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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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Gurlitt, Cornelius: Der Meister des Berliner Zeughauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0364

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723

Der Meister des Berliner Zeughauses.

724

Hälfte des 17. Jahrhunderts keinen Bau in so stren-
gem, von barockem Detail freien Stil, wie ihn das
Zeughaus aufweist, der nicht von Franzosen oder
Holländern errichtet worden wäre. Jch verweise auf
Analoga zu den älteren Berliner Bauten eines Mem-
hard, Smids, Nehring, auf die Werke Dieussards
in Erlangen, Dury's in Kaffel, Ryckwaerts im
Anhaltischen, Froimonts in Mannheim. Es sind
dies meist Refugio's, die über Holland nach Deutsch-
laud kamen. Den Weg dahin scheint zuerst der jüngerc
Marot gewiesen zu haben. Diese Werke tragen alle
deutlich den Stempel der formal streng ausgebildeten
Schule des Debrosse, welcher bekanntlich Lemercier,
Mansart u. a. gleichfalls angehören. So wird z. B.
auch die französische Kirche in Berlin-Friedrichstadt als
nach Debrvffe's hugenvttischer Kirche zu Charenton ge-
bildet von gleichzeitigcn Autoren bezeichnet. (Ber-
wandtschast auch hinsichtlich des prvtestantischen Charak-
ters der Anlage). Wieder ist der Vermittler dieser
Übertragung vou Frankreich nach Deutschland ein über
Holland eingewanderter Hugenotte, Louis Cayart.
Den Stempel dieser Schule tragen denn auch die
Werke Nehrings. Man vergleiche sie mit den Stichen
des älteren Marot, um sich von der Wahrheit des Ge-
sagten zu überzeugen.

Da nun auch Blondel aus dieser Schule Debrosse's
hervorging, so ist die von allen modernen Autoren be-
merkte Übereinstimmung z. B. zwischen Nehrings Ber-
liner Rathans und Blondels Zcughaus lcicht erklärlich.
Der jedoch gleichfalls überall konstatirtc lluterschied in>
kiinstlerischen Wert erklärt sich daraus, daß dicser ein
außerordentlich durchgebildeter, namcntlich durch Man-
sarts Thätigkeit (man vcrgleiche das Schloß Blois und
das Schloß Maisons rnit dem Zeughaus) gcförderter
KUnstler, jener aber cin schnlmäßig tüchtiger, doch un-
bedeutender Architekt war. Jeder Unbefnngene wird
zugeben müssen, daß ein so eminenter Fortschritt in
künstlcrischer Bczichnng, wie cr zwischen Rathaus und
Zeughaus besteht, bei einem zum mindesten voügereif-
tcu Künstler höchst unwahrschcinlich ist, daß das Zeug-
haus ganz aus dem Rahmen gleichzeitiger deutscher
Leistungen herausfällt.

Woher aber datirt der grvße Ruhni Nehrings?
Aus Marperger ist er nicht zu konstrniren, denn dieser
lobt ohne Wahl, wie an vielen Stellen bewiesen wer-
den kann. Andere Quellen giebt es nicht bis auf
Nicolai. Allerdings basiren dessen Notizen sichtlich
auf archivalischen Studien. Aber ebensv gcwiß hat
Nicolai keine Notiz beseffen, nach der Nehring direkt
Erfinder des Zeughausplanes genannt wird. Er würde
sie uns nicht vorenthalten, namentlich nicht versäunit
hgben, dadurch die Angabe Broebes' zu entkräften.
Erst nachdem er Broebes' Glaubwürdigkeit erschüttert

hatte und damit zu dem Schluß gekommen war,
Nehring müffe das Zeughaus auch entworsen habeii'
bildete sich nach und nach der Nimbus um seinen
Nnmen, der ihn jctzt umgiebt. Schlüter war stets für
eincn großen Mcister gehalten worden, trotz seiner Miß-
ersolge in Berlin, Nehring ist es erst durch Nicolai,
der, sclbst in ästhetischer Richtung ein Schüler Blondels,
ohne es zu wiffen in dessen Werk die glänzendste Durch-
führung der von ihni vertretenen Kunstprinzipien fand
und finden mußte.

Nun wäre noch dem Einwande zu begegnen, als
habe dcr großc Kurfürst aus pvlitischen Gründen sich
nicht nach Frankreich wenden kvnnen, odcr es sei dvch
unwahrscheinlich, daß cr es gewollt habe. Da ich nicht
Historiker bin, muß ich es andern überlaffen, hier zu
urteilen. Jch weiß nur unter audercm, daß Jacgucs
Marvt einen Plan sür das Schloß zu Mannheim ent-
warf, kurz nachdem Mölac die Stadt des Kurfürsten
von der Pfalz zerstvrt hatte, daß Prinz Eugen sich
einen Franzosen kommen ließ, als er sein zur Ver-
herrlichuug seiner Siege über Frankreich geschmücktes
Schloß Belvedere einrichten ließ, daß Cotte sür den
Kurfürsten von Kölu und Briseux für den Fürstbischos
von Würzburg arbeiteten inmitten der Wirren der
Kriege und daß Vvltaire, unter dem Beisall auch sciner
Landsleute,Friedrichs desGroßen Siege über LudwigXV.
besang. Mir witl also scheinen, daß damals dic Kriege
Wesentlich mehr Kabinetßsache gewesen seieu als jetzt und
daß der Patriotismus sich nvch nicht wie heute auf die
Kunst bezogen habe.

Schließlich legt Wallo die Vermutung nahc,
daß der großc Kurfürst sich schwerlich an Blondcl ge-
wendet habcn würde, wcil deffen Ruhm im damali-
geu Prcußen nicht groß gewesen sei. Würde Wallv
jedoch die französischen Schriftsteller des 18. Jahr-
hunderts bis zu Patte und Laugier herab, würde er
namentlich auch Leonhard Sturms Werke lesen, so
würde er fiuden, daß Blondel jederzeit neben Perrault,
Fr. Mansart, Hardvuin-Mansart und etwa noch
Bullet bei Franzosen wie Deutschen zu den ersten
Meistern seiner Zeit gerechnet worden ist. Der Ein-
wand, daß wenn Blondel das Zeughaus entworfen
hätte, spätere Autoren etwas davon wiffen müßten, würde
Wallv schwerlich gemacht haben, wenn ihm das gleich-
zeitige Quellenmaterial in seiner Dürftigkeit bekannt
gewesen wäre. Er sagt ferner, es sei auffällig, „daß
außer Blondcl von deffcn Auftrag niemand etwas ge-
wußt habe," während doch in dem von ihm selbst
citirten Aufsatze Adlers ausdrücklich steht, daß Hum-
bcrt 1733 in der Libl. gsrin. Xl-IV, S. 122 dieselbc
Meinung wic Broebes äußere.

Auf Bemerkungen wie die, daß es Nehrings
charakteristische Eigentümlichkeit sei, „rund" zu bauen-
 
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