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Sammlungen und Ausstellungen. — Vermischte Nachrichten.
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znhl IN54 spnter aus der 4 eine b gemacht worden ist. Das
Petersburger Bild ist nicht nur farbloser als das Berliner,
sondern auch bei weitem oberflächlicher in der Charakteristik
der Figuren und völlig schmucklos in Bezug auf die Aus-
stattung des Gemachs. Die rechte Seite deS Bertiner Bildes
ist durch eine schwere goldbraune Portidre abgeschlossen, durch
welche Potiphar eben eingetreten zu sein scheint. Er trägt
einen Turban auf dem Kopfe und über der schmutziggelben
tllrkischen Kleidung einen Panzer und Ringelbeinlinge. Sein
von schivarzem Barte umrahmtes Antlitz ist lichtbraun, in
matter Färbung. Tcilnehmend legt er die Hand auf die
Lehne des mit purpurrotem Samt überzogenen Sessels,
auf welchem seine Frau sitzt, und hört aufmerksam der An-
klage zu, welche die scheinbar Entriistete gegen den Jsraeliten
erhebt, der jenseits des Bettes steht, welches dis beiden von
einander trennt. Zu den Fllßcn der Anklägerin liegt das
Beweisstück, der Mantel. Sie selbst ist mit einem pfirsich-
farbenen Kleide angethan, dessen unterer Sauni breit gesteppt
ist. Sie legt die Linke beteuernd auf den Busen, ist aber so
klug, den letzteren etwas zu enthüllen, um der Wirkung auf
ihren Mann dssto sicherer zu sein, und wsist mit der Rechten
in unbeschrciblich verächtlicher Geberde auf den Missethäter,
welcher mit schlotternden Knieen dasteht und den Blick zum
Himmel emporhebt, um seine Unschuld zu beteuern. Die
Angst, welche sich in seinen Zügen spiegelt, ist mit nicht ge-
ringerer Meisterschast zum Ausdruck gebracht, als die rasfinirte
Kokettcrie und die mit schauspielerischer Gewandtheit darge-
stellte Scheinheiligkeit in dem Antlitze der Frau, welche in der
Farbe, namentlich in dcm goldigen Tone, mit dem das ener-
gisch geschnittene, schon eine angehende Vierzigerin verratende
Gesicht llbergossen ist, an Tizian erinnert und nuch in der
ganzen Haltung ctwas stilvoll-italienisches an sich hat. Die
Hauptmasse des von oben rechts einfallenden Lichtes ergießt
sich auf die weiße Bettdecke, wclche gewissermaßen die Domi-
nants bildet, von welcher rechts und links die Tonmassen
allmählich inein durchsichtigesHelldunkel übergehen,bisderTon
an den äußersten Enden, dort wo der Rahmen anschließt,
krüftiger und schwerer wird, ohne jedoch von der Geschmeidig-
keit zir verlieren, welche den Gesamtton des trefflich erhalte-
nen Bildes kennzeichnet. DaS Spiel des Lichtes auf dem
weißen Betttuche ist von wundsrbarem Reize: das Licht
schmiegt sich förmlich in die Falten und um die Aufbauschungen
und hüllt das kalts Weiß in einen völlig warmen Ton. Der
Betthimmel ist von einem dunklen, blaugrünen Stoffe. Die
Hinterwand dss Bettes ist von vergoldetem Holz. Die Mal-
weise ist durchaus pastos: es sieht "alles aus wie nlla priinu
gemalt, und doch wird es, wie schon das Petersburger Bild
beweist, dieser außerordentlichen Schöpfung nicht an Vor-
studien gefehlt haben
Ltzst. Die Gabnel Max-Ausstcllung, welche von der
Fleischinannschen königl. Hof-Buch- und Kunsthandlung in
München im kvnigl. Odeon veranstaltet ivurde, enthält neben
nsun älteren und deshalb bekannteren Bildern auch des be-
rühmten Kllnstlers neuestes Werk, das er selber auf der
Leinwand als „Der Vivisektor" bezeichnet hat. Gabriel Max
nimmt damit Stellung in einer der msistbesprochenen Fragen
der modernen Wissenschaft und zwar gegen die Vivisektion.
