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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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673

Kmrstliteratiir,

674

uns eine solche Publikaüon werthvoll macht, sondern
auch die Einsicht, die wir durch dieselbe in dcn Stand
der französischen Kunstliebhabcrei und dcs Anthcils cr-
halten, wclchen der Staat und die Gesellschaft an dem
Kunstleben des hcutigen Frankreich haben,

EugvneDelacroix, dessenLeben undSchriften(heraus-
gcgeben 1865 bci Claye) voll eigenthümlichen Reizcs
sind, gehört zu denjenigen Künstlern, die sich, wie Jngres,
in Frankreich nicht schnell Bahn gebrochen haben. Erst
am Abende seines Lcbens war es ihm gegönnt, dic Frucht
seiner Studien zu ernten, Hintangesetzt den Modekünst-
lern dcs Tages, wenig vcrstanden in dcn Ziclpunkten
seines Strebens, hat Delacroix mit unverdrossener Mühe
lithographirt, radirt, für Holzschnitte gcarbcitct, nach
der Natur studirt, Reisen nach dem Orient und Oceident
untcrnommen, die alten Mcistcr, dcncn ganze Kunst-
schulen in Deutschland gründlich aus dem Wcge gchen,
eingehend studirt.

Die Frucht seines Künstlerlebens liegt in dem statt-
lichen Bande (XXVII. und 326 Sciten gr. Oktav) vor
unseren Augcn, den Herr Ad. Morcau, dcr sich durch
eine ähnliche Arbeit über Decamps bereits verdient
gemacht hat, soeben in glänzender Ausstattung veröf-
fentlicht hat.

Jn einer kurzen Einleitung giebt Moreau eine Skizze
der Biographie seines langjährigen Freundcs. Scine
Werke wurdcn jahrclang schlecht bezahlt; dcr Massacre
in Scio mit 6000 Frcs., seinc Grablegung mit 5000
Frcs., seine Dckorationsarbciten in der Bibliothek Ler
Deputirtcn mit 20,000 Frcs. 1845 vcrlangte Dclacroix
für scinen Marino Faliero 1000 Frcs., ohnc ihn ver-
kaufen zu können.

Erst mit dem Jahre 1852 wendete sich für Dela-
croix, der in diesem Jahre bereits sein 53. Lebensjahr
erreicht hatte, das Glück. Dcn Marino Faliero, den
er 1845 nicht um 1000 Frcs. verkaufen konnte, erwarb
1856 Bournet-Aubcrtot um 42,000 Frcs., Pereire über-
nahm ihn mit 60,000 Frcs.; später ist er um den Preis
von 80,000 Frcs. in den Besitz des Herrn Richard
Wallace übergegangen. Er selbst war ganz überrascht
von der Wcndung in der Anschauung des Publikums.
. . . Llr bisn, oui! Lllor nnü — schreibt er am 14.
April 1853 einem Freunde — o'sst vrniinont i> n'^
p>ns oroirs, st ponr inn ^nrt jo n'^ ooinpronäs rion.
II Lkindlo inninttznnnt guo IN68 ^ointuros soiont
uno nouvonuts rsooinniont äooouvorto, los nmntours
vont ni'onrioliir npros in'nvoir inöxirisö.

Als sechs Monate nach dem Tode Dclacroix's (13.
August 1863) sein Nachlaß versteigert wurde, drängte
sich Alles, um den Künstler zu ehren. Es wurden
361,065 Frcs. eingenommen, davon nur 3,963 auf
sein Atelier, seine Möbel und Bibliothek fielen, alles
andere auf seine Bilder, seine Studien nach der Natur

wie nach alten Mcistern, seine Zeichnungen und Aquarclle,
Radirungen und Lithographien.

Jn wohlthuender Ordnung mit sachkundiger Ge-
nauigkeit wird das Oeuvrc des E. Delacroix vorgeführt,
seine Porträts, dann seine Originalwerke, 23 Radirungcn,
107 Lithographien, 17 Xylographien, dann die Rcpro-
dnktioncn nach Delacroix. S. 159 beginnt die Auf-
zählung seiner Gemälde, chronologisch geordnct, nach den
„Salons", in denen sie dcm Publikum vorgeführt wurden.
Mit dcm Salon von 1822, dem „Dante und Virgil",
bcginnt dcr Reigen; 1859 ist Delacroix zum letztcn
Male im Salon erschienen.

Dann folgt das Verzeichnist dcr Bildcr, die sich in
Museen befinden, welche ösfentliche Räume schmücken,
die Kirchen, die Porträts, die er gemalt hat, dic Bilver,
welche in öffentlichen Versteigerungcn vorgckommcn sind.

Alles ist mit höchster Genauigkeit gearbeitet; bei
jeder Lithographie und Radirung sind die Etats bc-
schrieben, überall sind Preise und dic jedcsmaligen Be-
sitzer angcgebcn. Icder Abtheilung geht eine instruktive
Einleitung voraus, — nirgends cin philosophischcs und
ästhetisches Gcsalbader, eine fcuilletonartige Causerie,
überall Bemerkungen von sachlichcni Werthc, ganz ge-
cignet, uns über den Künstlcr und seine Wcrke zu in-
struircn.

Das Buch von Ad. Moreau ist ein völlständiger
Führer in die Werke Delacroix's; wer es durchsieht,
erhält einen Einblick in die Arbeit eines der bedeutendsten,
wcnn auch cxcentrischen Malcr des hcutigcn Frankreich.
Und welch' einc Arbeitskraft war Delacroix! — Schwäch-
lich seinem Körperbauc nach und kränklich, war er doch
ganz hingegebcn dem Berufe, der ihn zum Malcr machte,
und der Kunst, die er nicht wie ein Geschäft, mit ordi-
nären Gesinnungcn, nicht des Geldgcwinnes wcgen, bctrieb.
Ungleich vielen unserer Zeitgcnossen, aber wic Jngres,
Flandrin u. A. durchdrungen von den idealen Zwccken,
welche der Kunst allcin ihre bevorzugte Stellung im
Leben zu sichern vermögen, hat Delacroix das coloristische
Prinzip in Frankreich glänzend vertreten und zugleich
eine Kraft der Erfindung und dramatischen Gestaltnng
gezeigt, die wir bei keinem Künstlcr seiner Nation gcgen-
wärtig wiedersinden. Allen denen, die sich für Delacroix
und die moderne französischc Kunst interessiren, wird
das Buch von Ad. Moreau cine willkommene Erschcinung
sein. R. v. E.

Alllis Egster, Deutsches Lehr- und Lesebuch. III. Theil.
Vorschnle dcr Aesthetik. Wien, A. Hölder.
1872. 8.

Der Unterzeichnete begrüßt in diesem Werke freudig
einen ersten, verständig angelegten und mit dcm Streben
nach Concentration auf gewisse Hauptpunkte durchge-
 
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