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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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287

Kunstliteratur.

288

Hausmann in Hanau hat (nach Photographien) ein ent-
sprechendes Kostümbild dazu gezeichnet, welches in Holz-
schnitt von Brend'amour reproducirt ist.

Uebrigens ist eine Fortsetzung dieses Werkes, welches
wohl als eine Muster-Publikation bezeichnet werden darf,
in Aussicht gestellt, welche erscheinen wird, sobald die Theil-
nahme des Publikums den bedeutenden Kosten der Her-
stellung entsprechend ist. R. Bergau.

Bunte Blätter. Skizzen und Studien für Freunde der

Musik und der bildenden Kunst. Von A. W.

Ambros. Leipzig, Leuckart, 1872. 8.

Obiges ist der zwar nicht unrichtige, aber sehr be-
scheidene Titel eines Buches, welches wir zu den geistvollsten
und anziehendsten zählen, die uns seit lange auf diesem
Gebiete zu Gesichte gekommen sind. Dennoch möchte ein
tieferes Eingehen auf die Einzelheiten seines reichen und
mannigfaltigen Jnhalts kaum thunlich sein, da eine wirklich
umfassende Würdigung jedenfalls den üblichen Raum
für solche Besprechungen überschreiten und selbst wieder
zu einem Buche anschwellen würde, wollte sie irgendwie
erschöpfend verfahren.

Der Verfasser, welcher in der musikalischen Welt
sich durch seine Geschichte der Musik so wie durch zahl-
reiche musikalische Aufsätze einen hochgeachteten Namen
errungen hat, erscheint auch in diesen Blättern vorzugs-
weise als Kenner der Tonkunst, welcher von den neun-
zehn Abschnitten des Buches allein zwölf gewidmet sind.
Diese natürlich liegen außer dem Bereiche unserer Zeit-
schrift, obwohl sie ebenfalls neben streng Fachwissen-
schaftlichem so viel allgemeinFesselndes enthalten, daß jeder
Gebildete sie mit großem Vergnügen lesen wird. Dahin
zählen wir vor Allem die Abschnitte: „der Originalstoff
zu Weber's Freischütz", „Abbö Lißt in Rom", „Wagne-
riana", „Alessandro Stradella" rc.

Uns aber ist es vor Allem von Jnteresse, zu sehen
mit welch' feinem Sinne und oft überraschender Sach-
kenntniß der Musikhistoriker zugleich die Werke und
Angelegenheiten der bildenden Kunst behandelt.

Halb noch dem musikalischen Gebiet angehörend ist
der erste dieser Aufsätze über die innere Verwandschaft
zwischen der Mendelssohn'schen und der Schwind'schen
Melusinenkomposition.

Dann folgt eine in warmer Verehrung geschriebene
Würdigung Overbeck's, anknüpfend an die persönliche
Bekanntschaft mit jenem „halbverklärten Greise".

Unter der Ueberschrift „Tage in Assisi" erhalten
wir darauf eine meisterhafte Schilderung dieser alten
malerischen Bergstadt, mit ihrer sinnberückenden Weih-
rauchatmosphäre, ihrer Kloster- und Kirchenstimmung
und vor Allem ihrer frommen Kunstrichtung, der sich
eine gleich ausgezeichnete Beschreibung Pisa's nnd seines
Camposanto's anreiht.

Namentlich aber in dem dann folgenden Abschnitt
„Florenz und Elbflorenz" zeigt sich die geistvolle
Beobachtungs- und Darstellungsgabe des Verfassers
auf's glänzendste, so leicht und skizzenhaft auch alles ge-
halren ist.

