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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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173

Nekrologe. — Todesfttlle. — Kunsthistorischcs

174

von 1882. — An der Hand der alten Schriftsteller, wie der
erhaltenen Farbenspuren an den Denkniülern selbst, gelangt
der keineswegs rein kompilatorisch arbeitende Vsrfasser zu dem
Schluß, datz Franz Kugler in seiner bereits 1835 erschienenen
Schrift „Die Polychromie der griechischen Architektur und
Skulptur und ihre Grenzen" in iiberraschender und gewisser-
maßen vorahnender Weise das Richtige getrosfen hat, daß
nämlich an den griechischen Skulpturen das Fleisch stets farb-
los geblieben und nur das Beiwerk, die Haare, die Augen-
brauen, die Gewandung, bemalt gewesen seien. Ohne sich
hier auf Einzelheitsn einlassen zu können, glaubt Referent
doch seinen hinsichtlich der Farblosigkeit des Fleisches ab-
weichendsn Standpunkt hervorheben zu sollen, und bemerkt
nur, daß der Verfasser die notorische Bemalung der Augen
nicht genügend beachtet und die kunstgeschichtliche Bedeutung
der reizenden Tanagrafiguren wohl unterschätzt. Böcklers un-
angsnehme Angewohnheit, häufig wörtliche Citate in seine
Darstellung aufzunehmen, führt leicht zu Mißverständnissen
(z. B. S. 16, betreffs der „neuesten" Restauration der
Diana rc.). — Abgesehen jedoch von alledem ist der fleitzigen
Arbeit ein aufinerksamer und großer Leserkreis zu wünschen,
damit die leider noch immer beträchtlichs Schar der Gegner
der Polychromie mehr und mshr schwinde.

Hmiiann Ehrcnberg.

0.1!. Neue Photographien von Braun L- Eo. in Dornach.
Die Ausstellung von Gemälden älterer Meister im Privat-
besitz, welche anfangs dieses Jahrss zur Feier der silbernen
Hochzeit desKronprinzen inBerlin veranstaltet war, hat seiner-
zeit gerechtfertigtes Aussehen erregt. Wie wenige Kunst-
sreunde hatten vorher auch nur eine Ahnung von'dem Vor-
handensein vieler damals vor die Öfsentlichkeit tretenden
Kunstwerke! Jn erster Linie überraschte die prächtige Ssrie
von Gemälden der französischen Schule des vorigen Jahr-
hunderts, eines Watteau, Lancret, Pater, Chardin u. a.,
meist aus dem Besitz S. Maj. des Kaisers. Kurz vorher
hatte ein hochgebildeter französischer Kenner diese Werke
seiner Landsleute in den verschiedenen Schlössern in und um
Berlin aufgesucht, und die Übsrraschung über dieAnzahl,
Schönheit und Erhaltung derselben veranlaßte ihn zu der
Äußerung an den Schreiber dieser Zeilen: „Wenn wir Fran-
zosen unsere großen Meister des Rococo studiren wollen,
müssen wir sis in Berlin aufsuchen!" Aber nicht jedem und
nicht zu jeder Zeit ist es möglich, die Originale in den Privat-
gemächern von Sanssouci, im Neuen Palais, im Schlosse zu
Berlin, oder in den Salons anderer Sammler zu besichtigen:
da dürfen wir die neue Publikation Ad. Brauns"» nur mit
Freude begrüßen, welche so wichtiges kunstgeschichtliches
Material wenigstens in trefflichen Rsproduktionen allen und
immer zugänglich macht. Nur 77 Nummern zählt der Kata-
log, aber darunter eine Anzahl Werke allerersten Ranges.
Neben trefflichen Niederländern nicht weniger als 37 Ge-
mälde französischer Meister, unter denen wieder Watteau,
Lancret und Pater vor allem unsere Aufmerksamkeit auf sich
lenken. Nur wenige dieser schönen Bilder sind jemals durch
den Stich vervielfältigt worden, und auch die Blättcr, die wir
von Tardieu, Aveline, Chereau u. a. besitzen, könnsn in
keiner Weise darauf Anspruch erheben, den eigentümlichen
Reiz der Originale wiederzugeben, während das vervoll-
koinmnete Braunsche Verfahren diesen zarten Tönen in über-
raschender Weise gerecht wird. So wird diese neue Publi-
kation nicht allein dsm Kunstforscher willkommne Belehrung,
sondern auch den jetzt gerade so zahlreichen Freunden des
Rococo erfreuliche anregende Gaben bringen.

Nekrologe.

6. v. 1?. Aimö Perrey, einer der trefflichsten frauzösischen
Bildhauer auf dem Felde der religiösen Skulptur, ist in seiner
Heimat Ponte-de-Roide (Doubs), wohin er sich in den letzten
Jahren zuriickgezogen hatte, am 24. Novembsr gestorben. Sein
gelungenstes Werk sind die Portalskulpturen an der von
Lassus in frühgotischem Stil erbauten Kirche St. Jean Bap-
tiste in der Vorstadt Belleville. Andere Statuen seiner Hand

') Ausstellung von Gemälden älterer Bceister irn Privatbesitz .... heraus-
gegeben in uuveränderlichern Kohlendruck von Ad. Braun u. Co. Dornach,
1883. (77 Blatt zu 620 Mk; einzeln zu 12 und 6 Mk.)

sind eine heil Martha in der Kirche St. Augustin und eine
polychromirte Statue des heil. Paulus iu der Ste. Chapelle.

