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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Langl, J.: Die elektrische Ausstellung in Wien, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0046

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Die elektrische Ausstellung iu Wien.

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Riesenbaues, seine architektonische Wirkung in voller
Macht zur Geltuug. Zur dekorativen Ausstattung wurde
nicht viel hinzugethan, und ganz mit Recht. Die
Niesenfontäne, init Griin umgeben, gab dem reich be-
lebten Bilde ein pastendes Centrum. Jn Nord und
SUd erhoben sich die Pavillons des französischen und
vstcrreichischen Ministeriums des Handels, nnd hinter
letzterein, iin südlichen Kreuztransept, der Kaiserpavillon.
Dic mannigfachen Ausstellungen der letzten Jahre haben
den Architekten reichlichst Gelegenheit geboten, sich in
dieser „Jnstallations-Architektur" einzuschulen und vor
allcm das Malerische niit deni Zweckmäßigen zu ver-
binden. Es tritt auch hie und da allmählich schon
ganz Treffliches zu Tage, und zum Lobe der Wiener
Architekten sei es gesagt, daß sie hierin den Münchenern
um Meilenlängen voranstehen, wenngleich auch hier
bei den divcrsen Schöpfungen nicht immer die Grazien
Patenstelle versahen. Dies gilt auch für manches auf
der elektrischen Ausstellung, und die Arbeiten des
Architekten Decsey: die österreichischen Pavillons, die
Jnstallations-Architektur der Jnterieurs und - des
Theaters, sind von dieseni Vorwurfe nicht freizusprechen.
Die beliebte „Deutsche Renaissance", wenn dieser Stil
schon so geheißen sein muß, tritt zuweilen mit Ele-
fantenfüßen in die heitere Gegenwart, die denn doch
auch aus anderen Quellen ihre Ausdrucksmittel zu
schöpfen hat.

Wir denkeu uns von der Fontäne weg in dem
Menschengewtthl gegen den östlichen Flügel geschoben,
stoßeu wvhl hie und da au diverse olhmpische Herrcn
und Damen aus Terrakotta, die — vvm Komits bar-
barisch genug — hier Postamentlos ihr gebrechliches
Dasein fristen müssen, erreichen aber glücklich den Quer-
transept und stehen vor dem orientalischen Pavillon.
Das schmucke Bauwerk ist als ein kleines Meisterstuck
des Architekten Hieser zu bezeichnen und enthält als
Bazar eine Ausstellung von orientalischen Stoffen,
Geräten, Waffen rc. der Firma Weidmann. Das
Änßere ahmt in dem vielwinkeligen Grundriß und dem
malerischen Aufbau eine ägyptisch-arabische Villa nach.
Palmblattwerk und Schilf bildet teilweise die Be-
dachung des luftigen Heims, dessen Eingänge ausge-
spreizte Teppiche beschatten, um den Vorübergehenden
zum Besuche des Jnnern einzuladen. Da ist nebenan
der malerische Winkel für den Wächter, vergitterte oder
mit Glasmvsaik verzicrte Fenster schmücken die Wände,
nnd vben in einem reizvollen Friesornamente lesen wir,
wenn auch nicht in arabischen Schriftzügen, die Firma
des Bazarinhabers. Wir betreten die Vorhalle und
werfeu einen Blick in das mit Glühlichtern märchen-
haft erhellte Jnnere. Es ist ein ganz entzückender
Anblick, diesen farben- und formenreichen Trödel, dessen
Kostbarkeit der Liebhaber zu schätzen weiß, in so male-

rischen Gruppen vor sich zu sehen. Das Goldlicht
der Maximglühlampe war hier von ganz bestrickender
Wirkung. Nur schade, daß dem kvstlichen Bilde die
entsprechende lebende Staffage fehlte! — Doch weiter:
Reminiscenzeu an den Orient werden uns auf unserem
Spaziergange noch häufig begegnen. Es ist für die
Formengärung der Gegenwart charakteristisch, daß
inmitten der Schwankungen der Renaisiance, die sich
unentschieden bald den schweren, ernsten älteren Formen,
bald dem ausgelassenen Rococo zuneigt, im Textilen
sich der Orient mit einer gewisien Entschiedenheit vor-
drängt. Orientalische Teppiche allüberall; sogar an den
Pforten des Rococosalons fiuden wir sie schon. Die
Kunstdiplomaten werden in nächster Zukunft diese
Orientsrage wohl in Betracht zu ziehen haben: wie
weit denn dem mathematischen Linienspiel mauresker
Formen in dem gezähmten Rococo Zulaß zu ge-
währen ist.

Die Ausstellung der Jnterieurs, in der unsere
ersten Firmen vor das Glühlicht getreten waren, zeigte
mannigfnch Beherzigenswertes, wenngleich — und dies
sei im vornherein gesagt — besonders Neues oder
Originellcs unter dem Gebotenen nicht vorhanden war.
Die Wiener Möbelkünstler und Dekorateure ruhen auf
ihren Lorbeeren, die sie in den letzten Jahren im raschen
Flug crrungen; es ist in dem Schwunge der Phantasie
eine Stauung eingetreten; dafllr aber hat sich die
Technik mehr und mehr gefestigt. Das harmonische
Jneinandergreifcn der verschiedencn Kunstgewerbe, die
Solidität der Arbeit uud vor allem die geschmack-
volle Detailbildung sind im steten Fortschritt begriffen.
Wir sehen darin den deutlichen Einfluß unserer Kunst-
schulen, der künstlerischen Publikationen und der wieder-
kehrendeu Ausstellungen. Obschon der Zweck dieser
Ausstellung nur darin lag, in verschieden dekorirteu
Jnterieurs die »euen Belenchtungsarten vorzusühren,
so erhoben sich diese in ihrcr sorgfältigen Ausstattung
doch weit llber eine bloße Gelegenheitsdekoration. Gleich
zu Anfang begcguete uns ein reizvoll arrangirter
Rococosalon von der Firma Bernhard Ludwig, fein
in der Gesamtstimmung und bei aller Heiterkeit der
Formen edel gehalten. Nur machte sich gleich hier ein
Punkt in der Beleuchtung geltend, der nvch öfter in
der fortlaufenden Galerie wiederkehrte, nämlich, daß
der Raum geradezu peinlich hell erleuchtet War. Das
Auge fand keincn Schatten, keinen kühlen Punkt im
ganzen Raum; alles schwamm körperlos in der Glut
der Swanlampen — wohl zum Beifall der Menge,
die das neue Licht zu bewundern kam, eine künstlerisch
abgetonte Beleuchtung aber war das nicht. Än dem
Prachtsalon von Portois L Fix, im Stile Lud-
wigs XIV., war die Beleuchtung mit Edisons Glüh-
lampen etwas gedämpfter, die Gefamtwirkung war auch
 
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