Daß Ambros indeß auch den Feuilletonstil verlassen
und ernstere Weisen einschlagen kann, beweist er in seiner
Untersuchung über Giotto; er macht hierbei ein interessantes
Experiment, in dem er in anschaulicher Weise durch nach-

stehendes Schema die gleichzeitige Entwicklung der mittel-
alterlichen Schulen in Florenz und Siena gegeneinander
aufstellt, um so die merkwürdige Wechselwirkung vor
Augen zu führen:

Florenz Siena

I. Periode um 1300.

Cimabue. Duccio di Buoninsegna.

n. Zm Cultb!lde(Altarbild).Groß- ». Zm Cultbilde. Mild-ernste
artig ernste und strenge Schön- mehr liebliche Schönheit.
heit.

b. Jm GeschichtLbilde. Grandiose b. Jm Geschichtsbilde, Jnnigstc,
Entwicklung eines in's Titanen- zart antheilvolle Empfindung
haste gehenden Asfektes, inner- sür die dargestellte Begebenhe!»
halb der Grenzen der bhzan- innerhalb der Grenzen der by-
tinisch-traditionellen Komposi- zantinisch-sraditionellen Kom-

tion. (Die Wandmalereien in position. (Die Passionsgeschichte

der Oberkirche zu Asfisi.) im Dome zu Siena.)

II. Periode von 1300 bis 1350.

Giotto. Simone da Martino.

Zurücktreten des Schönheits- Zurücktreten des Erzähler-

sinnes gegen eine dramatisch auf talcnts gegen den Schönheitssinn,
das Geistvollste belebte, das Ein- der stch in einzelnen Gestalten
zelnemotivirendeErzählungsweise. entwickelt, die durch ihr bloßes
Gruppen. Bewegung. Kontraste. ruhiges Dasein wirken.

Daher Borwalten des Ge- Daher Vorwalten des Cult-
schichtsbildes als Wandmalerei. bildes als Taselmalerei.

Dante, der Epiker, Giotto's Petrarca,derLyriker,Simone's
Freund. Freund.

III. Periode von 1350 bis 1400.

Orcagna. Ambrogio d! Lorenzo.

Der Schönheitssinn klärt sich Die Erzählung wird lebendiger
und verbindet sich mit dem Ta- und geistvoller und verbindet sich
lent des Erzählcrs. Deutlich kenn- mit dem Schönheitssinn. Deut
bare Züge stenesischer Einwirkung. lich kennbare Züge florentinischer

Einwirkung.

IV. Periode von 1400 bis 1450 und weiter.

Fiesole (1455). Matteo d! Giovanni (um 1470).

Der Schönheitsstnn verklart Die Charakteristik der Er

sich bis zum überirdischen Jdea- zählung verschärft sich bis zur

Usmus. Karikatur.

V. Periode von 1450 bis 1500.

Lionardo da Vinci. Soddoma.

Die Renaissance sührt zur Die Renaissance sührt zstr

vollen Höhe und Vollendunz der vollen Höhe und Vollendung der
Kunst. Kunst.

Die Florentiner, fährt Ambros dann weiter fort,
waren von jeher, gleich den mit ihnen in manchem Sinne
verwandten Atheniensern der antiken Welt, geistreich red-
selige Leute und gewaltige Erzähler. Gehört ihnen doch
Boccaccio, San Giovanni Fiorentino (Pecorone) und
Agnolo Firenzuola an. Jm Hervorbringen von Heiligen
waren sie minder glücklich, Boccaccio weuigstens war
keiner und Agnolo auch nicht.

Bei den Sienesen dagegen treten als charakteristische
Erfcheinungen einige Lokalheilige in den Vordergrund,
in denen sich die schwärmerische Begeisterung mit scharfem
Berstande uud großem echt patriotischem Geiste merk-
würdig einen: Katherina von Siena und Bernhardin von
Siena. Diese Eigenthümlichkeiten waren für den Grund-
zug der Kunst in Florenz und Siena sicher von Bedeu-
tung. Wollte man obiges Schema in's Einzelne aus-
führen, würde Alles noch viel bestimmter zu Tage treten.
Welche Gewalt der Leidenschaft entwickelt nicht Cimabue
in seinen Patriarchen und evangelischen Geschichten!*^

*) Dieses möchte doch noch nachzuweisen sein'.
 
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