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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Heft 22 (9. August 1872)
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Die Konkurrenz-Entwürfe zum Berliner Goethe-Denkmal, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4814#0202

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Konkurrenz-Entwürfe zum Berliner Goethe-Denkmal. II.

Leistung als zwischen demPostamentedes Schillerdenkinales
und deni des großen Kurfürstsn, in dessen Kunstbereich
man durch die Begas'sche Sinnesrichtung gewiesen wird.
Es ist eben immer wieder dasselbe: das Gute bei Begas
ist nicht ncu, und das Neue ist nicht gut: und sein Einfluß
ist überall nur in Verirrungen Iüngerer bcmerkbar, wäh-
rend alles Gute, das vorhanden ist, um ihn herum uud
über ihn hinweg — meistens auf dem allergeradesten Wege
an ihm vorbei, denn er ist der aus dem Wege gerathcne,
— aus den zuverlässigen Quellen der ferneren oder näheren
Vergangenheit abgeleitet wird. Das Feldgeschrei „Hie
Rauch, hie Begas! HieZopf, hie Genie!", das man wohl
ausgeben möchte, formulirt gar keine Frage, die vorliegt;
wesentlich verschiedene oder gar entgengesetzte Principien
desAufbanes konimen nicht inBetracht; unsereErwägungeu
der Sache haben nur den Zweck, diesen Dämon zu bannen.

Ein Pnnkt indessen, der den Aufban des Denkmales
betrifft, der aber zu stilistischen Streitfragen gar keine
Beziehung hat, dürfte hier vorweg eine kurze Erwägung
erheischen. Das Deukmal Goethe's kommt bekanntlich
nicht auf einen städtischen freien Platz zu stehen, sondern
inmitten einer Gartenanlage am Rande eines Gehölzes.
Das Deukmal wird daher (höchst wahrscheinlich) nicht so
von allen Seiten sichtbar sein wie auf offenem Markte.
Es liegt also der Gedanke nahe, dem Aufbau — abge-
sehen selbstredend von der naturgemäß immer in bestimm-
ter Nichtung orientirten Statue selber — statt eiues
eurhythmischen (nach allen Seiten gleich entwickelten) einen
blos symmetrischen (mit deutlich prononcirter Vorder-
und Rückseite versehenen) Grundplan zu gebcn. Das ist
an sich unzweifelhaft zulässig; es fragt sich nur, wie weit
man damit gehen kann.

Jch will gleich direkt darauf antworten: unbedingt
nicht so weit, daß man von irgend einer Seite kommend
erst eine ganze Weile gar nichts sieht als eine kahle un-
gegliederte Nückwand; ja unbedingt nicht cinmal weiter,
als daß man von jeder Seite her zum vorläufigen Ver-
ständniß der ganzen Anlage gelangen kann. Man sollte
uicht glauben, daß über so etwas Worte zu verlieren
nöthig wäre; aber leider beweist ein Blick in die Aus-
stellung der Modelle, daß bei Künstlern kein Grad der
Unkritik ausgeschlossen ist, und daß selbst gauz verständige
und tüchtige gelegentlich in der Hauptsache der ärgsten
Unbesonnenheit fähig sind. Man sollte meinen, die nahe
liegende Erfahrung an der Jnvalidensäule müßte jeden
Fehlgriff für spätere Zeit unmöglich machen, und gerade
Berliner Künstler sind auf die schlimnisten Verirrungen
gerathen. Dic Hinteransicht jener Säule gehört zum Be-
iinruhigendsten, was mau sehen kann, und wie günstig
liegen beidiesemDenkmale.noch vergleichungsweisedieVer-
hältnisse! Eine Säule, also ein nach allen Seiten gleich
entwickeltes Gebilde, erhebt sich, von der Basis an sichtbar,
über der hohen Mauer, und nur ein gleichgiltiger Unter-

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satz ist dem Auge entzogen. Nun denke man sich entweder
gar nichts oder eine abgewandte Figur, vielleichtnur theil-
weise, über einer 'solchen Mauer sichtbar. Kann das be-
anspruchen, etwas Künstlerisches zu sein? Es komnit dazu,
daß, wie nahe auch das Denkmal an die Bäume gerückt
werden mag, ein Gehölz, uud nanieutlich ein so durch-
sichtigeö wie der Thiergarten, kein genügend fester und
dichter Hintergrund ist, um ein Deukmal, wie ein Möbel
gegen eine Wand, dagegen zu stelleu, wie man es wohl
beim Molioredenkmal in Paris vor uud unmittelbar an
der Wand eines Hauses thun durfte. Kurz, bei sym-
metrischer Anordnung des Denkmales, die an sich der Stelle
wegen annehmbar erscheint, muß doch die Gesammtheit
des Denkmales auch von der Rückseite her erkennbar und
verständlich sein, was selbstredend nicht ausschließt,
daß irgend welche selbst recht wichtige Details nicht gleich
zu seheu sind, denn auch bei jedem ganz freistehenden
Denkmale siud zeitweilig eiuzelne Theile dem Auge cnt-
zogen; das Ganze aber muß sofort klar werden.

Jch komme nun — nicht ohne Zagen — an das
Einzelne. Jch finde das Gerölle kunstreich zu schichten
keine Handhaben, also werde ich bei der kritischen Schil-
dernng des bedeutenderen Einzelneu der alphabetischen
Orduuug der Urheber folgen.

Andresen und Freye in Dresden. Welches ver-
lorene Convolut unbekaunter Handschriften die Künstler
ihren Studien des Goethe'schen Charakters zu Grunde
gelegt haben, ist dem llneingeweihten zu errathen un-
möglich. Denen, die uur die verbreiteteren vierzig Bände
in Klassikerformat, die gedruckten Briefe u. s. w. zu ken-
uen das llnglück habeu, ist dieser „Goethe" neu: ein un-
bändig schwärmendcr Iüngling, einem französischen
Ncvolutionshelden ähnlich, eiuen Lorbeerzweig unsanft
mit der Hand hoch an die Brust pressend, in theatralischer,,
aber ausdrucksloser Pose, — der Herr wird den litera-
turkundigen Deutschen wohl nicht vorgestellt sein. Ent-
sprechend ist daö Postament, dem sich übrigeus eine gewisse
Wucht und Phantasie nicht absprechcn läßt. Es verräth
sich darin eine achtbare Kraft, der nur zweierlei gefehlt hat,
um Treffliches zu leisteu: jene Goethe'sche Beschränkung,
in der sich erst der Meister zeigt, nnd die Achtuug vor
dem Ernste der Aufgabe. Man kanu sich schwer bereden,
daß die Künstler auch nur einen Band von Goethe's
Dichterwerken durchgelesen haben, um die geistige Per-
sönlichkeit des Dichters vor ihrem inneren Auge lebendig
ersteheu zu lassen. — Es ist schon im lluglück ein schlech-
ter Trost, Genossen zu haben, wie schlecht nun gar beim
Bersehen und Verschulden; sonst köuuten sie sich freilich
in der Unkenntniß und Verkenuung des Goethe'schen
Wesens bei dieser Koukurrenz einer recht ansehnlichen lwill
sagen: zahlreichen) Genossenschaft getrösten.

Arnold in Kissingen. Andresen läßt seine Figuren
vom Sockel weglaufen; Arnold läßt sie daran umher-
 
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