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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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291

Sammlungen und Ansstellungen.

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manche verdienstliche Leistung nnd sein Name kann ohne eine
grobe Ungerechtigkeil nicht ungenannt bleiben. wenn von den
meistversprechenden jnngeren Krätten der Miinchener Schule
die Rede ist. Was seine beiden Landsleutc beirifft, so erinnere
ich sür meine Person mich allerdings nicht an eine frühere
Arbeit derselben, will aber gerne zugebcn, daß die Schuld
gan, allein auf meiner Seite ist. Aber daran liegt am Ende doch
wenig: die Hauptsache ist und bleibt, daß ste jetzt ein paar
Bilder zur AuSstellung brachten, die man notbwendig nennen
muß. Ueberbaupt bat man sich daran gewöbnt, wie Pallas
aus dem Haupte des Aens fix und fertig bervorsprang, hie
und da einen jungen Künstler aus Piloty's Schnle ersteben
zu sehen. von dessen Existenz die Welt bisber keine Abnung
hatte. Und eines ist sicher und gewiß: vielversprechend sind
ste alle, diese jungen Talente: schade nur, daß sie znmeist nicht
so viel balten, wie sie versprochen baben. W. CzachorSki
zeigt unS in seinem „Eintritt in's Kloster" eine erschütternde
Familieuscene. Ein junges schönes Mädchen au« gutem Hause
bat sich, um den kirchlichen Ausdruck zu gebraiichen, ibrem
biwmlischen Bräuligam geweibt und umarmt noch ein letztes
Mal die Mutler, wäbrend Geschwister und Grofimutter sie
mit stummen Schmerze scheiden sehen nnd die Nonnen zu
ibrem Empiang bereit stehen. Das Bild ist weniger gut
komponirt als tief empfiinden und flott gemalt, im Ganzen
aber eine böcbst verdienstliche Leistung, namentlich auck> vom
koloristischem Standpunkte. M. Gierymski und I. Cbet-
m onski fllbren uns dagegen in eine weniger gewählte Gesell-
schaft, indem uns dieser vor eine polnische Schcnke versetzt, vor
der eben eine Anzahl volkstbümlicher ländlicher Fubrwerke balt,
deren Jnsassen sich zum Theil in der Kneipe schon gütlich
thun, jener aber uns an ein einsam stebendes Bauernhau«
geleitct, vor welchem vom Markte heimkebrende Landleute
bunte Gruppen bilden. Von Gierymski wissen wir längst,
daß er mit sicherer Hand die Lebren des Realismus zur
AuSführung bringt und haben seüiem schönen Talente nie
unsere Anerkennung versagt. Das thun wir auch beute
nicht, sondern freuen uns konstatiren zu können, daß der
Künstler sich nicht darauf beschränkt, die Natur bloß abzu-
schreiben, sondern auch bemttbt ist, die Erscheinnng zu durch-
geistigen. Weniger läßt sich das von Cbetmonski's Bild sagen:
er gab uns nilbts weiter als eine allerdings sebr uaturwabre
Stndie. Von künstlerischer Anordnung ist keine Spur; man
mußte sie nnr darin finden, daß er die horizontale Linie
seiner Landschaft dnrch die schwerfällige Silbouette eines
Walmendaches untcrbricht. das nach Landessilte dreimal so
hoch ist, als der darunter fast verschwindeude Lebmbau. Was
die Siaffage betrifft, so hat es sich der Künstler mit ibr noch
bequemer gemacht nnd die einzelnen Figuren so obenbin be-
handelt, daß beilpielsweise die Eine siih obne Kopf behelfen
muß. Ob es ein regnerischer Tag. ob Dämmerung, mag
Jeder nach Belieben enträthseln. H- Aügel's „Schafschur"
macht einen veinlichen Gesammteindruck, obwohl sich im Ein-
zelnen viel Verdienstliches sindet. Der Grund liegt nabe ge-
nug. Der Künstler hat eine Reihe an sich trefflicher Schaf-
und Menschenstudien gemalt und glaubte ein Bild zu malen,
indem er sie dann mosaikartig zusammensetzte. Die Folgen
waren freilich vorauszuseben: Schase und Menschen seben
nun aus, als ob sie aus Papier geschnitten unb neben einander
geklebt wären; von einer Luftperspektive ist keine Spur: das
Hinterste trilt so nahe an nns beran, wie das Vorderste,
gerade wie bei Tboma. Doch Sie werden selbst beurtheilen
können, ob ich zu scharf urtheile: Die Sckiasschur" wird auf
der Wiener Weltausstellung zu sehen sein. Letzteres qilt
auch, und ich freue mich deß, von T. H er's lieblichem Bilde
„Ein erster Frühlingstag". Das einfach aber mit großer
Geschicklichkeit gemachte Bild muthet uns an wie ein Uhland'sches
Frühlingsbild. Man fühlt, daß es dem Künstler von Herzen
kam, und spürt es im eigenen nachklingen. Ein Freund, der beim
Betrachten neben mir stand, meinte, das sei doch wieder ein-
mal ein „lustiges" Bild, und hat damit den Nagel auf den
Kopf getroffen. — Desto ernster ist W. Lindenschmit's
„Walther Raleigh und seine Familie iln Tower zu London".
Lindenschmit ist in erster Reihe ein berechnender Künstler.
DaS hat er auch diesmal bewiesen, denn es war ihm offen-
bar weit weniger darum zu tbun, eine Scene aus dem
Familienleben des ehemaligen Günstlings der jungfräulichen
Königin, der zwanzig Jahre im Kerker schmachtete, nnserem
Gemüthe, als unserm reflektirenden Verstande die Wirkung
trefflich gemalter Figuren aus hellem Hintergrunde vor- !