Es muß das als ein gewagtes Unteriiehmen betrachtet werden,
denn der Kunst als solcher stehen keine zur Entscheidung
wissenschaftlicher Fragen geeigneten Mittel zu Gebote. Be-
teiligt sie sich gleichwohl ausnahmsweise an Tagesfragen
dieser oder ähnlicher Art, so lsistet ihr dabei die Zeich-
nung für den Holzschnitt weit bessere Dienste als ein voll-
ständig ausgefllhrtes Kunstwerk. Gabriel Max hat gleich-
wohl diesen Weg einschlagen zu miissen gsglaubt und hat es
zu seinem Nachteilc gethaii. Ein Kunstwerk wird zuvörderst
durch die Sinne aufgenommen und durch sie dem Verstaude
und Gemllte llbermittelt: es muß deshalb vor allem klar und
verständlich sein. Das kann nun von dem „Vivisektor" des
Professors Gabriel Max nicht gesagt werden; das Bild er-
scheint gewissermaßen nls ein gemalter Rebus, dessen Lösung
selbst der Reflexion nicht ganz leicht ist. Eine kurze Be-
schreibung des Bildes wird das darthun. Ein im Dienste
der Wissenschaft ergrauter Phpsiolog unserer Tage sitzt, das
Präparirmesser in der Hand, an seinem Präparirtischs und
wendet sich halb nach einer jugendlichen Frauengestalt in
idealer Gewandung und mit einern Lichtschsin um das Haupt
um, die sich an seinen Stuhl lehnt und ihn vorwurfsvollen
Blickes anschaut. Sie hält im rechten Arme ein in ein blut-
befleckteS Leinen gehülltes geknebeltes Hündchen und in der
linken Hand eine Wage. Die eine Wagschale ist tief herab-
gesunken und zeigt eiii flammendss goldenes Herz, auf dem
man drei konzentrische Ringe mit einem Mittelpunkte sieht,
der wie ein Diamant leuchtet. Jn der anderen, hoch empor-
geschnellten Wagschale liegt ein mit goldenem Lorbeer um-
wundenes, gleichfalls goldenes menschliches Gehirn. Man
irrt nun wohl nicht, wenn man die Frauengestalt für das
Mitleid oder die Humanität oder Barmherzigkeit hält und
annimint, sie habe dem Philosophen das Hündchen, das Ob-
jekt seiner neuestsn Studien, vom Präparirtische wegeska-
motirt und demonstrire ihm nun, ein in Mitleid flammendes
Herz wäge allen ruhmgekrönten Verstand auf. Die Kreise auf
dem goldenenHerzenzu enträtseln,ist bis heute noch niemandem
gelungsn. Abgesehen von dieser peinlichen Unklarheit der
Konzeption kann man nicht umhin, das Bild der Wage und
ihrer Einlagen banal und barock zugleich zu finden, wie man
sich auch kaum mit der Zusammenstellung einer allegori-
schen Figur mit einem modernen Gelehrten wird einverstan-
den erklären mögen. Und fiir diese Widersprllche können
auch die hohen Schönheiten der malerischen Behandlung nicht
entschädigen.
.V. U. Eine Sainmlung von Gemäl-cn ftanzösischcr Zm-
pressionisteii ist durch den Kunsthändler Fritz Gurlitt in seinem
Salon in Berlin (Behrenstraße 29) zur Schau gestellt worden
Wir finden in derselben nicht nur das Haupt der Schule,
den jüngst verstorbenen Manet mit einem Bilde vertreten,
welches die lebensgroßen Figuren einer Dame und ihres
Kindes auf dem Pont ds l'Europe darstellt, sondern auch
andere Figurenmaler, wie Renoir, Degas und BertheMo-
risot, sowie die Landschaftsmaler Claude Monet, E. Bou-
din, Sislep und Pissarro. Die beiden letzteren scheinen
uns die bedeutendsten zu sein, vielleicht weil sie unseren Em-
pfindungen am nächsten stehen und bei aller Flüchtigkeit der
Durchfllhrung eine gewisse Kraft der Stimmung nicht ver-
leugnen, freilich keine poetischs, sondern die brutale Krast der
Wahrheit, welchs den Jiiipressionisten das letzte und einzige
Ziel des Strebens ist. Sisley und Pissarro unterscheiden sich
übrigens nicht viel von Daubigny, der doch von den Fran-
zosen fiir einen ihrer stimmungsvollsten Landschaftsdichter
gehalten wird. Claude Monet ist der roheste von allen,
welcher seine, Landschaften mit breiten groben Pinselstrichen
ohne jeden Übergang ebenso empfindungslos aufmauert wie
Eduard Manet seine Figuren, in deren Bekleidung ein
schmutzigss Blau stets eine Hauptrolle spielt. Jm Gegensatz
zu der grobkörnigen Technik des letzteren behandelt Berthe
Morisot ihre Figuren wie farbige Visionen, die in unbestimm-
ten Umrissen und Farbentönen an dem Beschauer im Fluge
vorüberhuschen. Auch in dieser kleinen Schule giebt es also
schon Antipoden, die fich schroff gegenüberstehen. — Unter
den übrigen Gemälden der Gurlittschen Ausstellung, auf
welcher noch H. v. Angeli, G. Richter, F. Lenbach,
Gabriel Max, Kröner, Jossf Brandt, L. Gurlitt, H.
