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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Münchener Lokal-Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0379

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7^7 Mmichemr Lokal

lernte, als das früher der Fall war. Die Anschaffung
von Kunstwerken ist in neuerer Zeil im Allgemeinen eine
Luxnssache geworden. Den mcisten unserer finauziellen
Emporkvmmliuge ist ein Bild, cine Statue vorwiegeub
cin Dekorationsgegenstand, den sie sich anschaffeu, um
zu zeigcu, daß sie iu dec Lage sind, für svlche Zwecke
beträchtliche Suiumen zu bezahlen. Das wisseu die
Künstler recht wohl nnd verlegen sich zum großen Theile
auch darauf, so zu schaffen, daß sie deu nach Dekora-
tiousstücken vertangenden Kanflustigen auf mehr als hat-
bem Wege entgegenkommen. Was die Kunst dabei ge-
winnt, das ist ein öffentliches Geheimuiß. Und wer so
recht klar sehen will, wvhin das führt, der schaue nach
Nordamerika hinüber, bas seinen Bedarf in dieser Rich-
tung fast ausschließlich in Europa, zu cinem großen
Theile aber in München deckt. Die Künstlec mögen
sich dabei gut stehen; desto schlimmer stcht es dabei um
die Kunst.

Aber ich glaube auch noch aus einem anderen
Grunde an ein in nicht ferner Zeit cintretcndes Sinkeu
der Preise für Kunstwerke. Dem ausmerksameu Beobachtec
kann es nicht wohl entgehen, daß die höchsten Preise
vorwiegend für Werke geforderl und bezahlt werden,
welche dec modernen realistischen und naturalistischen
Richtung der Kunst huldigen. Haben wir oben geseheu,
daß die Kunst dem Luxus dient, so können wir uns hiec
unmöglich der Erkennlniß verschließen, daß die neueste
Kunstcichtung der augenblicklich herrschenden Ilode dient,
welche voc Aüem Effekte will und darum bas gcößte
Gewicht auf Farbe und flotte Technik legt. Schon aber
regt es sich in den der Kunst näher stehendeu Kreisen:
wenn vor ein paar Zahren noch nur Einzelne und auch
sie nur schüchtern ihrem Mißfallen an dieser Richtung
Ausdcuck gaben, so beklagen jetzt bereits Biele diese Ber-
irrung der Kunst, und es wird schwerlich allzulange
dauern, bis sie unter den Tonangcbenden wieder wie
früher in der Mehrzahl sich befinden. In ber Kunst
geht es abec wie in ber Pvlitik: einige Wenige nur sind
es, welche die Richtung bestimmen, uud die Menge,
mehr oder minder urtheillos, folgt ihnen. Die nolh-
wendigc Folge dieses llmschwunges ber öffentlichen Mei-
nung aber wird die sein, daß die Nachfrage nach Kunst-
werken der bezeichneten Ziichtung immer schwächer wirb,
oder mit anderen Worten, daß dieselben im Preise sinken.
Dann aber auch Wehe denen, die ihr Alles auf die
Eine Karte gesetzt haben: es mag für Künstler, welche
das Wesen der Kunst vocwiegenr im Gedanken zu sucheu
gewohnt sind, der in schöner Form zu Tage tritl, mit
großen Schwierigkeiten verbuuden sein, sich ausschließlich
auf die Mache zu werfen; umgekehrt aber dürftc es für
die meiften Künstler der modernen Nichtung eine Un-
möglichkeit sein, in ein paar Jahren das Ziel zu er-
reichen, das jene ihr ganzes Lebeu hinducch unverrückt

i-Kunstausstellung. 7^8

im Auge gehabt, ganz abgesehcn davon, daß in der letz-
ten Zeit ein blos mechanischeS Können zur Ausübung
der Kunst Bielen vollkommen zureicheud erschien.

Daß die realistische Richtung unseres Lebens und
unserer Kunst auch in bec Lvkal-Kunstausstellung ihren
lebendigen Ausdcuck findet, kann Niemandeu befcemden.
Zunächst macht sie sich in der nur ausnahmsweise vor-
kommendeu Bertretung Ler historischen Kunst geltenb.
Wie oft ich auch bie Ausstellung besuchte, ich fand nur
zwei oder brei in diese Kategorie einzureihende Bilder.
Dahiu gehören Franz Häußler's „Gretchen" aus
Goethe's „Faust" uud Jos. v. M 0 luür's „diebelschleier".
Beide behandeln einen der Romanlik entlehnten Stoff,
und Häußler behaudelt den seinen nicht ohne Glück.
Sein „Gretchen im Kerker" hat uichts von jener falschen
Eleganz, mit welcher sv viele Künstler es, ben Dichter
völlig mißverstehenb, ausstallen zu müsseu glauben, aber
vvn ver natürlichen Anmuih bes Mäbchens ist nach all
den Stürmen des letzteu Jahces noch genug übrig ge-
blieben, um sie begehrenswerth erscheiuen zu lasseu (Preis
500 fl.). Weniger glücklich war Mvluür. Läßt sich
dem Künstler auch bichlerische Begabuug keineswegs ab-
sprechen, so irrte er bvch in bec Durchsühcung seines
schöneu Gedankeus: Darstellung des abendlich über bie
Flur sich hinzieheuden Nebclschleiers durch jugenbliche,
dem Wassec entsteigende Mädchengestalten, inbem ec
Dameu auö dem Mobejvurual ihrer elegauten Toilette
eutkleibete, ohne die wideclichen Spucen ber Schnürbrust
zu beseitigen. Wüßke mau uicht, baß ber Künstlec uuter
uus lebte, man glaubte ein Prvbukl ber süßlichsten Pe-
riobe ber alten Düsselborfer Schule vor sich zu 'sehen
(Preis 2500 fl.).

Desto zahlreicher ist das Gcnre in seinen verschie-
deuen Zweigen verlreteii. Daß bie Genremaler ihre
Stosfe mit Borliebe beu ländlichcu uno umeren stäblischeu
Bolksklassen eniuehmeu, hat seiuen guleu Gcuub barin,
weil bei weniger vvu ber Kulcur bekeckten Natuceu alle
Gemüthsbewegungen mir größerer Lebhaftigkeit zur Au-
schauung treteu. Das kann freilich kein Recht daraus
geben, biesen Zweig des Genre fast ausschließlich zu
kuttivicen, wie es leider in unsecen Tageu geschieht, ob-
wohl gerade bie heutige Tracht dec besseren Stänbe sich
küustlecisch ebeusv gui vecwecchen läßt, wie der sein
fühlende Ramberg j,ene des vorigen Iahchuuberts zu
vecwecthen vecsteht. Freilich beoarf es zur Behanbluug
vou Sceuen auö dem Lebeu der höheren Stänbe eincr
feineren Iudivibualisiruug, als sie beu meisteic Küustlecu
zu Gebote stehr. Uub barum müsseu wir uus iu bec
Regel mit Bauernhochzeiteu, Kegelspiel, Rausereien unv
ähnlichen Alltäglichkeiteu absinven lassen, während reneu,
die nicht Dichkcr geuug sind, um sich selber anziehcndc
Situationeu zu schaffeu, einheimische und fremde Dichlec
übecreichen Stoff bieien.

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