Todesfälle.

Der Archäologe Franyois Lenormaiit ist am 16. Dez.
in Paris im 48. Lebensjahre gestorben.

Aunsthistorisches.

.1. L. Bei den Ausgrabungen auf dem Forum Romanum
wurde am 16. November ein viertes Marmorpostament ge-
funden, welches ebcnfalls zu Ehren einer Vestalin gesetzt
war. Nach der Ansicht der Archäologen löst dis Stelle, an
welcher dasselbe am Eingange des Tablinum entdeckt wurde,
jeden Zweifel darüber, daß man es in der That mit dem
Wohnhause der Vestalinnen zu thun hat. Jn der Jnschrift
dieses vierten Postamentes ist wiederum dieselbe Flavia
Publicia genannt, welche schon in einer der Jnschriften der
jüngst entdeckten drei Postamente vorkommt. Beide stammen
aus dem dritten Jahrhundert n. Chr. An dsmselben Tage,
dem 16. Nov, fand mnn auch noch einige Bruchstücke von einer
Vestaliiinenstatue. Der Archttolog Nlarucchi, wslcher obige
Notizen publizirte, ist der Ansicht, daß das jetzt entdeckte
Haus der Vestalinnen nicht das von Horaz und Ovid er-
wähnte sei, sondern später unter Septimius Severus auf der
Stelle der früheren Ü.SKiri pontiüeis, welche 191 n. Chr.
niederbrannte, errichtet wurde.

Eine römische Billa ist in Berkshire (England) durch
den Altertumsforscher James Parker aus Oxford ausgegraben
worden. Dieselbe befindet sich auf einem Ackerfelde in Fril-
ford, unweit Abingdon und besteht aus acht oder zehn Ge-
mächern, deren größtes eiiien Flächeninhalt von etwa 186
Quadratfuß hat. Jm südöstlichen Tsile des Hauses ist die
unterirdische Heizanlage (Hypokauston) entdeckt wordsn.

üv. Zcichnungen von Greuze. An der Akadeniie der
schönen Kllnste zu St. Petersburg hat man jüngst in 88 Hand -
zeichnungen von Greuze einen wertvollen Fund gemacht.
Sie waren vor länger denn einem halben Jahrhundert von
dem Grafen Stroganoff, damaligen Präsidentsn der Anstalt,
angekauft und dieser zum Geschenk gemacht worden, in deren
Bibliothek sie seither vergessen ruhten. Der jetzige Protektor
der Akademie, Großsürst Wladimir, hat die Mittel zur Ver-
vielfältigung des kostbaren Fundes aus seiner Privatchatouille
angewiesen.

Pz-. Der erste Gedanke zur Madonna di Terranuova.

Mr. W. Reid, der frühere Kouservator des Kupferstichkabi-
nets am Britischen Museum, hat jüngst unter einer Anzahl
Handzeichnungen aus dem Besitz des Herzogs von Devonshire
eine Federzeichnung von Perugino aufgefunden, die
sich sofort als erste Ideezu Raffaels Madonna di Terra-
nuova im Museum von Berlin und zugleich als Vorstufe
der Skizze dazu ebendort zu erkennen giebt. Die Ähnlichkeit
der beiden Heiligen (bez. des Heiligen und Engels der Ber-
liner Zeichnung) ist in beiden Skizzen in die Augen fallend,
nur die Kopfhaltung des älteren Heiligen eine verschiedene.
Die Madonna trägt in dem iieuaufgefundenen Blatte keinen
Schleier, das Kind sitzt aufrecht in ihrem Schoß, die Beine
nach links hin gewendet. Die Figur des kleinen Johannes
fehlt ganz. Die Zeichnung ist etwas roh und flüchtig, ins-
besondere das Kind von häßlichem Gesichtsausdruck. Die
Rückseite des Blattes trägt sehr verblaßte, teilweise ganz ver-
löschte schriftliche Aufzeichnungen; bis jetzt gelang es nur, da-
von das Datum „12 Ottodrs (oder i^ovsinbrs) 1499" und
die Unterschrift „b'y blß'lio, 1?iien2s" zu entziffern, wornach
Mr. Reid in dem Schreiben einen Brief Franc. Vanucci's,
eines der drei Söhne Perugino's, an seinen Vater vermutet.
Soviel steht fest, daß der erste Gedanke zu Raffaels Madonna
di Terranuova seinem Lehrer Peruqino anqehört.

(^eacksiiiz-.)

6. v. 1?. An der Maricnkirche zu Geislingcn in Württem-
berg ist unlängst im Bogenfeld des südlichen Portals ein
mittelalt erliches Wandgemälde aufgedeckt werden, das
die Krönung Mariä darstellt. Der thronende Heiland em-
pfängt die vor ihm knieende Gottesmutter, über der zwei
Engel eine Krone halten. Hinter Maria links sind zwei,
hinter Christus rechts drei betende Engel sichtbar; den Hinter-
grund bildet eine dreischifsige gotische Kirche. Am unteren
 
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