Kauffmann, Scherres, Lutteroth, Douzette u. a.
vertreten sind, ist das bedeutendste eine poetische Frühlings-
landschaft im florentinischen Charakter von Arnold Böcklin,
deren wunderbarer Farbenzaubcr in der Zusammenstimmung
der saftig grünen, blumigen Wiese mit dem tiefblauen Himmel,
dem Wasser und den Weißpappeln einen um so reineren
Genuß gewährt, als sich die wenigen Figuren in den Gren-
zen einer bescheidenen Staffage halten.
Vernnschte Nachrichten.
.4. lt. Ein Glasfcnster fiir -en Halbcrstädter Dom. Der
dünische Kammerherr von Oppen-Schilden hat zum Gedächt-
nis seines Vorfahren Matthias von Oppen, welcher im An-
fange des 17. Jahrhunderts Dechant des Halberstädter Doms
war, ein Glasfenster gestiftet, welches nach Zeichnungen des
Baumeisters Karl EliS im königlichen Jnstitut sür Glas-
malerei in Charlottenburg bei Berlin ausgeführt worden ist.
Da dassslbe seinen Platz an der südlichen Seite der Apsis
zwischen alten Glasfenstern des 15. Jahrhunderts erhalten
soll, hat sich Baumeister Elis in ssinen Entwürfen an den
gotischen Stil jener Zeit, insbesondere an die Holzschnitte
der ältesten Bibeln, gehalten. Er hat mit Glllck den naiven
Ton der Epoche getroffen. Nuf sechzehn Feldern sind eben-
Sammlungen und Ausstellungen. — Vermischte Nachrichten.
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znhl IN54 spnter aus der 4 eine b gemacht worden ist. Das
Petersburger Bild ist nicht nur farbloser als das Berliner,
sondern auch bei weitem oberflächlicher in der Charakteristik
der Figuren und völlig schmucklos in Bezug auf die Aus-
stattung des Gemachs. Die rechte Seite deS Bertiner Bildes
ist durch eine schwere goldbraune Portidre abgeschlossen, durch
welche Potiphar eben eingetreten zu sein scheint. Er trägt
einen Turban auf dem Kopfe und über der schmutziggelben
tllrkischen Kleidung einen Panzer und Ringelbeinlinge. Sein
von schivarzem Barte umrahmtes Antlitz ist lichtbraun, in
matter Färbung. Tcilnehmend legt er die Hand auf die
Lehne des mit purpurrotem Samt überzogenen Sessels,
auf welchem seine Frau sitzt, und hört aufmerksam der An-
klage zu, welche die scheinbar Entriistete gegen den Jsraeliten
erhebt, der jenseits des Bettes steht, welches dis beiden von
einander trennt. Zu den Fllßcn der Anklägerin liegt das
Beweisstück, der Mantel. Sie selbst ist mit einem pfirsich-
farbenen Kleide angethan, dessen unterer Sauni breit gesteppt
ist. Sie legt die Linke beteuernd auf den Busen, ist aber so
klug, den letzteren etwas zu enthüllen, um der Wirkung auf
ihren Mann dssto sicherer zu sein, und wsist mit der Rechten
in unbeschrciblich verächtlicher Geberde auf den Missethäter,
welcher mit schlotternden Knieen dasteht und den Blick zum
Himmel emporhebt, um seine Unschuld zu beteuern. Die
Angst, welche sich in seinen Zügen spiegelt, ist mit nicht ge-
ringerer Meisterschast zum Ausdruck gebracht, als die rasfinirte
Kokettcrie und die mit schauspielerischer Gewandtheit darge-
stellte Scheinheiligkeit in dem Antlitze der Frau, welche in der
Farbe, namentlich in dcm goldigen Tone, mit dem das ener-
gisch geschnittene, schon eine angehende Vierzigerin verratende
Gesicht llbergossen ist, an Tizian erinnert und nuch in der
ganzen Haltung ctwas stilvoll-italienisches an sich hat. Die
Hauptmasse des von oben rechts einfallenden Lichtes ergießt
sich auf die weiße Bettdecke, wclche gewissermaßen die Domi-
nants bildet, von welcher rechts und links die Tonmassen
allmählich inein durchsichtigesHelldunkel übergehen,bisderTon
an den äußersten Enden, dort wo der Rahmen anschließt,
krüftiger und schwerer wird, ohne jedoch von der Geschmeidig-
