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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Heft 22 (9. August 1872)
DOI Artikel:
Die Konkurrenz-Entwürfe zum Berliner Goethe-Denkmal, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4814#0203

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Konkurrenz-Entwürfe zum Berltner Goethe-Denkmaü II.

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spazieren. Albert Wolff mit seiner das Postament des
Friedrich-Wilhelms-Denlmales in Berlin beschreibcnden
Gestalt^) hat zu diesem absolut unplastischen Wesen das
Signal gegeben; er darf Arnold nicht desavouiren; er kann
sagen, dieser habe ihn mißverstanden; aber er hat ihn
jedenfalls verstandcn; die Tendenz, die Idee ist dieselbe,
ob man eineGestalt niit dcr linkenHand gegen dieWand ge-
stützt eine Jnschrift eingraben, odcr ob man eine Kränze auf
ein Postament legen läßt, die einc andere erst zu dem Zwecke
windet. Die Kunst geht bei beidem aus den Fugen. Un-
geschicklichkeit und Geschmacklosigkeit hat nur in cinem
Falle die Fugen klaffender geöffnet, als in dem anderen
die Sicherhcil eines erprobten Meisters zugelasscn hat.

H. Bauch in Berlin. Eine geräuniige viercckigc
Anlage mit Bänken in den Eckcn. Inmitten des vorderen
und dcs hintercn Einganges je eine allegorische Gruppe,
in den Zugängen rechts und links je eine Einzelfigur.
Der Eindruck dcr Statue ist durchaus schauspielermäßig.
— Das Ganze ist nicht ohne Geschick komponirt, doch
ohne rechten Fluß und rechte Einheit.

Reinhold Begas in Berlin. Ueber einigen Stu-
fen ein quadratisches, elend gezeichnetes, klotziges Posta-
nient. Anf der vorderen Fläche ein Kranz um den Namen
Goethe, auf der hinteren eine Jnschrift. Nechts und
links unkenntliche Neliefs L In Schillerdenknial, wie es
scheint (wenn es nicht zu kühn ist, Verniuthnngen aufzu-
stellen), den Cultus der Natur und der Kunst bezeichnend.
An den Ecken stehen klebend oder eingedrückt (d. h. ohne
jede organische Berbindung mit der architektonischcn Form,
gleichwohl nicht selbständig vor derselben, sondern zum
Theil siamesenhaft mit dem Maucrkern verwachsen) weib-
liche Gestalten; vorn links ein halbnacktes Harfenniädchen,
dessen Jnstrunient rcchtwinklig wie ein Schiffschnabel aus
der Fläche dcs Postamentes weit hervorragt, fähig, allein
jede Schönheit des Baucs zu vernichten, falls ja etwa eine
vorhanden sein sollte; rechts eine fast ganz nackte Figur
mit den Attributen des Hcrkules (Löwenhaut und Keule),
also wohl die Kraft, obwohl sie nicht darnach aussieht.
Die Arme der Beidcn verschränken sich vor der Vorder-
seite dcs Piedestals, wie man es bci gewissen Spielen
macht. Diese Manier, Ecksiguren zugleich Gruppe bilden
zu lassen, den Figuren zwci Aufgaben zugleich aufzupacken,
von denen jede dic andere nicht nur beeinträchtigt, sondern
ausschließt, ist neu; aber eben so sinnlos wie neu, und
von dem schauderhaften Eindruck, den der Anblick gewährt,
kann sich nur die lebhafteste Phantasie unter Hinzurechnung
aller Widerwärtigkeiten Begas'scher Formengebung eine
annähernde Vorstellung machen. Doch es kommt noch
viel schlimmer! Hinten reckits finden wir eine ganz be-

*) Dieselbe gehört, wie das ganze Postamcnt, noch der
Zukunft an, ist aber durch Beschreibuugen und Abbildungen,
z. B. in Nr. >45!» der Jllustrirten Zeitung, schon allgemein
und genügcnd bekannt.

kleidete Gestalt mit Schleier auf dem gesenkten Haupte,
die mit beiden Händen dicht auf der Brust etwas HLlt,
das wie ein Vogelnest aussieht, aber trotz der in dem
Falle überauS unvorsichtigcn Gebahrung wohl ein Kohlen-
becken sein soll. Diese Figur ist das einzige erträgliche
Stllck an dem Modell; man kann daher, ohnc Jemandem
zu nahe zu treten, dafür sich nach Vorbildlichem umsehen:
sie crinnert ganz und gar an die besseren Bildungen eines
H. Sambin nnd ähnlicher. Nun zu ihrer Nachbarin an
der linken hinteren Ecke! Der halbnackte Körper wird
uns in torturartiger Verdrehung vorgeführt. Sie schreitet
nach links hin fort, steht auf dem linken Beine, das rechte
ist zurückgesetzt, die rechte Hand mit dem Zipfel eines
flatternden Gcwandstückes über den Kopf erhoben, so daß
sie oben auf das Sockelsims greift; der Oberkörper ist
vollständig um die Axe gedreht, so daß die linke Schulter-
höhle genau senkrecht über der Außenseite dcr rechten
Wade zu stehen koninit: unglaublich, aber wahr! Der
linke Arm ist gerade ausgestreckt und in seiner häßlichen
Linic durch eine Fackcl vcrlängcrt, mit deren brennender
Spitze sie die beschauliche Ruhe der Figur an der andcren
Ecke stört. Durch diesen Gedankenstrich ist (wie bei
schlechten Schriftstellern) die mangelnde Gedankenverbin-
dung zwischen den Figuren ersetzt, die äußerliche Ver-
bindung kunstlos hergestellt. Es heißt der Begas'schen
Kunstart eine Koncession machen, wenn ich nach Sinn
und Bedeutung der vier Figuren nicht frage und nur dic
Erscheinung als solche auf mich wirken laffe; ich muß
gestehen, ich mache diese Koncession gern, denn ich habe an
der letzteren Wirkung schon genug und darübcr. — Die
Goethestatue ist in sitzender Slellung; über die Hinter-
ansicht derselben giebt daS Modell keine Auskunft, solche
Kleinigkeiten finden sich später. Goethe ist ziemlich alt,
bekränzt und in einen weiten Mantel, das Requisit
Begas'scher Masscnwirkung, gewickelt. Der steifen Hal-
tung fehlt Leben nnd Ausdruck; die rechte Hand ist vorn
(zu hoch) in dcn zugcknöpften Rock gcschoben, dic linke
stcmmt sich — mit der von der Metz-Statue hcr noch
erinnerlichen Verkrüppelung dcs Armes — auf einc Tafel
oder dergleichen. Jn den unförmlichen Beincn haust
die höchstgradige Wasscrsucht; doch ich rede die Unwahr-
heit: nicht in den Beinen, das eine ist ja wicder „nach
alter Melodie" gespart. — Wenn man nur einmal darüber
authcntische Auskunft crlangen könnte, ob die Künstler
dergleichen Ungeheuerlichkciten dem Publikum wirklich im
Ernste darbieten, oder ob sie — im anderen Falle — gar
kein Gefühl für die Ungebührlichkeit haben, die in solcher
Nonchalance gegenüber den heiligsten Empsindungen und
Besitzthümern der Nation liegt. Durfte Begas auch bei
dcr allgemeinen und nur allzu bcrechtigten Ablehnung, die
sein Schillerdenkmal je mehr und mehr im Publikum er-
^ fahren, mit Sicherheit voraussetzen, daß es für ihn fast
^ unmöglich sein würde, auch den zweiten der großcn Dich-
 
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