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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0266

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527

Korrespondenz aus Düsseldorf.

528

Auch die Ausstellung Ler großeu Kreuzigung, welche
E. von Gebhardt vor kurzem vollendet hat, war in
würdiger Weise doch nur in der Kunsthalle möglich.
Das Bild, in lebensgroßen Dimensionen, ist für eine
Kirche in Narwa bestellt und erhält seine Umrahmung
uud dem entsprechend auch sein schmales, hohes, oben
im Rundbogen abschließendes Format von monumen-
taler Architektur. Trotz der Beeinträchtigung, welche dic
Ausstellung der rahmenlosen tleinwand bediugte, war
der Eindruck des Werkes ein mächtiger. Der Aleister
hat sich im wescntlichen an die Komposition seines
Bildes in der Kunsthalle zu Hamburg gehalten. Ein-
greifende Änderungen waren nur durch das schmale
Format uud die Konzentrirung geboten. Jm Mittel-
grunde rechts vom Kreuze des Erlösers sieht man
zwei Krieger, über den Vorgang die Meinung tauschend.
Die Landschaft eröffnet zwischen Gebiischen rechts und
links den weiten Ausblick in die vom Flusse durch-
strömte Thalebene.

Zunächst erwcist das nene Werk, wic innerlich
grvß das ältere Vvrbild in Hambnrg gedacht und
empfunden war, denn es hat sich der einfach rüum-
tichen Dehnung gewachsen gczeigt. Aber es nimmt
gleichzeitig in der Entwickelung des Meisters eine mar-
kirte Stelle dadurch ein, daß es ihn den Schwung
seiner Kräste bei rücksichtslosem, lcdiglich auf die
Wirkung im ganzen gerichteten Vorgehen kenneu lehrte.
Dem Austrag entsprechend, ist das Kolossalbild in
wenigen Monaten vollendet worden; cin großer Teil
seiner Stärke war dadurch bedungen. Da gab es keine
Zeit zu zweifeln, und so erscheint auch in der Arbeit
kein Schwanken, nichts Gequältes, keine Velleität. Frei-
lich wächst bei der Dehuung auch das Herbe im Aus-
druck bis zum höchsten Maß. Die Mutter Gottes
wird vielleicht manchem Beschauer nicht so von innen
heraus bewegt erscheinen, wie sie der Künstler empfand.
Auf das Votk — und für dieses ist ja das ^Werk be-
stimmt — wird sie ihre Wirkung so wenig verfehlen,
wie das Leidensbild des Erlösers — ein Akt von un-
vergleichlicher Meisterschaft. Wie weit Gebhardt in
seiuen künstlerischen Schlußfolgerungen geht, mvge
daraus erhetlen, daß die Tasel am Kreuze des Heilandes
esthnische Sprache zeigt, und daß über dem Haupte
Les bösen Schächers Ler Älame eines bekannten eslh-
nischen Straßenräubers — für seine Landsleute — zu
lesen ist.

Für die städtische Gemäldesammlung ist nach
längerer Pause eine glückliche Erwerbung in dem Bilde
von Brütt „Verurteilt" gemacht worden. Jn dem
Gerichtssaal, einem großräumigen hohen Barockinterieur
mit Pilasterstellungen, dessen dem Beschauer voll zu-
gewaudte Lüngswand mit einem alten reflektirenven
Ölbilde im Stile des 17. Jahrhunderts geschmückt ist,

sieht man, uach beendigter Gerichtsverhandlung, links
den Vorsitzenden mit Barett und Talar am Richter-
tische, den die Beisitzer verlassen haben. Er stützt das
Kinn in die Hand und scheint mit seinem sanguinisch
intelligenten Gesichte teilnahmlos in den leeren Saat
zu schauen, faßt indes wohl Lie unglückliche, jugcnd-
liche Verbrecherin ins Auge, Lie in den Anklageschranken
weinend zusammengesunken ist, so daß man von ihrem
Gesichte nichts sieht. Dem Schließer rechts fehlt offeu-
bar der Mut, das unglückliche, der Teilnahme wür-
dige Geschöpf zur Rückkchr in die Zelle zn mahuen.
Links am unteren Ende des Richtertisches empfangen
die Zeugen in glücklicher Charakteristik roher Teil-
nahmlosigkeit ihre Gebühren, während im Hintergrnnde
der alten verzweifelnden Mutter vom Berteidiger Trost
zugesprochen wird. — Das ist alles nicht eben neu uud
braucht auch gar nicht nen zu sein. Aber bei ge-
schlossenem, knapperem Ausdruck der Empfindung, als
sie der stets interessante Künstler in früheren Werken
zeigt, hat er vor allem ein Bild im engen künstleri-
schen Sinne des Wortes zustande gebracht. Das Ganze
ist durchaus malerisch gedacht und in dieser An-
schauung auch produzirt. Nur durch zwei leuchtende
Flecke wird der große Zug der Lunkeln Masse unter-
brochen. Die Wirkung ist ticf durch rein kvloristischc
Qualitäten.

Die Kvukurreuz der Kunsthalle sporut die Privat-
aussteilungen zu gesteigerter Thätigkeit an. Schulte's
Salvu leistet alles uur Denkbare und kann mit vvllem
Rechte eiu internationaler genannt werden. Frauzosen
und Italiencr wechseln mit Düsseldvrferu und dcn
Vertretern vaterländischer Kunst aus' ganz Deutschland
und Österreich. Schwerlich dürfte mau sich in Dllssel-
dorf eines ähnlichen Eindruckes erinnern, wie ihn „Die
beiden Schwestern" vvn Giron hervorgerufen habeu.
Fllr einen Nichtkünstter ist es wirklich eine wohlthueude
Wahrnehmung, endlich eiumal eine große Künstler-
schaft in ihrem Urteil über ein Kunstwerk eiuig zu
sehen. Hier war Lie sonst oft behauptete Einigkeit in
der That kein Schein, deun die vereiuzelten Stimmen,
welche Len Verbrauch der Leinwand bedauerteu, kamen
dieses Mal weder quali- noch quantitativ in Betracht.
Aber auch darllber wurde eine starke Majorität erzielt,
daß das Bild mit seinen Dimensionen stehe und falte.
Was in diesem Werke hauptsächlich Wirkung thut, dic
grvße Einfachheit des beneidenswerten Könnens, kann
freilich im wesenttichen nur von Künstlern gefaßt
werden.

Bei Ler Zweimillionenfrage im preußischen Ab-
gevrdnetenhause sind viele trefftiche Gesichtspunkte der
Erörterung unterzogen worden, aber keiner dachte
daran, wie wünschenswert dispvnible Fonds in der
Haud uuserer sachkuudigen Staatsleitung tvären, um
 
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