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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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481

Ausstellungen

482

Unter den Linden geworden ist. Der erste Eindruck, der
den Eintretenden empfängt, ist der einer frischen Farben-
freude, einer lebendigen Jugend. Zumal dieser Kriegs-
winter wenig Gelegenheit bot, Werken der Jüngeren und
Jüngsten zu begegnen, wirkt das Gesamtbild doppelt stark
in diesem Sinne. Doch leider vertieft sich der günstige
Eindruck nicht bei näherem Eingehen auf das Einzelne,
und die Offenbarung neuer Talente, die mancher hier, wo
die Jungen einmal ganz unter sich sind, erwarten mochte,
ist jedenfalls ausgeblieben. Eine große Gewitterlandschaft
von Erich Heckel ist das eindrucksvollste Werk der Aus-
stellung und das einzige vielleicht, das Anspruch darauf
machen darf, für eine reife und fertige Arbeit genommen
zu werden. Viel tastendes Versuchen in mancherlei Rich-
tung sonst und leider mehr dilettantisches Wollen als ge-
festigtes Können. Eine Steglitzer Künstlergruppe, von der
bisher nur hier und dort einzelne Arbeiten gezeigt wurden,
tritt zum ersten Male geschlossen vor eine breitere Öffent-
lichkeit. Ihr Saal ist von lichter Farbigkeit erfüllt. Aber
noch keiner der Künstler vermag über das gemeinsame
Wollen hinaus die entscheidende Talentprobe zu geben.
In Bernhard Hasler möchte man die reichsten Möglichkeiten
vermuten. Von Rembrandt und Rubens bis Fragonard
und Delacroix sucht er seine Ahnen. Seine geschickte
Komposition, sein geschmeidiger Strich fiel in graphischen
Arbeiten zuweilen auf. Aber die malerischen Versuche,
die auf reiche Farbigkeit zielen, bleiben noch tastend und
ungleich, obwohl sie sich durch Kultur und Geschmack
von den Bildern der übrigen vorteilhaft unterscheiden. Die
beiden Möller, Otto und Rudolf, sind die Hauptrepräsen-
tanten der Gruppe. Viel Bildungsstreben und Literatur,
aber ein empfindliches Manko an ursprünglichem male-
rischem Temperament. Auch was Alfred Partikel zu geben
hat, bleibt noch recht problematisch. Man denkt an
Cezanne, an Marees, an Münch, gewiß ehrenvolle Vor-
bilder, aber über Studien im Sinne der Meister gelangt die
geschickte Hand nicht hinaus. Die rosa Akte, die Heinz
Fuchs beisteuert, die banalen Porträts von Hans Freese
und die bilderbogenhaft bunten Stilleben von Hans
Michaelson vervollständigen diesen Saal der Steglitzer, der
hier eingehender gewürdigt wurde, weil in ihm dem Aus-
stellungsbesucher die größte Zahl neuer Erscheinungen
begegnet. Im Nebenraum steht neben Heckeis schönem
Bilde eins der stark übertreibenden Porträts von Schmidt-
Rottluff, kubistische Experimente Feiningers, der seinen
amerikanischen Vornamen zeitgemäß in Leo umstilisierte,
harmlos dekorative Landschaften von Erich Büttner und
gewiß recht tiefsinnig gemeinte Bilder von Fritz Sicken-
berg, die im Grunde aber doch nichts anderes als ange-
nehme Tapetenmuster sind. Wilhelm Schockens Arbeit
verfolgt man nun seit einer Reihe von Jahren, nicht ohne
Bedenken. Ein feines Talent sieht man in merkwürdiger
Selbstverkennung die Grenzen seines Wollens weit über
das Maß seines Könnens hinausstrecken. Das Mißver-
hältnis ist ärger noch als im Falle Beckmann. Eine wohl-
wollende Jury hätte es verhindert, daß der Künstler mit
der argen Entgleisung seiner »Verklärung» sich selbst
vor der Öffentlichkeit kompromittierte. Auch Max Neu-
mann hätte sparsamer in der Auswahl sein dürfen. In den
vielen Versuchen spürt man noch kaum einen tieferen
Willen. Dagegen festigt sich der günstige Eindruck, den
man im vorigen Jahre in der Ausstellung der Sezession von
Wolf Röhricht gewann, zumal in einer Landschaft, die den
Flächencharakter des Aquarells nicht ohne Gelingen ins Ge-
mälde zu übertragen versucht. Oskar Gawells gewaltsam aus-
drucksuchende Bilder bleiben ebenso wie die gleichgerichteten
Arbeiten Hugo Krayns noch ganz im Illustrativen stecken,
so wie Melzers Gemälde in gewohnter Weise nichts an-

