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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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559

Literatur — Berichtigungen

560

zwischen der Marmor-Pietä in S. Peter und dem Gemälde
Sebastianos del Piombo im Museo Comunale zu Viterbo
untersucht, werden die Studien zur Auferstehung Christi
in Windsor Castle und im British Museum, sowie die drei
letzten Darstellungen der Pietä (in Palestrina, im Palazzo
Rondanini und im Florentiner Dom) gewürdigt, und
schließlich gezeigt, daß die Kuppel von S. Peter die Er-
füllung des Gedankens ist, dessen Verheißung schon in den
frühesten Arbeiten Michelangelos gegeben wurde. b.

H. W. Singer, Das graphische Werk des Maler-Radierers
Paul Herrmann. Berlin-Friedenau, O. Rauthe, 1914. *)

Singer meint, während der Zeiten der Raffael-Verehrung
im 19. Jahrhundert seien die lebenden Künstler nicht zu
ihrem Recht und ihrem Ruhm gelangt. Niemals sei man
weniger geneigt gewesen, die Lebenden zu ehren. Ich kann
nicht beipflichten. Meine eigne Jugend fällt in die Periode
der Raffaelbegeisterung und in dem Haus, in dem ich auf-
wuchs, galt der göttliche Urbinate als höchster. (Beiläufig:
die Zeit war nicht so schlecht und ich weiß nicht, ob das
heutige Gechlecht durch die Klingerbegeisterung besser er-
zogen wird.) Die lebenden Künstler wurden aber nicht ver-
gessen, einzelne hochgefeiert: Kaulbach und Piloty. Das
sind freilich nicht die, die jetzt von jener Generation ge-
schätzt werden. So wird es wohl immer gehen: von den
zu ihrer Zeit zurückgestellten werden einige später zum
Nachruhm hervorgeholt werden. Die hohe Selbstschätzung
derer, die heute über ihre Zeitgenossen schreiben, sie
träfen die Auswahl sicher und sie wüßten, wer in Geltung
bliebe, ist unbegründet. Es wird ihnen genau so ergehen,
wie ihren literarischen Vorfahren im 19. Jahrhundert.

Singer meint, wer über lebende Künstler Bücher schreibe,
werde einst wie Vasari und Carel van Mander gefeiert
werden. Ich glaube nicht, daß diese Hoffnung auf litera-
rischen Nachruhm in Erfüllung geht. Vasari und Mander
standen zu den großen Meistern, über die sie berichteten,
schon in dem Verhältnis der jungen Generation zu der alten,
sie konnten schon eine Vorstellung von der welthistorischen
Bedeutung der eben vergangenen Epoche haben. Diese
Meinung haben wir, wenn wir einigermaßen sehen, hören
und vergleichen können, von den jetzt schaffenden Künstlern
nicht. Warum soll im Beginn des 20. Jahrhunderts eine
große Blüte der Kunst eintreten, warum soll sie gerade auf
deutschem Boden sich einstellen, warum die Graphik hier
besonders blühen?

Singer meint, wie schön es gewesen wäre, wenn ein
Freund Rembrandts, etwa Clement de Jonghe, eines Tages
gefragt hätte: »Du, lieber Rembrandt, welche von deinen
Radierungen sind ganz eigenhändig, welche haben Schüler
nach deiner Erfindung, welche unter deiner Leitung nach
eigener Erfindung geschaffen? — der Meister hätte ihm in
einer Stunde vielleicht die sichere Kenntnis für alle Zeiten
übermittelt, um die wir in jahrelanger Arbeit und letzten
Endes doch vergeblich uns abmühen.« Es ist nicht zu loben,
daß ein Kunsthistoriker an der Sicherheit der Forschungs-
resultate der eigenen Wissenschaft, in deren Dienst er steht,

1) Diese Kritik hat uns Springer vor seinem Auszug
ins Feld geschickt; seine Freunde werden nicht ohne Be-
wegung hier die charakteristische Äußerung seines Tem-
peramentes lesen; wir gedachten, sie erst in wieder fried-
lichen Zeiten zu veröffentlichen — dürfen sie aber nun
wohl nicht zurückstellen. Die Redaktion.

zweifelt. Singer hat freilich Grund zu dem Wunsche,
Clement de Jonghe hätte so gefragt; dann wäre es ihm nicht
passiert, daß er eine Anzahl der echtesten Radierungen
Rembrandts für falsch erklärte.

