Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

DOI Artikel:
Raffael als Architekt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0206

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
407

Raffael als Architskt.

408

wir noch keine zusammenhängende litterarische Dar-
stellung. Was Bnrckhardt darüber giebt, sind eigent-
lich nur Kapiteliiberschriften mit einzelnen, wie immcr
geistvollen Winken, in welcher Richtung weiter zu
fvrschen wärc. Das reichste Material, lvcnigstenö für
Rom, findet sich bei MUntz: Iw8 art8 ü ia eonr äss
paxss. Aber schon aus Vasari's Berichten crfahrcn
wir, daß der Zugang zur Architektur von allen anderen
Künsten her vollkommen offen stand, von der Malerei,
Skulptur, Holzschnitzerei ein leichter und natürlicher
Übergang zur Architektur gefunden wurde. Unter diesen
Umständen erscheint die Beschränkung der Thätigkeit
der großen Architekten auf die Entwürfe von Skizzen,
Plänen und Aufrissen, auf die Angabe der Maße und
Verhältnisse und weiter die Übertragung der Detail-
ausführung auf die technisch geschulten Kräfte der
Werkmeister und Steinmetzen begreiflich. Diese An-
deutungen erschienen notwendig, um die Zurückhaltung
Geymüllers zu rechtfertigen, mit welcher er die Jugend-
entwickelung Naffaels erzählt. Sie wirkt überaus wohl-
thpend, wenn man sie mit der in nnseren Tagen wieder
versuchten Mythenbildung gerade für diese Periode
ves Lebens Raffaels vergleicht.

Geymüller legt ein großes Gewicht auf dcn Palast
von Urbino, welchen Raffael während seiner Jugend
stets vor Augen hatte und dessen Fornien sich, wie
einzelne Skizzen darthun, tief seiner Phantasie ein-
prägten. Das ist der einzige feste Punkt in Raffaels
Jugendbildung, soweit sich diese auf die Baukunst be-
zieht. Während seines Aufenthaltes in Perugino's
Werkstätte trieb er offenbar eifrig perspektivische Studien
und lernte innere Räume wie Fassaden, wie sie der
Mnler zum Schmucke der Hintergründe brauchte,
disponiren. Mit wclcheni Erfolge, sagen uns die Pre-
dellen der Berkündigung nnd Darstellung im Tempel
und das Sposalizio. An den prächtigen Bau in dem
letzteren Gemälde knüpften einzelne Schriftsteller die
Behauptung, daß sich hier bereits Bramante's Ein-
flnß offenbare; sie erfindcn wohl gar eine Zu-
sammenkunft Raffaels mit Bramante, als sich dieser
von Mailand nach Nom begab, tvas nach Vasari aber
schon im Jahre lSOO geschah. Geymüller weist mit
Recht diese Annahmen zurück und legt überzeugend
dar, daß es zur Erklärung des von Raffael gewählten
Bautypns gar nicht der Vernnttelung Bramante's be-
dürfe. Die Vorliebe für rnndc und polygvnale Kuppel-
banten teilte er mit vielen Malern am Ausgange des
Quattrocento.

Vergebens forscht man nach der weiteren Ent-
wickelung der Baukenntnisse Raffaels während seines
Florentiner Anfenthaltes. Gerade diese Jahre bleiben
völlig stumni. Selbst das Stndium der Raffaelischen
Bilder aus der Flvrpntiner Periode gewährt keine Aus-

beute, da sie im Gegensatze zu den srllheren Werken der
architektonischen Hintergrllnde entbehren. Um so über-
raschender wirkt die Kunde, daß Raffael, kaum daß er dcn
römischen Boden betreten, auch sofort eine ausgedehntc
Thätigkeit als Baumeister entfaltet. Den früher ziemlich
allgemein geteilten Glauben, erst mehrere Jahre un-
unterbrochenen, intimen Umgangcs mit Bramante
hätten Raffaels Fähigkeiten geweckt nnd ihm allmählich
die Meisterschaft auch als Architekt verschafft, weist Gey-
müller entschieden zurück. Die engen Beziehungen zu
Bramante leugnet er natürlich nicht, aber schon in dem
ersten Jahre seines rvmischen Aufenthaltes hat er sich
in Bramante's Stil vollkommen eingelebt und auch
die Kraft erworben, denselben praktisch mit einer ge-
gewissen Selbständigkeit anzuwenden. Jn das Jahr
1509 fällt der Bau der Kirche S. Eligio degli Ore-
fici in der Strada Julia.

Die Schöpfung dieser kleinen, im griechischen
Kreuz angelegten, mit einer Kuppel gekrönten Kirche
auf Raffael zurückznführen, dazu giebt das Recht eine
Zeichnung des Grundrifses von der Hand des Sallu-
stio Peruzzi, in welcher es ausdrücklich heißt: oxsra
cki Rs.ll'asllo äa Urdino. Für die Knppelform dürftc
nach Geymüllers Ansicht Raffael die Zeichnung einer
Bramante'schen Nebenkuppel an S. Peter benützt haben.
Daß der Bau l509 begonnen wurde und daß
ferner der Entwurf von Raffael herrührt, läßt sich
nicht füglich in Zweifel stellen; da aber in Urkunden
aus dem Jahre l5l4 von baulichen Änderungen ge-
sprochen wird, so wurde die Ansicht laut, Raffaels
Entwurf könnte sich auf diesen späteren Umbau be-
ziehen. Geymüller bestreitet aber diese Meinung nnd
findet um so weniger Anlaß, von seiner Datirung ab-
zugehen, als ja nach seiner Behauptung auch der Ban
der Farnesina dnrch Raffael in dasselbe Jahr 1509
fällt. Die Grllnde, welche er dafür anführt und durch
welche er die gangbare Ansicht von Peruzzi's Urhebcr-
'schaft zu widerlegen glaubt, sind folgende. Von den drei
Bauten, welche Agvstino Chigi in seinem Garten vor der
Pvrta Settimiana aufführen ließ, sind die Ställe nach
Vasari's Zeugnis von Raffael entworfen worden.
Rasfael wird vvn vielen auch als Erbauer der kleinen
Loggin, des sog. „Cosfee-House" in der Farnesina an-
gesehen. Alle drei Bauten zeigen denselben Stil und
gehen auf denselben Künstler zurück. Auch die andere
Stistung Agostino Chigi's, die Kapelle in S. M. del
Popolo, ist ein Werk Raffaels, dieser also von Chigi
mit Vorliebe als Architekt verwendet worden. End-
lich prägt sich in der Farnesina entschieden der Stil
Naffaels aus. „I-o stilo äslla talidrios. ö proprio
rs.llasIIe8oo. ^

Die Argumente zu gunsten Raffaels sind nicht
alle von gleichem Gewichke. Durchschlagend wäre der
 
Annotationen