zuführen. Darum ist es anch ziemlich schwer, sich für
das Bild zu erwärmen, so bedentend es auch im Ganzen
uild Einzelnen unleugbar genannt werden muß, Am ge-
lungensten und jedes ein Meisterstück in seiner Art ist der
wunderbar scbön gemalte Kovf der Lady Raleigb und — die
vom vollen Tageslicht getroffene Mauer, von welcher er sich
abdebt. Was die Komposition anlangt, so leidet sie an einer
gewissen Zerrissenbeit, welche leicht dadurch bätte vermieden
werden können, daß der Zwischenraum zwischen Vater und
Töckterchen verkürzt worden wäre. — Jch bemerkte oben,
gewisse junge Künsller versvrächen bei ihrem ersten Schritte
vor das Publikum mehr als sie binterher hielten. Dieß gilt
auch von E. Grützner, der dieSmal einen „Falstaff in der
Schenke" brachte. Sbakespeare's lustiger Sir Iohn ist aller-
dirigs eine sebr bedeuttnd ckiargirte Figur. Das aber be-
rechligt Hrn. Grützner keineswegs. ibn so zu verzeichnen, wie
er es that. Namentlich hätte er bedenken sollen, daß ein
solches Sitzen, wie das ist, welches er dem alten Renommisten
zumuthet, nach allen Grundsätzen der Statik eine Unmöglich-
keit ist. Grützner's Haupt-Schwäche, wie die der ganzen
Schule, aus der cr hervorging, ist das Zeichnen. Darum
besitzen auch die Nebensachen in seinen Bildern, wie z. B.
die Gobelins u. A. alle eine größere Anziebungskraft als seine
Fignren, die meist zu sebr an die Modelle erinnern. Frl.
Marie Weber brachte eine „Dame, einen Brief lescnd", welche
beweist, daß die junge Künstlerin — sie ward in der weiblichen
Kunstschule dahier gebildet — mit den Ärbeiten Netzscher's
vertrauter ist, als mancher Künstler. G. Dehn erfreute uns
durch eine recht wacker gemalte „Parlie aus Nürnberg" und
M. Neher. der Nestor der Münchener Künstler, durch ein
bübsches „Motiv aus Wasserburg". — Von Julius Lange
waren zwei Landschaften ausgestellt, welche man kaum dem
nämlichen Künstler zuschreiben würde, so entschieden weichen
sie in Auffassung und Farbe von einander ab. Wllßte ich,
daß sein „Schloß Arco in Süvtirol" vor seinem „Motiv
bei Brunnen am Vierwaldstätter-See mit dem Pilatus im
Hintergrunde" entstanden ist, so würde ich ibm zu dem enormen
Fortschritte im letzteren von Herzen Glück wünschen. Denn
dann bätte er mit jenem konventionellen Nebeneinandersetzen
warmer und kalter Töne, welches seinen meisten Bildern trotz
ihrer unleugbaren Verdienste viel schadet, einmal ernstlich
gebrochen. Sein „Motiv bei Brunnen" braucht den Vergleich
mit den besten Werken der tücktigsten Landschafter in keiner
Beziebung zu scheuen. Von dem reichbegabten A. Stade-
mann war eine „Winterlandschaft" zu seben, die ich mit zu
den besten Arbeiten dieses Künstlers zäblen möchte und eine
weit sorgfältigere Behandlung zeigt, als seinen Bildern in
der Regel eigen ist. A. Willroider brachte einen „Ver-
lassenen Steinbruch in Kärnten", der Züael's „Schafschur", die
daneben hing, sckiweren Schaden tbat. Norb höher aber muß
icki seine im Geschmacke der alten holländischen Meister ge-
haltene Partie an der Elbe anschlagen, die in Anordnung
und Stimmung 'gleich meisterhaft erscheint. — G. Natter
vollendete eben seinen Wuotan in schönem weißen Kelheimer
Kalkstein. Jü es schon erfreulich, statt der nachgerade Sitte
gewordenen Statuetten im Nippes-Stile wieder einmal eine
Kolossalstatue in Stein ausgefübrt zu sehen: so begrüße ich
Naiter's Werk mit doppelter Frende weil es ein nach jeder
Seite hin trefflich gelungenes ist. Sein Verdienst erscheint
um so größer, wenn man bedenkt, welche Schwierigkeiten dem
KUnstler entgegentreten, der seinen Stoff der urgewaltigen,
aber nichts weniger als plastislb ausgebildeten nordischen
Göttersage entnimmt Daß der Künstler Wuotan nach dem
Vorbilde im Tempel zu Upsala als Gott der Krieges auffaßte
und ihm Helm und Speer gab, können ibm die Kenner jcner
Mythen um so weniger verargen, als er es auch nicht an
den symbolischen Raben fehlen ließ, denen der gewaltige
Donnerer zu lanschen scheint. Natter's Wuotan wird cbenfalls
zur Weltausstellunq wandern trotz seines stattlichen Gewickites,
nach seiner Rückkebr aber in einem Tannenhain des Hrn.
Privatier Höchl bei Bogenbansen, der Natter mit dem ebren-
vollen Auftraqe betraute, aufgestellt werden. — Zum Schlnsse
muß ich eines mit Meisterschaft ausgeführten stimmungsvollen
Stiches von I. L. Raab nach A. Kindler's „Die Verlassene
auf dem Tanzboden" gcdenken, dessen Wahl zum Kunstver-
einsgedenkblatt ich gerne anregen möchte.

L. Düffeldorf. Auf der Permanenten KunstauSstellung
von Bismeyer und Kraus fanden wir letzthin mehrere
interessante Schöpfungen, von denen wir znnächst ein schönes
 
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