Paul Herrmann, der sich in Paris Henri Heran nannte,
verdient keine Monographie und kein Oeuvreverzeichnis.
Herrmann ist ganz unselbständig, imitiert mal den, mal den.
Leidlich geschickt, aber alles kalt und ohne Phantasie ge-
macht. Was mag nur Herrmann veranlaßt haben, Graphiker
zu werden? Beruf und Begabung dazu hat er nicht. Er ist
für das 20. Jahrhundert etwa so einzuschätzen, wie Johann
Alexander Böner für das 17. Wer wird ein Werkverzeichnis
Böners schreiben? Und Böner hat wenigstens das Verdienst,
eine Reihe ganz ordentlicher Bildnisse handwerksmäßig ge-
stochen zu haben. Herrmanns Bildnisse sind ganz und gar
nicht ordentlich: sein Beethoven ist eine Beleidigung und
sein Stephan George ist ein unwahrer Schatten.

Singer erzählt vom Knaben Herrmann, dem Neffen
Paul Heyses, daß er sich im Hause des Onkels an die dort
verkehrenden Großen nach der Art frühreifer Kinder etwas
herangedrängt habe, an Lenbach, Wilhelm Busch, Richard
Wagner. So scheint er geblieben zu sein. Aus dem Pariser
Aufenthalt wird wieder erzählt, daß er mit Strindberg und
Edvard Münch Verkehr suchte, und er hilft Oskar Wilde
begraben. Dies Anlehnungsbedürfnis hat Herrmann auch
als Künstler. Von Münch sagt bei dieser Gelegenheit
Singer: »es war Münchs schlimmste veralkoholisierteste
Zeit.« Eine solche Kränkung eines lebenden großen
Künstlers ist ganz unzulässig. Singer mußte doch er-
kennen können, daß jeder beiläufige Strich, den Münch
in seiner »schlimmsten veralkoholisiertesten Zeit« gezogen
hat, mehr bedeutet als das ganze Werk des Herrmann. Das
erinnert doch an die klatschsüchtigen Geschichtsschreiber
der holländischen Kunst, die immer wieder erzählen, daß
Rembrandt, Frans Hals und Herkules Seghers sich dem
Trunk ergeben haben und im Suff untergegangen sind.

Ich schätze Hans Wolfgang Singer als Mensch und
Kollegen sehr. Wer jemals im Dresdener Kupferstichkabi-
nett gearbeitet hat, wird sich seiner freundlichen Hilfe und
stets bereiten Unterstützung dankbar erinnern. Aber wenn
er Bücher schreibt, und er hat viele geschrieben, macht er
seltener Freude. In diesem Fall hat er keine glückliche Hand
gezeigt. Ist das Buch ein Gefälligkeitsdienst der Freund-
schaft, so mußte das deutlicher gesagt werden, als mit der
vielleicht darauf hinzielenden Bemerkung auf Seite 3, daß
die Monographie zum 50. Geburtstag des Künstlers er-
schienen sei. Trotz der Freundschaft hätte das Lob mit
knapperem Maß zugeteilt werden müssen, jaro Springer

BERICHTIGUNGEN

Herr Professor Henry van de Velde legt Wert darauf,
festzustellen, daß die Lösung seines Verhältnisses zurGroßh.
Kunstgewerbeschule in Weimar durch freiwillige Kündigung
seinerseits erfolgte (vgl. die Notiz in voriger Nummer).

Herr Professor Paul Schumann bemerkt, daß Max
Lehrs' bedeutendes Werk »Geschichte und kritischer Katalog
des deutschen, niederländischen und französischen Kupfer-
stichs im 15. Jahrhundert«, von dem er kürzlich hier berich-
tete, nicht auf drei, sondern auf sechs Text- und Tafelbände
berechnet ist. Der dritte Band ist soeben im Verlag
der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst in Wien er-
schienen.

Inhalt : Jaro Springer f. Von Max Lehrs. — Um die Berliner Städtische Galerie Von G. — Die Sommerausstellung der Münchener Sezession.

Von A. L. M. — Amerikanische Ausstellungsbriefe. I. San Diego. Von Karl Eugen Schmidt. — Die Ausstellung der Modernen Gemälde
der Stadt Hannover. Von Paul Erich Küppers. — Marcus Zucker t; David Zacharias ti Ernst Weiß t- — Personalien. — Obervellacher
Altar Jan Scorels. — Ein unbekanntes Bild des Vincenzo da Treviso. — Erwerbungen der Neuen Pinakothek in München und der Städti-
schen Galerie in Essen; Eröffnung des neuen Heimatmuseums in Emmerich a. Rh.; Erwerbung des Berliner Kaiser-Friedrich-Museums. —
Ausstellungen in Berlin und Köln. — Bernhard Müller, Medaillen und Münzen im Dienste der Religion; Wilhelm R. Valentiner, The late
years of Michel Angelo ; H. W. Singer, Das graphische Werk des Waler-Radierers Paul Herrmann. — Berichtigungen.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße 11 a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
 
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