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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0057

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Vermischtes — Literatur

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keinesfalls immer, beispielsweise bei Raffaels Madonna
mit Joseph ohne Bart nicht. Das Kind blickt zur Seite
nach oben und nicht nach dem Beschauer. Weil das Kind
der Solly-Madonna ganz »ziellos über die Ecke des Bildes
weg« blickt, also nicht den Beschauer sucht, spreche die
fehlende »innere Motivierung«, diese »unerläßliche
Qualität Raffaelischer Werke«, gegen Raffael! —

Auf meine Ausführungen geht Fischel gar nicht ein;
ich kann daher auf meinen Aufsatz verweisen. Vielleicht
aber ist es der Art des Fischeischen Angriffs gelungen,
die Aufmerksamkeit auf die »Solly-Madonna« noch mehr
zu lenken. Berlin, den 25. Okt. 1914. Berthold Daun.

VERMISCHTES
Neue Arbeiten von Louis Tuaillon. In der Werk-
statt Louis Tuaillons gehen ein paar große neue Arbeiten
ihrer Vollendung entgegen. Auf dem Schloßhof von Merse-
burg zwischen dem alten Spätrenaissanceschloß und dem
Dom, sollte ein Reiterdenkmal Friedrich Wilhelms III. von Tu-
aillons Hand aufgestellt werden. Nun hat der Denkmalsaus-
schuß die Gelder für Kriegshilfszwecke bewilligt, und der
große Reiter steht unvollendet in der Werkstatt des Künst-
lers. Fast fertig ist das Modell für das Denkmal Robert Kochs,
das auf dem Berliner Luisenplatz, vor dem Kaiserin-Friedrich-
Hause für das ärztliche Fortbildungswesen aufgestellt werden
soll. Tuaillon schuf ein Sitzbild: Der Forscher in einem
festen Sessel, in idealem, mantelartigem Gewände, lebendig
bewegt, trotz der Ruhe, mit energischem, höchst eindrück-
lichem Kopf. Das Bildwerk, weit über lebensgroß, wird
in Laaser Marmor ausgeführt werden, wenn die Trans-
portmöglichkeiten aus Tirol die Herschaffung des Blockes
gestatten. Daneben arbeitet Tuaillon an der gewaltigen
Gestalt eines stehenden ungarischen Stieres.

Aus der Werkstatt von Hermann Hosäus. Des

Krieges wegen hat eine Arbeit des Berliner Bildhauers
Prof. Hermann Hosäus ihren afrikanischen Bestimmungs-
ort nicht erreicht. Der heimische Arbeitsausschuß, der für
die Deutsch-Ostafrikanische Landesausstellung in Dares-
salam tätig war, hatte dem Künstler eine Bronzeplakette
in Auftrag gegeben, die als Ehrenpreis verliehen werden
sollte. Die Vorderseite nahm ein Profilbildnis des Pro-
tektors der Ausstellung, des deutschen Kronprinzen, ein;
auf der Rückseite schritt die Gestalt Merkurs von Deutsch-
land, dem Lande der Eichen, zu der Palmenküste Afrikas
hinüber. Die Plaketten sind abgegangen, das Schiff ist
aber anscheinend in England festgehalten worden. Das
Kronprinzenbildnis, dazu noch mit einer Feldmütze ver-
sehen, hat der Künstler nun zu einer besonderen Plakette
umgearbeitet. Ein anderes großes Werk von Hosäus hat
der Krieg unterbrochen. Es ist der monumentale Bismarck,
der auf den Oderhöhen bei Stettin, auf dem Weinberge,
als Stiftung der pommerschen Städte, seinen Platz erhalten
soll. Für das Denkmal war die Zusammenarbeit von
Hosäus und Wilhelm Kreis, dem Düsseldorfer Architekten,
vorgesehen. Noch unmittelbar vor dem Kriege ist das
Bauwerk von Kreis, die großartige Kuppelhalle, fertig ge-
worden, in derem Innern das Standbild des Reichsgründers
aufgestellt werden soll.

Trotz des Krieges soll der Neubau der Düsseldorfer
Kunstakademie, nachdem die Stadtverordnetenversamm-
lung den Betrag von 2 023 000 Mark für die Baukosten
bewilligt hat, schon jetzt in Angriff genommen werden, um

die Arbeitsgelegenheit zu erhöhen, obwohl die Pläne
noch nicht endgültig durch die Staatsbehörde genehmigt
sind. Veranschlagt war der Bau ursprünglich mit 1,8 Mill.
Mark, wovon der Staat 1,25 Mill. Mark bezahlen sollte.
Die Gemeinde sollte ferner an den Staat den Grund und
Boden mit 18,80 Hektar abtreten, andererseits das alte
Akademiegebäude zum Besitz erhalten. Die in dem seiner-
zeit ausgeschriebenen Wettbewerbe preisgekrönten Ent-
würfe überschritten den Kostenanschlag nicht unerheblich,
durch Vereinfachung ist er aber auf die genannte bewilligte
Summe herabgedrückt worden.