keit zir verlieren, welche den Gesamtton des trefflich erhalte-
nen Bildes kennzeichnet. DaS Spiel des Lichtes auf dem
weißen Betttuche ist von wundsrbarem Reize: das Licht
schmiegt sich förmlich in die Falten und um die Aufbauschungen
und hüllt das kalts Weiß in einen völlig warmen Ton. Der
Betthimmel ist von einem dunklen, blaugrünen Stoffe. Die
Hinterwand dss Bettes ist von vergoldetem Holz. Die Mal-
weise ist durchaus pastos: es sieht "alles aus wie nlla priinu
gemalt, und doch wird es, wie schon das Petersburger Bild
beweist, dieser außerordentlichen Schöpfung nicht an Vor-
studien gefehlt haben
Ltzst. Die Gabnel Max-Ausstcllung, welche von der
Fleischinannschen königl. Hof-Buch- und Kunsthandlung in
München im kvnigl. Odeon veranstaltet ivurde, enthält neben
nsun älteren und deshalb bekannteren Bildern auch des be-
rühmten Kllnstlers neuestes Werk, das er selber auf der
Leinwand als „Der Vivisektor" bezeichnet hat. Gabriel Max
nimmt damit Stellung in einer der msistbesprochenen Fragen
der modernen Wissenschaft und zwar gegen die Vivisektion.
Es muß das als ein gewagtes Unteriiehmen betrachtet werden,
denn der Kunst als solcher stehen keine zur Entscheidung
wissenschaftlicher Fragen geeigneten Mittel zu Gebote. Be-
teiligt sie sich gleichwohl ausnahmsweise an Tagesfragen
dieser oder ähnlicher Art, so lsistet ihr dabei die Zeich-
nung für den Holzschnitt weit bessere Dienste als ein voll-
ständig ausgefllhrtes Kunstwerk. Gabriel Max hat gleich-
wohl diesen Weg einschlagen zu miissen gsglaubt und hat es
zu seinem Nachteilc gethaii. Ein Kunstwerk wird zuvörderst
durch die Sinne aufgenommen und durch sie dem Verstaude
und Gemllte llbermittelt: es muß deshalb vor allem klar und
verständlich sein. Das kann nun von dem „Vivisektor" des
Professors Gabriel Max nicht gesagt werden; das Bild er-
scheint gewissermaßen nls ein gemalter Rebus, dessen Lösung
selbst der Reflexion nicht ganz leicht ist. Eine kurze Be-
schreibung des Bildes wird das darthun. Ein im Dienste
der Wissenschaft ergrauter Phpsiolog unserer Tage sitzt, das
Präparirmesser in der Hand, an seinem Präparirtischs und
wendet sich halb nach einer jugendlichen Frauengestalt in
idealer Gewandung und mit einern Lichtschsin um das Haupt
um, die sich an seinen Stuhl lehnt und ihn vorwurfsvollen
Blickes anschaut. Sie hält im rechten Arme ein in ein blut-
befleckteS Leinen gehülltes geknebeltes Hündchen und in der
linken Hand eine Wage. Die eine Wagschale ist tief herab-
gesunken und zeigt eiii flammendss goldenes Herz, auf dem
man drei konzentrische Ringe mit einem Mittelpunkte sieht,
der wie ein Diamant leuchtet. Jn der anderen, hoch empor-
geschnellten Wagschale liegt ein mit goldenem Lorbeer um-
wundenes, gleichfalls goldenes menschliches Gehirn. Man
irrt nun wohl nicht, wenn man die Frauengestalt für das
Mitleid oder die Humanität oder Barmherzigkeit hält und
annimint, sie habe dem Philosophen das Hündchen, das Ob-
jekt seiner neuestsn Studien, vom Präparirtische wegeska-
motirt und demonstrire ihm nun, ein in Mitleid flammendes
Herz wäge allen ruhmgekrönten Verstand auf. Die Kreise auf
dem goldenenHerzenzu enträtseln,ist bis heute noch niemandem
gelungsn. Abgesehen von dieser peinlichen Unklarheit der
Konzeption kann man nicht umhin, das Bild der Wage und
ihrer Einlagen banal und barock zugleich zu finden, wie man
sich auch kaum mit der Zusammenstellung einer allegori-
schen Figur mit einem modernen Gelehrten wird einverstan-
den erklären mögen. Und fiir diese Widersprllche können
auch die hohen Schönheiten der malerischen Behandlung nicht
entschädigen.
