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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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575

Aus Straßburg. — Nekrvloge.

576

Gerücht leider, leider zu bestätigen — daß man damit
nmgeht, Springer's Lehrstuhl eingehen zu lassen.

Es wäre das eine der größten möglichen Sünden
gegen den Geist dieser Stiftung. Die Facultät selbst
ist, wie ich aus der glaubwürdigsten Quelle vernehme,
unschuldig an dieser vandälischen Entblätterung ihres
Kranzes: den sichersten Nachrichten zufolge hat dicses nn-
begreifliche Vorgehcn seinen Ursprung im Schoße der
deutschen Reichsregierung und zwar ganz nahe an dcren
oberster Spitze, dort wo man einst auch das Reichstags-
haus aus Bequemlichkeit nnd büreaukratischcr Tactlosig-
keit auf einein Hofe als Annex zum Reichskanzleramte
an einem „Universalgelenke" baumeln lassen wolltc.

Also die leidige Sparsamkeit, der ganz gcwöhnliche
nüchternste Nützlichkeitsfanatismus!

Fern sei es, deneu, die dem deutschen Volke und
Reiche in wichtiger, großer und schwerer Zcit nie genug
zu dankende Dienste geleistet haben und glücklicherweise
fortfahren zu leisten, einen Vorwurf daraus zu machen,
daß sie für gewisse Dinge keinen Sinn und kein Ver-
ständniß haben; aber dann seien sie, die in schwierigen
Lagen bewundernswerthe Selbstverläugnung und Beschei-
dung geübt haben, so groß und so weise, nicht in ihren
Augen vergleichungsweise kleine Dinge, die vielleicht nur
zu weit aus ihrem Gesichtskreise liegen, um ihre Größe
richtig ermessen zu können, sür so gar klein zu halten,
daß es sich nicht verlohnte, die Besorgung verselben den
Händen solchcr Näherstehenden anzuvertrauen, die ver-
dächtig sind, etwas mehr von der Sache zu verstehen
und nicht durch einen auf der einen Seite — in der
Schätzung der verschiedenen menschlichen Dinge — zu
großcn, auf dcr andcren — im Geldpunkte — noch
immer zu kleinen, unstaatsmännischen Maßstab beirrt
zu sein.

Abgesehen aber von der Bedeutung der Straßburger
Universität für Deutschlano, abgesehen von der Bedeu-
tung der Kunstwissenschaft für jede Universität hat die
Sache noch für die Stadt Straßburg eine besondere
Wichtigkeil, die — zumal auch noch ein Geld- resp-
Sparsamkeitsinteresse dabei mit in Frage kommt —
wohl im Stande sein dürfte, die Entscheidung in dieser
Angelegeuheit — und zwar nach der aus allen vorer-
wähnten Gesichtspunkten sich als wünscheuswerth, ja un-
vermeidlich ergebcnden Richtung — zu beeinflussen.

Professor Springer ist nämlich bereits mit der Be-
gründung einer kunsthistorischen Sammlung, eines Lchr-
mittelapparats für den kunstwissenschastlichen Unterricht
vorgegangen. Es stnd nicht unerhebliche Ankäufe (z. B.
an Photographien von Ad. Braun in Dornach) gemacht
worden, und ein eigener sehr schöner Raum im Schlosse
ist zur Aufnahme und für die angemessene Benutzung
diescr Sammlung angewiesen und eingerichtet worden.
Soll dieser kostbarc Apparat, aus dessen Benutzung durch

eine geschickte und berusene Hand für Hunderte und
Tauscnde Belehrung strömen könnte, als todtes Kapital
versauern?

Noch mehr: Springcr hatte die Absicht, diese Samm-
lung, sobald Umfang und Einrichtung derselbeu weit ge-
nug gcdiehen waren, auch dem Publikum zu bestimnilen
Stundeu zu öfsnen. Erinnert man sich nicht, daß Straß-
burg eines solchen Jnstitutes bedarf? Und wer anders
als ein Universitätsprofessor oder ein Mann, der, einmal
hierher gezogen, auch die Professur mit um so reicherem
Nutzen sciues hiesigcn Wirkens zugleich versehen könntc,
wäre im Stande, das hicr von Springer begonnene
Werk fortzuführen und allgemein nutzbringend auszubauen?

Straßburg hat bei der Belagcrung, was es an Kunst-
schätzen besaß, verloren. Sollte^ man eiuer zahlreichen
intelligenten Bevölkerung einen Ersatz, wie er sich eben
beschaffen läßt, für das Verlorene, ein ausgiebiges Mit-
tel zur Bildung des Geistes und Gemüthes überhaupt
vorenthalten dürfen, und nun gar auf deni bereits er-
reichten Punkte stehcn bleiben, d. h. zurückgehen
wollen?

Die deutsche Reichsregierung — und rückwärts gehen!
Klingt es nicht zusammen wie Hohn, wie Unmöglichkeit?

Hvffen wir, daß die Entwickeluug der Straßburger
Universitäts-Verhältnisse unter den HLndcn der Rcichs-
regierungsorgane (namentlich in dem augeregten Punkle)
nicht dereinst den Hohn zur kalten Wahrhcit, die Un-
möglichkeit zur schauderhaften Wirklichkeit geworden zeige!

Ein halbcs Jahr ist für die Disciplin jetzt zwar
auf alle Fälle schon verloren, und der nächste zur Nach-
folge Springer's berechtigt Erscheinende für uns nicht
mehr zu erlangen; aber der Schaden würde sich allcn-
falls noch verschmerzen lassen, wenn man den Mangel
nnr nicht zur „berechtigtcn Eigenthümlichkeit" werden läßt!"

Nrkrologe.

Joses von Kcller, einer der bedeutendsten Kupfer-
stecher unserer Zeit, starb in Düsseldorf den 30. Mai
1873 nach langen und schwercn Leiden an der Lungen-
lähmung. Seit über dreißig Jahren als Lehrer an der
Düsseldorfer Akademie wirkend, war er der eigentliche
Begründer dcr dortigen Kupferstecherschule, deren Werke
überall verdiente Anerkennung gefunven, und die vielen
Mcister, welche seiner trefflichen Anleitung ihre Ausbil-
dung verdanken, sichern ihni als Lehrer einen ebenso her-
vorragenden Platz in der Kunstgeschichte, wie seine eigenen
ausgezeichneten Arbeiten ihm unter den ausübenden
Künstlern errangen.

Josef von Keller wurde im März l8l5 zu Linz
am Rhein geboren, wo er bis zu seinem sechzehnten
Lebensjahre das Gymnasium besuchte uno auch den ersten
Zeichenunterricht empfing. Danu ging er nach Boun,
uni in der Schulzen-Bettendorff'schen Kupferdruckerei sich
der Kupfcrstecherkunst zu widmen. Hier wurde ihm aber
nur Gelegenheit geboten, die Punktirmanier zu erlernen,
 
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