigt.

R o m, Dezember 1871. W. Helbig.

Dit Ausstrllnng des vereins k>er Mnstlerinnen und
Kunstfrrundinnen im Mademirgeliiiude su öcrliii.

Bei Gelegenheit der zweiten Ausstellung, welche der
Berlincr Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen

vor etwa zwei Jahren veranstaltcte, habe ich an dieser
Stelle cinen ziemlich ausführlichen Bericht über die dabei
zu Tage gctretenen Kunstwerke und die Methode der von
dem Verein in's Leben gernfenen Zeichen- und Mal-
akademie gegeben. Es haudelt sich, zunial da die Ausstellung
selbst schon längere Zeit geschlossen ist — sie fiel in die
Monate Oktober nnd November v. I. — und ich nicht
im Stande gcwesen bin, zur rechten Zeit in die Bericht-
erstattung einzutreten, nicht mehr darum, auf die Einzel-
heiten eingehend zurückzukommen, vielmehr nur von dem
allgemein aus der Ausstellung Resultirenden, von dem
also, was auf dauerndes Jnteresse Anspruch machen kann,
Notiz zu nehmen.

Da ist denn zuvörderst angesichts dieser dritten Aus-
stellung rühmend hervorzuheben, daß der Ernst, mit wel-
chem dieser Frauenverein einem bestimmten Ziele ent-
gegenstrebt, sich auch äußerlich in dem Eindruck der dies-
mal ausgestellten Kunstwerke in erfreulicher Weise mani-
festirte. Es kann in keiner Weise bestritlen werden, daß
die Richtung, die die Künstlerinnen vertreten, daß die
Darstellungsweise, deren sie sich befleißigen, die Selbst-
kritik, die sie zu üben lernen mußten, seit dem ersten Ver-
such, den sie machten, in geschlossencr Gemcinschaft vor
die Oeffentlichkeit zu treten, ganz wesentliche Fortschritte
gemacht hat. Es würde das vielleicht aus eincr specielleren
Kritik des Einzelncn nicht so klar hervorgehen, wie es
sich dem Rückblickenden darstellt, wenn er sich das Ge-
sammtbild der drci jetzt vergangenen Ausstellungen ver
gcgenwärtigt.

Dem Bereine haben sich seit seiner Begründung die
weiblichen in der Kunst schaffenden Kräfte immer mehr
angeschlossen, sodaß jetzt wenige irgcnd hervorragende weib-
liche Namen nicht in seiner Liste steheu dürften, und es hat
sich in der letzten Ansstellung eine Vielseitigkeit desTalentes
herausgestellt, au der cs noch vor Kurzem, als ich an
andrer Stelle über die Kunstbetheiligung der Damen an
unserer letzten akadcmischen Ansstellung berichtete, zu
fehlen schien. Auf Einzelheiten möchte ich nicht weiter
eingehen und nur zwei Erscheinungen herausheben, die
auf besonderc Beachtung Anspruch haben: das sind die
Arbeiten der Fran Elisabeth Jerichau-Baumann
und die der Fran Angelika von Woringen.

Daß Frau Jerichau sich oft so unähnlich sieht, daß
man neben einander gestellte Arbeitcn schwer auf dieselbe
Hand zurückzuführen sich entschließen kann, ist wohl bc-
kannt; in ihrcm Besten aber bleibt sie sich gleich, nnd in
dieser männlich kräftigen, fast kühnen Art der Komposition
und der Behandlung, durch die sie sich von ihrem frühesten
Auftreten an ausgezeichnet hat, trat auf dieser Ausstellung
ein Bild von mächtigem Zuge und eincr Tiefe des
Empfindungslebens hervor, wie man dcrgleichen eben
nicht häusig sieht. Es war die lebensgroße Darstellung
einer jugendlichen Märtyrin auf dem Scheiterhaufen.
 
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