LITERATUR

Erich Major, Die Quellen des künstlerischen Schaffens.
Versuch einer neuen Ästhetik. Leipzig 1913, Verlag von
Klinkhardt & Biermann. 180 S. 8°. Geh. 5 M., geb. 6 M.
Eine Gesamtidee zu einem System der Ästhetik wird
hier in skizzenhafter Form gegeben, ein kleines Kom-
pendium dieses wieder zu Ehren gelangten Faches, neue
Ideen werden frisch und sicher wieder vorgetragen. Die
Folge der Kapitel: Ästhetik und Produktivität, Witz, Komik
und Vergleich, Naturschönheit und Kunstwerk, das Zu-
sammenwirken der produktiven Kräfte, läßt schon erkennen,
daß der Verfasser der rationalistisch-nüchternen Gelehr-
samkeit, von ihm nach einem schönen antiken Wort »Philo-
doxie der Kunst« genannt, abhold ist und vor allem das
Positive des Kunstwerkes, die Frage nach der Entstehung
der Kunst im allgemein psychologischen, nicht in histo-
rischem Sinne zu behandeln sich vornimmt. Darüber
hinaus betrachtet er die produktiven Kräfte in ihrer Ver-
einigung und Verschmelzung. An den Schluß seines
schönen, gedankenreichen Buches stellt er die Worte Alfred
de Mussets, deren Sinn sich durch die ganze Arbeit als
Leitmotiv hindurchzieht: »Ce que I'homme ici — (kurze Zeit)
bas appelle du genie, c'est le besoin d'aimer.« b.

Julius Pap, Kunst und Illusion. 8°. 224 Seiten. M. 6.80,
geb. M. 7.80. Leipzig, Verlag von Veit & Co., 1914.
Die Betrachtungen Paps bringen in planmäßig fort-
schreitender Gestaltung Auseinandersetzungen mit den
Illusions-Theorien von Konrad Lange, Karl Groos, Johannes
Volkelt, Theodor Lipps, Oswald Külpe, Paul Souriau,
Alexius von Meinong und Stefan Witasek, vor allem aber
sehr sorgfältige eigene Untersuchungen auf dem Gebiete
der Anschauungsillusion, wobei er seine Aufmerksamkeit
namentlich der analytischen Seite des Themas zuwendet.
Betrachtungen über das illusionäre Erlebnis und die Künste,
die nicht anschaulichen Illusionen und Beiträge zur Psy-
chologie der Gesichtswahrnehmung führen auf die ver-
schiedensten Gebiete des Themas, das der Verfasser sou-
verän beherrscht und meistert. Das gehaltvolle und fein-
sinnige Buch ist dem Andenken Theodor Gomperz' ge-
widmet, b.

Ernst Troß, Das Raumproblem in der bildenden Kunst.
Mit 14 Abbildungen. Delphin-Verlag, München, 1914.
Das Buch trägt den Untertitel:»Kritische Untersuchungen
zur Fiedler-Hildebrandschen Lehre« und behandelt in drei
Kapiteln die Kritik des Gesichtssinnes, die Gesetzlichkeit
der bildenden Kunst und die Methodik des Kunstforschens,
in der Hauptsache das »Problem der Form« Hildebrands
umgebogen in ein Problem des Raumes, wodurch es dem
Verfasser gelingt, dem viel diskutierten Problem der Ge-
setzlichkeit der bildenden Kunst näher zu treten, als manche
seiner Vorgänger. b.

nhalt: Oregor von Bochminn d. |. f; Ludwig Heinrich Heyne fi Professor Rudolf Ritter von Weyr f. — Personalien. — Erneuerung der katho-
lischen Hofkirche in Dresden. — Eröffnung der Berliner Kunstsalons. — Ausstellung im Stockholmer Nationalmuseum; Ankauf eines Por-
träts von Paul Heyse für die Berliner städtische Sintnlung. — Außerordentliche H-iaptv^rsammlu t; d;s Arciiitektenverein i zu Berlin. —
Frankfurter Fayencen. — Die Solly-Madonna. — Vermischtes — Literatur

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann in Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., q. m. b. h., Leipzig
 
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