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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Henkel, Max Ditmar: Ausstellung der Sammlungen Bredius und Kronig im Haag
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0199

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379

Ausstellung der Sammlungen

Bredius und Kronig im Haag

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der Rötelzeichnung eines sitzenden Greises in Berlin
(Freise 102) besteht, macht die Sache nicht wahrschein-
licher. Gewiß, Haltung und Stellung stimmen peinlich
genau überein, aber wie kleinlich und ängstlich, wie
unfrei ist die Ausführung im Vergleich mit der breiten,
sicheren Manier der Zeichnung, und wie hölzern
wirkt die Gruppe im Vergleich mit Rembrandts Vater
in Turin, auf den Kronig wegen der ganz gleichen
Stellung der Füße hinweist; den charakteristischen
Kopf hat der Maler dieser Zeichnung übrigens nicht
entlehnt, er zeigt vielmehr große Ähnlichkeit mit
dem Kopf des Herrn auf einem stark unter Rem-
brandts Einfluß stehenden Gemälde in der Kasseler
Galerie, dem ungetreuen Dienstknecht, das früher
Cornelis Brouwer zugeschrieben wurde. Der Ausdruck
in dem Gesicht des blinden Tobias ist nicht ohne
Feinheit und Innigkeit, aber dies allein genügt doch
nicht, um Rembrandt als den Schöpfer des Werk-
chens zu bezeichnen.

Verschiedene Bilder der Ausstellung rühren von
Schülern oder von von Rembrandt beeinflußten Meistern
her; einigen verleiht die Seltenheit der Maler ein
Interesse, das ihnen als Kunstwerken nicht zukommen
würde; dazu gehört der Kopf eines lachenden jungen
Mannes von Isaack Jouderville, von dem das
Museum in Dublin das einzige bezeichnete Werk be-
sitzt, und das Brustbild eines Greises mit langem
weißem Barte und gedankendurchfurchter hoher Stirn,
das 1630 datiert und mit dem Monogramm J. D. R.
bezeichnet ist; Bredius schreibt diesem Monogram-
misten noch verschiedene Werke zu, unter anderem
einen Studienkopf in der Sammlung Wanamaker in
Philadelphia, der von Bode und Valentiner als Rem-
brandt katalogisiert ist. Der Ausdruck konzentrierten
Nachdenkens liegt in diesem Brediusschen Apostel-
kopf, in dem man dasselbe Modell zu erkennen glaubt,
dem man in zahlreichen Frühbildern Rembrandts, wie
z. B. dem Apostel Paulus in Stuttgart, begegnet. Doch
was bei Rembrandt als Natur erscheint, wirkt bei
diesem Schüler einigermaßen als Pose und Theater.
Rembrandt stilistisch und innerlich sehr nahe steht
ein Damenbildnis, Halbfigur, von dem seltenen
Willem Drost, der auch in anderen Werken, wie
der Bathseba im Louvre und dem Noli me tangere
in Kassel, so unverkennbar den Einfluß Rembrandts
zeigt. Das hier ausgestellte Porträt, das 1653 datiert
und Drost (ohne Vornamen) bezeichnet ist, vereint
feine malerische Qualitäten mit einer außerordentlich
natürlichen Darstellung; wie weich modelliert ist die
hell beleuchtete Hand, die die Handschuhe hält, wie
treffend ist das feine Lächeln, das den schmalen blaß-
roten Mund umspielt und sich in den so ruhig
schauenden Augen spiegelt. Rembrandtsches Hell-
dunkel und Rembrandts psychologischer Blick, dem
das innerste Wesen des Menschen offen liegt, sind in
dem schönen Brustbildnis einer alten Dame anzutreffen,
das Bredius dem tüchtigen, aber im allgemeinen etwas
nüchternen Thomas de Keyz er zuschreibt; aus
dunklem Hintergrund, in dem sich das dunkle
Kostüm der alten Dame fast ganz verliert, springt
das feingemalte, von weißer Halskrause und Haube

