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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Gronau, Georg: Die Ausstellung venezianischer Malerei im Burlington Fine Arts Club in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0043

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Die Ausstellung venezianischer Malerei im Burlington Fine Arts Club in London

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Earl Spencer) und das Bildnis einer Sultanin, das auf
ein Idealbild der Roxane von Tizian zurückgeht (Nr. 43,
Earl of Yarborough)1). Auch ein »Salvator mundi«
(Nr. 45, Lord Darnley), der wegen des Glases nicht
zu beurteilen war, in der Art eines Bildes der Eremitage
(Fischel S. 166) und eine heilige Familie (Nr. 42,
Cook, Richmond), die durch eine Reihe von Wieder-
holungen bekannt ist — eine Komposition in Tizians
Frühstil, von H. Cook jetzt dem Francesco Vecellio
gegeben2) — mögen hier angeschlossen sein.

Noch zwei Bildnisse, die als Werke Tizians vor-
geführt wurden, verdienen eine kurze Erwähnung:
das eine, ein vornehmer Jüngling in schwarzer Tracht
mit reichen Goldverzierungen — offenbar ein Mitglied
eines fürstlichen Hauses — hat kompositioneil Eigen-
schaften, die des Meisters durchaus würdig sind, aber
die Technik weicht völlig ab (Nr. 34, Duke of Devon-
shire), das andere, das nach der langen Inschrift Giulio
Antonio IL, Herzog von Aquaviva darstellt (Nr. 48,
Colonel H. C. Legh), ist für den Meister erheblich zu
schwach.

Ich reihe hier einige Bilder an, die sich an tizia-
nische Kompositionen, namentlich der Frühzeit, eng
anschließen und daher bald diesem Meister, bald
Giorgione, neuerdings auch Francesco Vecellio zuge-
schrieben worden sind. Das eine, oft besprochene
— Madonna in reinem Profil (Nr. 26, Benson) —
hat noch vor der Kritik eines Cavalcaselle bestanden
(deutsche Ausgabe I, S. 95); H. Cook hat es dem
Giorgione zuschreiben wollen8); Berenson aber hat,
wenn auch mit einigem Zweifel, den Namen des
Caprioli genannt, womit die Qualität des Bildes doch
erheblich zu tief eingeschätzt ist. Es erscheint mir
bei dem gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse nicht
möglich, einen bestimmten Autor zu nennen; denn
viele werden in jener künstlerisch hochgespannten
Zeit um 1510 durch die starken Anregungen, die
innerhalb einer außerordentlich begabten Generation
von einem zum andern gingen, gelegentlich über die
Grenzen ihrer Begabung hinausgeführt. Das gleiche
gilt von einer kleinen heiligen Familie (Nr. 22, Mar-
quis of Bath) in offener Landschaft, die zu den reiz-
vollsten Schöpfungen dieser Epoche gehört4). Man
könnte meinen, den sogen. »Meister des Allendale-
Bildes« — von den einen mit Giorgione, von an-
deren mit Catena identifiziert — hier in einem etwas
späteren Stadium seiner Entwicklung wiederzufinden.
Seinem künstlerischen Temperament entspricht das
liebliche Bildchen nicht schlecht. In dieselbe Sphäre
der Konzeption nach, wenn auch qualitativ tief unter
beiden Bildern stehend, gehört das kleine Halbfiguren-
bild der Madonna mit Sebastian und Rochus (Nr. 38,
Holford); vielleicht traf Berenson das Richtige, als er

1) Abbildung in Beiträge z. Kunstgescb., Fr. Wickhoff
gewidmet (Wien 1903) S. 132.

2) Reviews and appreciations (London 1912) S. 95;
Abb. T. XXXII; die Abb. eines anderen Exemplars Fischel
a. a. S. 204.

3) Giorgione2 S. 97ff. (m. Abb.).

