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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Münchener Lokal-Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0380

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749

Münchencr Lokal-KunstanSstellimq.

7.99

Bon cmmuthiflrr Wirkung ist daS cin Bvtivbild
bckränzende „Bauermnädchcn im Kebirge" von Freies-
lebcn s709 fl.l, wenn es nuch an einer gewissen Ueber-
zierlichkeit leidct. Derber und darum packender crwcist
sich Ang. Müller's ebenfalls ländlichcn Lebenskreiscn
cntnommene „Werbnng" (850 fl.). G. Bethke licß
scinc Phantasie so im Stiche, das; er zum hundertmal
geschenen „Tischgcbct" (600 fl.) znrnckgriff, ohne ihm
einc ncue Seite abzugewinnen oder durch Vvrzüge der
Behandlung zu fesseln. Doppelt wohlthncnd wirken unter
solchen Umständen zwci größerc Bilder von L. v. Hagn's
bewährter Meisterhand: „EinSaal in Bersailles (1500 fl)
und „Im Garten von Vcrsailles" (1000 fl.), beide reich
und charakteristisch staffirt, wie wir cs von dicsem be-
rühmten Künstler gewohnt sind, dabei von der ihm eigen-
thümlichen feinen Harmonic der Farbe. „Das Zigeuner-
lagcr" von Theodor Pixis (3000 fl.) ist ein höchst
verdienstliches Werk sowohl in Bezug auf Komposition
als auf Zeichnung und Technik; doch scheint mir der
Künstler für den an sich einsachstcn Stoff ctwas zu bc-
deutende Maßverhältnisse gewählt zn haben. Caspar
Boßhardt, der früher ausschlicßlich historische Stoffe
behandeltc nnd sich dadurch einen geachtetcn Namen
machte, begegnen wir hier in scinem „Liebling" (850 fl.)
als Genremaler nnd haben allen Grund, uns dcssen zu
frcuen, denn es gereichk dcr Genremalerei nie zum Nach-
theile, wenn ein Historienmaler ausnahmswcise einmal
ihr sich zuwendck und, wie Boßhardt gethan, die Strenge
dcr Komposition und Zeichnung zu ihr mit herübcrnimmt.

H. Faust brachte ein meisterhaft modellirtcs, treff-
l lick, kolorirtes „Fraucn-Bildniß" auf'mattem Goldgrnnd,
eine Ncuerung, welche bekanntlich Makart bei seinen
phantastischen „Amvrctten" cinführte. Dic Anwendung
> auf das Porträt erhöht die Wirkung ganz außerordcnt-

^ lich, wenigstens da, wo der Künstlcr, wie hier, mit

, solcher Strcnge uud Einsachhcit zu Werke geht. Wc-

, nigcr kann ich dcsselben Künstlcrs „Still-Leben (400 fl.)

- und „Tränmcreien" (300 fl.) loben. Er zeigt sich in

^ bcidcn als ein Nachtrcter Makart's auf Pfaden, die dieser

i längst verlassen hat, nachdem es ihm klar geworben, daß

^ sic Jrrwcge gewesen. Er ahmt sein Borbild in der

^ Konzeption wie in der Kvmposition und Tcchnik anf eine

, Weise nach, wclche auf allc Selbständigkcit vcrzichtct

^ und ofsenbar als letztes Ziel seiner Wünsche das er-

^ scheinen läßt, mit Makart verwechselt zu werden. Wic

dieser es frühcr gethan, wirfl auch Faust mcnschliche
Gestalten mit hnnderterlei Dingen zusammen, deren Vor-
handensein an dicscm Ortc und zu dicser Zeit durch
y nichts crklärt wird; wie dicser gicbt er scincn Kindcrn
jenen widcrwärtig verlebtcn Zug um den Mnnd; wie
dicser gicbt er dcm Beschaucr in seincm Stoff ein un-
lösbares Räthsel auf und bringt ihn schließlich zur
Ueberzeugung, es handle sich cigentlich gar nicht um

einen bestimmten Gedanken, sondern bloß nm cin Ka-
leidoskop; wie Makart zeigt er uns endlich eine krank-
hafte Scheu vor farbigen Blumen und Lanbwerk, indem
er Oiosen, Tnlpen, Päouien und wie die Kinder dcr
Flora alle hcißen mögcn, nnr mit einem schmutzigen
Braun wicdcrgiebt, als ob Svnnc unb Regen dic frischcn
Farben gcbleicht, dic jedes gesunde Augc erfreuen. Faust
scheint Makart's letzte Arbeiten voll Lebenskraft und
Friscke noch nicht zu kcnnen, sonfl könnte er sich nnmög-
lich an der Nachahniung solcher innerlich kranker Schöpfun-
gen aus der Sturm- und Drangperiode des genialen
Meisters gefallen.

Hirth's „Pifferari" mögen als abschreckendcs Bei-
spicl dafür dicnen, wohin ein schöncs Talent gelangen
kann, wenn es die Natur durch die Brille einer fremden
Manier schaut. Hirth, dessen „Hopfenlese" zu dem
Besten gerechnet werden niuß, was hier im Genre ge-
leistet ward, und der. namentlich durch eine trefflichc
klare Farbc erfrente, der in der Behandlung des Hell-
diinkcls wcnige neben sich stehen hattc, cr hat sich nun
einer Richtung zugewendet, als deren Haupt-Repräsen-
tanten Hans Thoma und Trübner genannt werden
müssen: er vernachlässigt dic Zeichnung und gefällt sich
in cinem schmutzigen Graubraun, mit dem er die ganze
Lcinwand überzieht. Sondcrbar! Diese Maler behauptcn
allzcit uud allerorten, die Natur sei ihr alleinigcs Vor-
bild, und ihr zu Licbe hätteu sie nüt allcn Traditionen
brcchen müssen. Wo abcr können sie uns, nm Him-
melswillen, die Natur in so schmutziger Asphaltbrühe
zeigen? Als ruru uvm erscheint W. Mare's von
cingchendcm Studium der alten Benetiancr zeugendes
„Konzert" IOOO fl.). An des trefflichen Spitzwcg
harmlosen Humor erinnert Carl Neumann's „Ent-
flohencr Licbling" (350 fl.), ein Kanarienvögelchen, das
sein bisheriger Besitzer, auf das Dach eines Nebengc-
bäudcs klcttcrnd, wiedcr in den Käfig zu lockcn sncht.
Alex. Soldenhoff brackte eincn „Bcsuch im Kloster"
(1800 fl.). Das zicmlich umfangreiche Bild bietet in
Bezug anf Komposition wenig, mehr aber hiusichtlich der
Charakteristik dcr einzelnen Personen, und weist in Bezug
auf Technik darauf hin, daß der Künstler in Masaccio
nnd dessen Zcikgenvssen das Jdcal seines Strebens >icht.
Franz Streitt's „Rastcndes polnisches Zigeuner-
mädchcn" erweist sich schließlich nur als eine wackere
Studie, der man kein lebhaftcres Interesse abzugewinnen
vermag, wenn man auch gerne zugeben mag, daß die
Arbeit ihre Bcrdienstc hat. Ludw. Thiersch kultivirte
schon srüher das Genre und beschicktc nun die Lokal-
ausstellnng mit einem großen, für den Gegenstand viel-
leicht zu großen Bilde: „Unergründlich" (2000 fl.). Ein
junges Touristenpaar ist im Kahn auf einer Stelle des
Bergsce's angelangt, welchc als nncrgrünblich gilt. Die
junge Dame beugt sich uicht ohne Aengstlichkeit über
 
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