.V. U. Eine Sainmlung von Gemäl-cn ftanzösischcr Zm-
pressionisteii ist durch den Kunsthändler Fritz Gurlitt in seinem
Salon in Berlin (Behrenstraße 29) zur Schau gestellt worden
Wir finden in derselben nicht nur das Haupt der Schule,
den jüngst verstorbenen Manet mit einem Bilde vertreten,
welches die lebensgroßen Figuren einer Dame und ihres
Kindes auf dem Pont ds l'Europe darstellt, sondern auch
andere Figurenmaler, wie Renoir, Degas und BertheMo-
risot, sowie die Landschaftsmaler Claude Monet, E. Bou-
din, Sislep und Pissarro. Die beiden letzteren scheinen
uns die bedeutendsten zu sein, vielleicht weil sie unseren Em-
pfindungen am nächsten stehen und bei aller Flüchtigkeit der
Durchfllhrung eine gewisse Kraft der Stimmung nicht ver-
leugnen, freilich keine poetischs, sondern die brutale Krast der
Wahrheit, welchs den Jiiipressionisten das letzte und einzige
Ziel des Strebens ist. Sisley und Pissarro unterscheiden sich
übrigens nicht viel von Daubigny, der doch von den Fran-
zosen fiir einen ihrer stimmungsvollsten Landschaftsdichter
gehalten wird. Claude Monet ist der roheste von allen,
welcher seine, Landschaften mit breiten groben Pinselstrichen
ohne jeden Übergang ebenso empfindungslos aufmauert wie
Eduard Manet seine Figuren, in deren Bekleidung ein
schmutzigss Blau stets eine Hauptrolle spielt. Jm Gegensatz
zu der grobkörnigen Technik des letzteren behandelt Berthe
Morisot ihre Figuren wie farbige Visionen, die in unbestimm-
ten Umrissen und Farbentönen an dem Beschauer im Fluge
vorüberhuschen. Auch in dieser kleinen Schule giebt es also
schon Antipoden, die fich schroff gegenüberstehen. — Unter
den übrigen Gemälden der Gurlittschen Ausstellung, auf
welcher noch H. v. Angeli, G. Richter, F. Lenbach,
Gabriel Max, Kröner, Jossf Brandt, L. Gurlitt, H.
Kauffmann, Scherres, Lutteroth, Douzette u. a.
vertreten sind, ist das bedeutendste eine poetische Frühlings-
landschaft im florentinischen Charakter von Arnold Böcklin,
deren wunderbarer Farbenzaubcr in der Zusammenstimmung
der saftig grünen, blumigen Wiese mit dem tiefblauen Himmel,
dem Wasser und den Weißpappeln einen um so reineren
Genuß gewährt, als sich die wenigen Figuren in den Gren-
zen einer bescheidenen Staffage halten.
Vernnschte Nachrichten.
.4. lt. Ein Glasfcnster fiir -en Halbcrstädter Dom. Der
dünische Kammerherr von Oppen-Schilden hat zum Gedächt-
nis seines Vorfahren Matthias von Oppen, welcher im An-
fange des 17. Jahrhunderts Dechant des Halberstädter Doms
war, ein Glasfenster gestiftet, welches nach Zeichnungen des
Baumeisters Karl EliS im königlichen Jnstitut sür Glas-
malerei in Charlottenburg bei Berlin ausgeführt worden ist.
Da dassslbe seinen Platz an der südlichen Seite der Apsis
zwischen alten Glasfenstern des 15. Jahrhunderts erhalten
soll, hat sich Baumeister Elis in ssinen Entwürfen an den
gotischen Stil jener Zeit, insbesondere an die Holzschnitte
der ältesten Bibeln, gehalten. Er hat mit Glllck den naiven
Ton der Epoche getroffen. Nuf sechzehn Feldern sind eben-