4) Eine Teilwiederholung (die Madonnengruppe allein)
in Hamptoncourt (Nr. 183).

den Namen der Girolamo Santacroce nannte, der
allerdings seine provinziale Abkunft dann hier mehr
als sonst hat verstecken können. Neuerdings auf
Francesco Vecellio hat man eine prächtige Santa
Conversazione mit Hieronymus und Dorothea be-
stimmen wollen (Nr. 54, Galerie in Glasgow); ich muß
bekennen, daß dieser auf Cook zurückgehende Vor-
schlag für das dem Tizian recht nahe kommende
Bild mir mehr zusagt, wie die durch die Autorität
von Berenson und Frizzoni gestützte Zuschreibung
an Polidoro. Ich kenne von diesem nichts, was
obigem Bilde sich vergleichen ließe.

Von den anderen Venezianern aus der großen
Generation um Giorgione war Sebastiano ganz her-
vorragend vertreten. Zunächst durch ein wohl be-
kanntes Jugendwerk, das Frauenbildnis der Sammlung
Cook in Richmond (Nr. 9), das noch vor seine Über-
siedlung nach Rom fällt, und diesem stand als glanz-
volles Gegenstück des gereiften römischen Stiles das
Abbild einer stolzen Römerin gegenüber, mit weißem
Kopftuch, in bräunliches Rot und einen lichtgraugrünen
Mantel gekleidet (Nr. 2, Lord Elgin). Die Replik
dieses Bildes, auf dem durch Attribut die Dargestellte
als hl. Lucia bezeichnet ist (Nr. 5, Otto Beit) konnte
sich neben dem anderen Exemplar nicht behaupten;
man vermißte hier jenes unvergleichliche Sfumato,
das das erstgenannte Bild auszeichnet. Dann zwei
männliche Porträts in Sebastianos großartiger Auf-
fassung. Das eine stellt einen im Armstuhl sitzenden
Kardinal — angeblich Hadrians Vertrauten Encken-
voert —, einen Mann von groben Zügen, dar (Nr. 15,
D. Erskine); es ist leider, namentlich im Gesicht, aufs
schwerste beschädigt. Das zweite zeigt einen voll-
bärtigen Mann um die Vierzig in schwarzer Tracht,
fast en face gegen einen grünen Vorhang gesehen;
das Gerät auf dem Tisch (Schreibzeug, Bücher, Globus)
neben ihm deuten eher auf einen Gelehrten, als auf
einen Kriegsmann, wie Federigo da Bozzolo, mit dem
man den Dargestellten glaubte identifizieren zu können
(Nr. 27, Marquis of Lansdowne). Dieses Bild, das
seit über vierzig Jahren nicht öffentlich gezeigt worden
ist, war eines der eindrucksvollsten Stücke der Aus-
stellung.

Von Palma sah man zwei Werke, beide schön,
gesichert und wohlbekannt, das Porträt eines jüngeren
Mannes im Schmuck vollen dunkelbraunen Haares,
eines der typischsten Beispiele des palmesken Porträt-
stiles (Nr. 13), und eine figurenreiche »Santa Conser-
zione« mit kniendem Stifter (Nr. 32), beide aus der
Sammlung Benson. Ein drittes Bild, ein liederlich,
doch mit Bravour gemalter hl. Georg (Nr. 7, Col.
Sir Audley D. Neeld) wurde von einigen Kennern
vermutungsweise Palma zugeschrieben. Auf mich
machte es den Eindruck eines etwas späteren Werks.

An Palma mag man Cariani reihen, den das cha-
rakteristische männliche Bildnis aus Mr. Bensons Besitz
(Nr. 28) und das Porträt eines älteren Mannes mit
dem Schmuck einer goldenen Kette und im mit Pelz
besetzten Gewand aus der Holford-Sammlung (Nr. 40)
gut vertraten. Ein anderes Männerporträt, vor einer
Ruine mit Nische, das unter Carianis Namen gezeigt
 
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