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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Scaramuzza's Bezeichnungen zu Dante's "Hölle"
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Die Ausstellung Kunstliebhaber und Sammler (Exposition des amateurs) auf der Weltausstellung von 1873
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https://doi.org/10.11588/diglit.4814#0130

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251

Scaramuzza's Zeichnungen zu Dante's „Hölle".

252

die Gestalt des Andern annimmt." Es gehört eine ganz
unerklärliche, psychologisch merkwürdige Künstler-Unnatur
dazu, die Jllustrirung solcherUnmöglichkeiten zu versuchen,
bei der man außerhalb der Grenzen des Gebietes
der Schönheit in dem Gebiete der Scheußlichkeiten herum-
watet, und bei der das widerliche Produkt einer verirrten
Phantasie auch nicht entfernt den Vorwurf ahnen läßt
dem es seiu bedauernswerthes Dasein verdankt. Jn kei-
neni Falle läßt sich z. B. Nr. 52: „Die Däinonen ziehen
aus dcm Pechsee Gian Polo einen berüchtigten Betrüger
hervor", „da glich er eiuer Otter" ästhetisch rechtfertigen;
so wenig wie Nr. 23: „zwei Dämonen, welche sich in
die Haare gerathen, fallen in die See", — eine Kompositiou
von wirklich nnbegreiflicher Häßlichkeit.

Unter den wenigen Blättern, die in Auffassung und
Anordnung gelungen sind, erinnern einigezu ihrem großen
Nachtheil an ziemlich ungenirt benutzte Vorbilder, hinter
denen sie jedoch himmelweit zurückstehen. Wir erwähnen
nur Nr. 22: „Filippo Argenti, ein wuthentbrannter
Schatten, wird, da er in die Barke einsteigen will, von
Virgil gewaltsaiu zurückgewiesen." Wer wird hierbei
nicht an Delacroix's „Barke des Phlegyas" erinnert?

Aus der ganzen Reihe von Zeichnungen lassen sich
eben nur äußerst wenige herausheben, die nach jeder Nich-
tung hin befriedigen können; wir stehen nicht an, die
Zeichnungen Nr. 15: „Der Augenblick, in welchem Paolo
undFrancesca vonRimini sich ihrestiebe gestehen"; Nr.2t>:
„Das Glück entzieht den Müßigen und Genußsüchtigen
nnd spendet den Arbeitsamen und Fleißigen"; Nr. 54:
„Virgil flieht die Dänionen und läßt sich, Dante auf der
eigenen Brust tragend, vom Ufer herabgleiten"; endlich
stir. 56: „Virgil ermuntert Dante, sich von der Ermüdung
und Angst nicht besiegen zu lassen" für in vielfacher Be-
ziehung sehr gelungen zu erklären.

Fragen wir nun, ob mit den in Rede stehenden Blät-
tern den Anforderungcn Genüge geleistet ist, die man an
Jllustrationen in Bezug auf die Technik stellt, so müssen
wir erklären, daß eine Kunst der Mache, wie wir sie in
den ausgestellten 72 Federzeichnungen zu bewundern Ge-
legenheit haben, unter die allerseltensten Seltenheiten ge-
hört. Die Ausführiiug einzelner Blätter ist von einer
geradezu unbegreiflichen Virtuosität. So sehen wir auf
Nr. 55 „die Heuchler langsam unter vergoldeten Blei-
kappen, alle über den an die Erde festgenagelten Kaiphas
schreitend" und staunen über die Schattirung, die uns
den matten, schweren Glanz des Metalles in so wahrheits-
getreuer Weise mit so geringen Mitteln vor die Augen
bringt. So werden wir uns bei Betrachtung von Nr.
62 unwillkürlich fragen, ob wir es denn wirklich niiteiner
Federzeichnung zu thun haben, da hierbei die Kupferstich-
technik mit nicht zu übertreffender Geschicklichkeit und mit
vielem Glück uachgeahmt erscheint.

Schließlich gestatten Sie mir noch die kurze Erör-

terung einer Frage von rein lokalem Jnteresse, welche
durch den Besuch dieser Ausstellung in mir angeregt wurde.

Lag die Ausstellung dieser Jllustrationen Seitens
deS Landesvereins für bildende Kunst im Jnteresse des
hiesigen Publikums? Die Antwort hierauf ergiebt
sich aus dem Gesagten. Wo man es dem Publikum
ermöglicht hat, seine Fähigkeit zum geistigen Erfassen der
Kunstwerke an unbestrittenen Meisterwerken der Malerei
ununterbrochen zu üben und zu steigern, da ist es wohl
erlaubt, Werke von untergeordneter Bedeutnng mit Nück-
sicht etwa auf ihre bemerkenswerthe Technik auszustellen.
Ein solches Publikum wird das Korn von der Spreu wohl
zu unterscheiden wissen, wird sich an der technischen
Vollendung dieser Bilder erfreuen, jedoch jeden weiteren
Anspruch derselben in künstlerischerBeziehung strengzurück-
weisen. Anders verhält es sich aber mit einem Publikum,
dem unter hundert berühmt gewordenen Bildern kaum
ein einziges zugänglich ist, dem nnr äußerst selten Gele-
genheit geboten wird, seinen Geschmack mit Nücksicht auf
die heute maßgebenden Richtungen zu bilden und zu ver-
edeln. Ein solches Publikum wird durch die Ausstellung
von Zeichnungen, wie die besprochenen, in seinen ohne-
hin noch nicht in Fleisch und Blut übergegangenen ästhe-
tischen Grundsätzen ganz empfindlich geschädigt und verliert
jeden Maßstab zurBeurtheilung des künstlerisch Erlaubten
und Schönen.

Was diesem Publikum geboten wird, muß die strenge
Prüfung vor der zur Beurtheilung aller zur Ausstellung
gelangenden Werke berufenen Stelle mit Erfolg be-
standen haben, was bei den in Rede stehenden
Zeichnungen schlechterdings nicht zugetroffen haben
kann. Wenn wir schon auf die Besichtigung der meisten
gelungenen, von den Knnstausstellungsberichten in allen
Tonarten gepriesenen Kunstwerke verzichten müssen, so
thun wir dies sehr gern freiwillig bei Werken von ganz
untergeordneter Bedeutung. L. N.

Die Änsstellung der Lunstlietchalier und
Lammler

(blxpositiou ckss nwutkurs)
auf der

Weltausstellung von 1873.

Das Programm der 24. Gruppe der Wiener Welt-
ausstellung (Objekte der Knnst und des Kunstgewerbes
früherer Zeit, ausgestellt vou Kunstliebhabern und Samm-
lern) lautet folgendermaßen:

„Während alle andcren Gruppeu der Weltaus-
stelluug die Aufgabe haben, den künstlerischen und ge-
werblichen Fortschritt, die industriellen Leistungen der
Gegenwart darzustellen, soll die Gruppe 24 eine Aus-
wahl eigenthümlicher und schöner Gegenstände der Ver-
gangeuheit und eben damit den Antheil bestimmter
 
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