umschlossene Antlitz, über das eine wunderbare Güte
und Weisheit gebreitet sind, außerordentlich lebend
und sprechend hervor. So menschlich ergreifende
Bildnisse hat de Keyzer selten geschaffen; im Er-
fassen des Seelischen im Gesichtsausdruck und
Leben der Augen kommt das Porträt der alten
Großmutter aus dem großen Familienbildnis im
Ryksmuseum sehr nahe. — Im Zusammenhang mit
Rembrandt muß hier auch ein Werk genannt werden,
das vielleicht die Hauptanziehung der Ausstellung
bildet, eine Landschaft von Hercules Seghers
aus der Sammlung Kronig; es ist eine jener Alpen-
vorlandszenerien mit tief einschneidendem Flußtal
und grotesken Felsbildungen, wie man sie von seinen
Radierungen her kennt; ein rötlicher Schimmer ist
über das Ganze gegossen, die Wirkung der unter-
gehenden Sonne, deren Strahlen Vorder- und Hinter-
grund, sowie die hohen, überhängenden Felsen im
Mittelgrund noch treffen und sie wie lose, schwam-
mige Gebilde zu durchleuchten scheinen, während
das Plateau im Mittelgrund in Schatten gehüllt ist.
Eine merkwürdige romantische Stimmung spricht aus
dieser unholländischen Landschaft, im Wesen sehr
nahe verwandt mit dem Sentiment, dem Rembrandt
in seinen »heroischen« Landschaften in Kassel und
Braunschweig Ausdruck gibt. Auch in der räum-
lichen Gliederung, der Lichtverteilung und dann der
ausführlichen Behandlung des Vordergrundes mit den
Häuschen im Flußtal und dem Wanderer auf der
Höhe des gegenüberliegenden Ufers ergeben sich
Analogien mit diesen Rembrandtschen Werken. Vor-
trefflich ist die Tiefenwirkung.

Von Rembrandt selbst sind ferner fünf Hand-
zeichnungen aus dem Besitze von Bredius zu sehen;
davon sind drei schon von Hofstede de Groot be-
schrieben, nämlich die Nrn. 1242,1243 und 1245. Die
von H. d. G. unter Nr. 1242 als unbekannte biblische Dar-
stellung bezeichnete wird von Bredius als »Jakob be-
trügt seinen Vater Isaak« gedeutet; abweichend von
den andern Darstellungen dieser Szene durch Rem-
brandt sitzt Isaak hier in einem Lehnstuhl, sonst liegt
er zu Bette; Jakob hat seine behandschuhte (?) Rechte
in Schulterhöhe nach seinem Vater ausgestreckt. Diese
Erklärung ist plausibler als die, die Hofstede de Groot
in seinem Katalog fragenderweise gibt. Sehr aus-
führlich und ein abgeschlossenes Ganzes ist die Zeich-
nung von um 1655, die Saul bei der Hexe von Endor
am Morgen nach der Beschwörung darstellt. Saul, an
seinem Helme kenntlich, noch sehr jugendlich, sitzt
an einem Tisch mit seinen zwei Knechten, während
das Weib Speisen aufträgt, an denen einer der Knechte
sich sehr gütlich tut, die Saul jedoch noch ganz unter
dem Eindruck der Erscheinung verweigert hat. Eine
flüchtige Skizze von breiter Linienführung ist die
andere Zeichnung mit zwei schwatzenden Frauen,
eine geistvolle Momentaufnahme nach dem Leben.
Eine sechste Zeichnung gehört der Sammlung Kronig
an, ebenfalls in seiner breiten, zusammenfassenden
Manier ausgeführt; es ist eine Studie für den barm-
herzigen Samariter im Louvre. Drei Personen mühen
sich mit dem schwerverwundeten Samariter ab; auf
 
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