deres ist als ein vergrößerter Holzschnitt. Die billige
Manier, die dieser arg überschätzte und als Revolutionär
verkannte Künstler seit langem pflegt, wird nun zeitgemäß
auf Bilder aus dem Soldatenleben übertragen. Zusammen
mit einer Transposition von Manets bekannter »Platzender
Granate«, die Franz Heckendorf beisteuerte, bestreiten diese
Holzschnitte die kleine Kriegsabteilung der Ausstellung, zu
der man noch die Sammlung von Bildern des jüngst ge-
fallenen Ernst Altmann zählen mag — das eigenartige
Porträt in tonigem Grau und Grün, das in der Sezession
einmal ausgestellt war, bleibt auch hier das eindrucksvollste
seiner Werke und ohne zwingenden Zusammenhang mit
den an Rösler und an Degner erinnernden Versuchen, die
sonst gezeigt werden. Auch Degner selbst ist mit ein
paar Bildnissen vertreten, während Röslers Art nur in den
Werken jüngerer Künstler, zu denen auch Franz Domscheit
zählt, sich mannigfach widerspiegelt. Erwähnt man noch
Richard Janthurs nicht uninteressante Transpositionen alt-
bayerischer Glasbilder und Willy Jaekels allzu geschickte
akademische Gewaltdekoration, so ist der Umkreis der
bunten Ausstellung in einem ebenso bunten Bericht an-
nähernd durchmessen. Versuche in Richtungen vielerlei
Art. Doch in aller Mannigfaltigkeit des Strebens noch kaum
an irgend einer Stelle ein volles Gelingen. o.

In der städtischen Kunsthalle zu Düsseldorf hat der

»Verein der Düsseldorfer Künstler zur gegenseitigen Unter-
stützung und Hilfe« eine annähernd 300 Nummern zählende
Kunstausstellung veranstaltet, die Ende Juli durch eine
zweite abgelöst werden soll. Auf diese Weise soll wohl
den Rheinländern die übliche deutschnationale Kunstaus-
stellung im Kunstpalaste ersetzt werden. In der Tat werden
dieselben Namen angetroffen, die man dort, in den größeren
Sälen, zu finden gewohnt ist. Das allgemeine Niveau ist
nicht sonderlich hoch, da man anscheinend dem »Kunst-
verein für die Rheinlande und Westfalen« entgegenkom-
men will, der zur Verlosung unter seine Mitglieder eine
größere Anzahl von Kunstwerken erwerben will. Und
daß der Kunstverein nicht allzu hohe Ansprüche auf Qua-
lität stellt, bewiesen ja u. a. aufs neue die Ausgänge
der verschiedenen Preiskonkurrenzen, über die auch die
»Kunstchronik« berichtet hat. Die Ausstellung des Ver-
bandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein, die
gleichzeitig in Köln stattfindet, bietet ein viel lebhafter ge-
färbtes, sympathischeres Bild der zeitgenössischen rheini-
schen Kunst als die herzlich unbedeutende Veranstaltung
in der Kunsthalle. Nur wenige Werke heben sich, be-
sonders vom Wust der flüchtig und lieblos behandelten
Landschaften, ab: die Blumenstücke von Dreydorff, die
Strandbilder von Westendorp und Grobe, die Radierungen
von Heinrich Otto und Walter Cleff, die phantastischen
Federzeichnungen von Ehmckes Nachfolger Ernst Aufseeser.
Vollständig fehlt der jüngere Nachwuchs; am Kriege allein
kann es nicht liegen, denn von den älteren Künstlern sind
auch alle diejenigen vertreten, die unter den Waffen stehen.
— Eine neue Künstlervereinigung »Die Form« eröffnete in
einem von Walter von Wecus sehr sorgfältig hergerichteten
Räume eine erste Ausstellung, die wie ein etwas verspäteter
Nachklang der Futuristen und »Blauen Reiter« wirkt. Also
unzeitgemäß in hohem Grade! Es sei aber nicht verkannt,
daß besonders Wecus selbst viel Talent besitzt, das augen-
scheinlich kunstgewerblichen Zwecken, wie u. a. eine
glänzend stilisierte Glasmalerei zeigt, mit mehr Erfolg
dienstbar gemacht würde, als Aufgaben rein malerischer
Natur. Auffallend ist die reiche Beteiligung jüngerer Künst-
lerinnen, unter denen Walpurga Reismann-Grone aus Essen
mit einem in der Farbe ausgezeichneten »Frühling« zu er-
wähnen ist. c.
 
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