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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Simon, Karl: Rathäuser und Hallenbauten in Belgien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0128

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Rathäuser und Hallenbauten in Belgien

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in zwei Schiffe geteilt. Die Decke besteht mit Aus-
nahme des hinteren linken Flügels aus Backstein-
gewölben, die auf den Pfeilern aufruhen.

Im Äußeren gliedert sich das Erdgeschoß in zwei
Teile: einmal in die gewaltige Reihe von 44 gerad-
linig schließenden Fenstern, die im Innern, im Stich-
bogen geschlossen, Nischen mit aufgemauerten Sitzen
an beiden Seiten aufweisen. Über ihnen in gleicher
Anzahl im Spitzbogen geschlossene Nischen mit
Statuen. Im Obergeschoß darüber die großen, im
Spitzbogen geschlossenen Fenster. Am Beginn des
Daches endlich die Zinnenreihe. Äußere Gesimse
verstärken noch den Eindruck dieser majestätischen
Reihung.

Aus gleicher Zeit stammt die den Hallen gegen-
überliegende, nach drei Seiten freistehende Fl ei sch-
nalle; ein kleiner Bau mit Erd- und Obergeschossen,
bekrönt von zwei Giebeln nebeneinander. Zwei Por-
tale führen zu dem flachgedeckten und von sechs
Rundsäulen durchstellten Inneren. Das zweite Ober-
geschoß, gegenüber den aus Quadern aufgeführten
unteren Geschossen aus Backstein bestehend, hat
nur vier Fenster, in den Formen der »Backsteingotik«
ausgeführt, mit schwach eingedrückten Spitzbogen
usw. Ähnlich die Treppengiebel mit zahlreichen
kleineren Öffnungen und Blenden.

Weniger mächtig, aber harmonischer als die
Hallen in Ypern wirken die Brügger Hallen, ein
Werk des 13. und 14. Jahrhunderts, seit 1561 von
Peter Diericx erneut. Mit der 42 m messenden
Schmalseite dem großen Platz zugekehrt, von dem
107 m hohen Beifried überragt und mit vorkragen-
den Türmchen an den Ecken besetzt, machen diese
Hallen einen Eindruck vornehmer Reserve, dem man
schwer etwas an die Seite stellen kann. Rechts und
links begleiten sie in einer Länge von über 80 m die
Straßenfront. In der Mitte der Hauptfront das spät-
gotische Portal; der Teil links davon, später verändert,
enthält jetzt das archäologische Museum, rechts die
durch eine Reihe von Renaissancesäulen durchstellte,
gegen 15 m breite Fleischhalle. Über den Fenstern
schließend der Zinnenkranz.

Die alte Tuchhalle in Löwen, die jetzt durch die
Beschießung unserer Truppen wohl nur wenig ge-
litten hat1), ist zu jener Zeit stark verändert worden,
als die Universität teilweise in ihr untergebracht wurde
(1679), immerhin bietet wenigstens das Erdgeschoß
des 1317 begonnenen Baues noch Bemerkenswertes.
An der Frontseite drei Portale, von denen das mittlere
besonders ausgezeichnet ist. Zu beiden Seiten der
einrahmenden Spitzbogen schlanke Fialen mit Krabben
besetzt. Über dem abschließenden Gesims je ein
Dreipaßblendbogen unter einem Spitzgiebel an der
Schmalseite (mit einem ähnlichen Portal wie an der
Vorderseite), Konsolen und Baldachine für Statuen.
Von den Türmchen an den vier Ecken sind nur ge-
ringe Spuren erhalten. Die große Halle des Erdge-
schosses wird durch eine Reihe mächtiger Rundpfeiler
in zwei Schiffe geteilt. Die Decke besteht aus Holz.

1) S. Clemen a. a. O., Sp. 130.

Die Hallen in Mecheln sind, ebenso wie das
dortige Schepenhuis (heute Museum), nie in der
geplanten Weise zu Ende geführt worden.

Die Tuchhalle in Gent, vor einiger Zeit wieder-
hergestellt und dabei um ein beträchtliches Stück ver-
längert, hatte ursprünglich nur eine Ausdehnung von
22 m bei einer Tiefe von i3 m. Das Erdgeschoß
wird von zwei Reihen Säulen durchstellt. Die Ecken
sind von Türmchen bekrönt.

Wenig hervorragend ist die ehemalige Fleischhalle
in Gent, 70 m lang und 11 m breit. An der Front-
seite in unsymmetrischer Stellung führen zwei große
rundbogige Portale in das Innere mit dem auf mäch-
tigen Wandkonsolen aufruhenden Sparrendach. An
der Schmalseile zwei im Korbbogen geschlossene
Portale mit dem Treppengiebel.

Bedeutender ist die alte in den Jahren 1501 —1503
von H. van Waghemaker, dem Dombaumeister, er-
baute Fleischhalle in Antwerpen. 41,50 m lang,
erhält sie schon im Äußeren durch den regelmäßigen
Wechsel von grauweisen Bruch- und roten Back-
steinen ein gefälliges Aussehen. Die beiden Lang-
seiten enthalten in der Mitte je ein Portal; die Ecken
des Ganzen werden durch von unten ansteigende
achteckige Türmchen bezeichnet. Das Innere wird
durch fünf Mittelpfeiler, auf denen das Gewölbe auf-
ruht, in zwei Schiffe geteilt; an der Wand entsprechen
kräftige Konsolen.

* *
*

Es lohnt wohl, Zusammenfassendes über diese
Bauten zu sagen, da sich gemeinsame Züge in be-
trächtlicher Zahl an ihnen feststellen lassen. Die Form
des Grundrisses ist, abgesehen von einigen, durch
besondere Verhältnisse bedingten Abweichungen, durch-
weg rechteckig, und zwar stellt sich ein i. a. gleich-
mäßiges Verhältnis von Länge zu Breite heraus, das
etwa als 1:2—3 zu bezeichnen wäre. Es seien ein-
zelne Maße angegeben: Alost 27,75X12.80 m, Ter-
monde 37X13 m, Löwen, Rathaus 34,60X12,70 m,
Hallen 01X21 m, Brüssel, Maison du Roi 30X10 m,
Hai 27X10 m, Ypern, Fleischhalle 30X13 m. (Unter
diesem Durchschnitt bleibt zurück die Tuchhalle in
Gent [22X13 m]; darüber hinaus gehen das Rathaus
in Gent [50X14 m], ebendort die Fleischhalle [70X
11 m] und vor allem natürlich die Hallen in Ypern
[120X32 m] und Brügge [80X14 m].)

Es stimmt dies zu Beobachtungen, die auch an
deutschen Profanbauten des Mittelalters, bei Pfalz-
bauten, bei Klosterrefektorien u. a. m. beobachtet wer-
den konnte1).

Das Bestimmende für den ersten äußeren Eindruck
dieser Rathaus- und Hallenbauten ist das Vorhanden-
sein von Türmen, die bald ihre fest bestimmte Stel-
lung einnehmen. In Alost stand der Beifried noch
an der einen Ecke des Baues, in Termonde — wo
nicht, wie dort, außerdem Türmchen vorhanden sind
— mehr nach der Mitte, aber noch nicht in der

1) Vgl. meine Studien zum romanischen Wohnbau in
Deutschland. Straßburg 1902, S. 131, 232.
 
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