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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Ehrenberg, Hermann: Die Marienburg und ihre Wiederherstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0338

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671

Die Marienburg und ihre Wiederherstellung.

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so wurde die bisher für dessen Ausbau aufgewandte
Summe im Jahreshaushalt auf die Marienburg über-
tragen, und so wird nun seit Jahren wieder
eifrig an dem ehrwürdigen Gemäuer gearbeitet. Frei-
lich kaun der Staat die Kosten nicht allein tragen, die
Privatuntcrstütznng muß hier in durchgreifendstem
Maße zu Hilse kommen; dcn Plan, den man hierfür
aufgestelltz daß nämlich der Staat das Gebäude als
solches, das Mauerwerk und die Gewölbe rc. wieder
ausführt, die Privaten dagegen für die innere Aus-
schmückung zu sorgen haben, wird gewiß allseitige
Billigung finden. Es, ist darum Pflicht eines jedcn,
Ler entweder an Ort und Stelle sich an der edlen
Schönheit dieses Schlosses erfreut hat, oder dnrch Ab-
bildungen in genügendem Maße über dasselbe unter-
richtet ist, für die möglichste Verbreitung dieser Jdee im
Volke zu wirken. Jm Grunde kein Freund von Lotterien,
glaube ich doch mit dcm einmal bestehenden Ubel rech-
ncn und die geplante Lotterie, die nach Art der Kvlner
cinzurichtcn wäre, dringcnd empsehlen zusollcn. Wieder-
holt hat von dieser Jdee etwas verlautbart, aber
nirgends hat man etwas von einer Ausführung der-
selben verspürt. Möchten doch hier nicht Energie-
mangel oder Zweiselsucht einem schvnen, künstlerisch
bedeutungsvollen und ccht nationalcn Werke Schaden
znfügen, den es wahrlich nicht verdicnt! Der wcst-
preußischc Provinzialtandtag, der sich überhanpt durch
sein regcs Jnteresse für Knnst nnd Wissenschaft aus-
zeichnet, hat vor kurzer Zeit 25 000 Mark für die
inncre Ausschmücknng gewährt; in der Prvvinz hat sich
cin Vereiu gcbildet, der die Verschvncruug der das
Schloß umgebendcn Anlagen bezweckt; möchten doch
dicse Bestrebungcn allenthalben die gebührende ilcach-
ahmung finden!

Jn diesem Sommer ist durch rein äußerlichen Zu-
sall eine Pause in den Arbeiten eingetreten, es ticgt
darum nahe, von dem bisher Erreichten in diesen
Blättern Knnde zu geben. Wenngleich wir voraus-
zusetzen haben, daß unsere Leser im allgemeinen mit
dem Grundriß der Marienburg und mit ihr selbst ver-
traut sind, so dürfte es sich bequemlichkeits- und über-
sichtlichkeitshalber Loch empfehlen, einen türzen all-
gemeinen Überblick nochmals zu geben. Das Schloß
ist in fortifikatorisch anerkannt günstiger Lage auf Lem
steil abfallenden Uferrande der Äkogat vom Deutsch-
ritterorden während des 13. und 14. Jahrhunderts er-
baut und umfaßt, gleich ausgezeichnet als verteidigungs-
fähige feste Burg wie als gtänzende Wohnung eines
gewaltigen Herrschers, mil ihren mannigfachen Außen-
werken cinen mächtigen Raum. Sie besteht aus drei
Teilen: dem alten oder dem Hochschloß, dem Mittel-
schloß nnd der nur noch teilweise vorhandenen Vorburg,
in deren Milte seit einigen Jahren das Denkmal

Friedrichs des Großen von Siemering steht. Architek-
tonisch interessiren im wesentlichen nur die beiden
ersteren. Das Mittelschloß umfaßt bei einer Flügcl-
länge von 96, 83 und 87 in einen weiten viereckigen
Hvf, der gegen das Hochschloß zu offen ist; in ihm
sind gegenwärtig einige Vcrwaltnngsbehörden untcr-
gebracht, während im Mittelalter hier die Ordens-
ritter wohntcn. An der westlichen Scite springt die
Rcsidcnz des Hochmeisters etwas aus der Front herans,
schon von außen durch die eigeuartige Pracht der
granitenen Pfeiler hervorgehoben. Dieser Teil ist, in
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts unter der
Herrschaft des Hochmcisters Winrich von Kniprode
erbaut, mit geradezu erstannlichem Raffinement (z. B.
schon damals mit Lufthciznng) ausgestattet, und ihn
besonders hat die Restaurirung in den zwanziger
und dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts be-
trvffen. Wie der Verfasser dieser Zeilen bereits ein-
mal an anderer Stcllc ausgeführt hat, ist man in jencr
Zcit nicht allzu glücklich mit deu Restaurationen alter
Baudenkmäler gewesen; man hat häufig von eincm
voreingenommenen Standpunkt aus ohne gründliche
Untersuchung und Vorsicht mutig darauf losgcbaut und
gearbeitet und vicles, was nur verborgen oder ent-
stellt war, dadurch endgiltig vcrdorben und vernichtet.
So steht es auch hicr. Es ist wirklich herzbetrübend,
wie aus mangelndem Berständnis so viel cchte, innere,
warme Begeisternng mit einem vcrhältnismäßig so
kläglichen Ergcbnis abschließen mußte. Nur die Arbeit
des Maucrwerks kanu als bcsriedigend angesehen wer-
den, aber vvn der damals noch anhaltenden Vorliebe
für weiße Tünche und von cinem mißverstandenen Ge-
setz in den bildendcn Künsten aus hat man den mei-
sten Räumen eine durchaus verfehlte und nüchterne
Ausstattung vcrliehen, nm dadurch angeblich die edlcn
reinen Formen noch mehr zu steigern und für sich allcin
wirken zu lassen. Auf diese Weise sind dic offenbar
damals noch sehr zahlreich gewesenen Reste der mittel-
alterlichen Bemalung dcr Wände verloren gcgangen,
und nur zwei kleine Reste aus dem 14. uud 15. Jahr-
hundert hat man dankenswerterweise gelassen. Die-
selben sind hvchst intereffant, aber Loch zu gering
und zu vereinzelt, um ein erschöpfendes Gesamturteil
llber die malerische Ausschmückung zu erlauben. Da-
gegen hat man die Fenster mit Glasmalereien versehen,
die teilweise so jammervoll ausgefallen sind, daß man,
wenn es nicht gar zu pietätlos und unhistorisch wäre,
sich versucht fühlen möchte, sie wieder zu beseitigen. Auch
die Waffenstücke und die Möbel, die man hier aufge-
hängt oder aufgestellt hat, wollen nicht recht sich ein-
fügen. Erstere gehören zumeist dem 16. Jahrhundert,
alfo der Zeit nach dem Untergange des Ordcns an,
letztere sind moderne Mißgeburten aus der Zeit vor
 
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