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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Schumann, Paul: Kriegstagung für Denkmalpflege in Brüssel
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0291

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Kriegstagung für Denkmalpflege in Brüssel

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verloren ist nichts. Gewisse Hauptstücke der be-
rühmten Kunstschätze, auch die Gemälde des Museums
zu Antwerpen wurden von den belgischen Behörden
gehörigerweise verpackt und in Kellerräumen ge-
borgen. Von wirklich bedeutenden Kunstwerken sind
nur die Universitätsbibliothek zu Löwen und vier Ge-
mälde der Brüsseler Schule in der verbrannten Kirche
zu Beyghem vernichtet worden, sonst nichts. Von
den bekannten und berühmten Monumentalbauten ist
ebenfalls nichts rettungslos beschädigt, außer dem
Rathaus zu Dendermonde. Die Heilung der unbe-
deutenden Schäden im Dom St. Peter zu Löwen ist
bereits in Angriff genommen. Überall wo es nötig
ist, wurden Notdächer angebracht und die Granaten-
löcher ausgemauert. Die Erfahrung, daß zahlreiche
Fensterscheiben und Glasgemälde in Mecheln und
Lier durch den Luftdruck der platzenden Granaten
in weitem Umkreise zersplittert worden sind, legt es
nahe, die unersetzlichen Schätze der Glasgemälde in
Westdeutschland wie im Elsaß vor Fliegerbomben
entsprechend zu schützen.

Weiter berichtete Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Clemen
über die Fürsorge für die Kunstdenkmäler in
den besetzten Teilen Frankreichs. Er konnte
feststellen, daß hinter der Front Longwy, Longuyon
und Rethel erheblichen Schaden aufweisen, daß aber
in Lille, Douai, Cambrai, Valenciennes, St. Quentin,
Laon, Noyon und allen anderen denkmalreicheren
Städten der Kriegsfront die bedeutenden Bauten nicht
oder so gut wie nicht gelitten haben. Was in Lille
und St. Mihiel an Baudenkmälern beschädigt ist, läßt
sich leicht wiederherstellen. In dem 5—10 km breiten
Gürtel an der Kampffront sind die Ortschaften natür-
lich stark beschädigt worden, aber seitdem die Etappen
eingerichtet sind, ist auch die Fürsorge für die Denk-
mäler eine ernste Aufgabe für die Verwaltung ge-
worden. Zwischen Metz und Cöte Lorraine sind eine
Reihe der wertvollsten beweglichen Denkmäler ab-
transportiert und in deutsche Schutzhaft genommen,
oder auch dem nächsten französischen Museum oder
einer französischen Mairie übergeben worden. Die
berühmte Grablegung mit dreizehn lebensgroßen Fi-
guren von Ligier Richier in der Stephanskirche zu
St. Mihiel ist gleich anderen Werken durch Holz-
verschläge und Sandsackpackungen geschützt. Die
Schlösser und Landsitze, aus denen im Winter der
einfachen Lebenspflicht wegen vieles entnommen wurde,
stehen jetzt unter dem besonderen Schutz der Etappen.
Die Schätze der Museen zu Lille und Valenciennes
sind durch die Direktoren in den Kellern geborgen,
was sich wegen der Fliegerbomben auch weiterhin
empfiehlt. (Ausführliches über dieses alles steht in
der 132. und in der 146. Flugschrift des Dürerbundes,
beide von Paul Clemen.)

Weiter sprach Ministerialrat Ritter von Förster-
Streffleur über die österreichische Kriegsdenk-
malpflege. In Galizien hat der Konservator das
Gebiet bereist und es sind gemäß seinen Vorschlägen
die notwendigsten vorläufigen Sicherungen bereits
ausgeführt (vgl. Mitteilungen der k. k. Zentralkom-
mission für Denkmalpflege Bd. XIV, Nr. 4/5). Ferner

haben die Konservatoren von Tirol und Küstenland
die wichtigsten Stücke der Kirchenschätze in den be-
drohten Gebieten geborgen. Eine Liste der wichtigsten
Baudenkmäler wurde in Druck gelegt und allen Truppen-
teilen übergeben mit Befehl, sie nach Möglichkeit vor
der Belegung mit Truppen zu bewahren, die Sa-
kristeien im besonderen überall zu sperren. Für die
besetzten Teile Russisch - Polens beantragt der Kon-
servator beim Armeekommandanten alle nötigen Maß-
regeln der Denkmalpflege. Im Anschluß an diesen
Bericht beschloß die Tagung, an die beiden ver-
bündeten Regierungen Eingaben zu richten, in denen
eine geordnete Denkmal- und Kunstpflege auch für
die besetzten Gebiete im Osten und gemeinsames Vor-
gehen der deutschen und der österreichisch-unga-
rischen Denkmalpflege beantragt wird.

Besonders bemerkenswert waren sodann die Ver-
handlungen über den Krieg und die Denkmal-
pflege, Anregungen und Vorschläge zur weiteren
Ausgestaltung des öffentlichen Denkmalschutzes auf
Grund des § 27 der Haager Konvention. Den ein-
leitenden Vortrag hielt Cornelius Gurlitt, auf Grund
besonderer Aufforderung sprachen dazu Geh. Justizrat
Dr. Zitelmann (Bonn) und Prof. Dr. Vetter (Bern).
Der Verhandlungsbericht soll der Kaiserlich deutschen
Regierung als Material eingereicht, sonst aber nicht
veröffentlicht werden.

Weiter sprach der Beigeordnete der Stadt Köln
Carl Rehorst, seit kurzem Referent für Städtebau
und Hochbauwesen in der deutschen Zivilverwaltung
Belgiens, über die künftigen Aufgaben des Städtebaues
in Belgien. Die ersten Schwierigkeiten der Aufgabe
liegen daran, daß es an staatlichen Mitteln für ihre
Lösung fehlt, daß auch die — gesetzlich erlaubten —
Ortsstatute gegen Verunstaltung der Ortsbildung noch
nirgends erlassen sind. Dafür muß gesorgt werden;
auch dafür, daß die Freiheit und Willkür liebenden
Belgier sich den baupolizeilichen Bestimmungen auch
fügen, wenn an Stelle der zerstörten neue Bauten
entstehen sollen, die den neuzeitlichen Forderungen
der Technik und der Volksgesundheitspflege auch nur
einigermaßen entsprechen. Ferner müssen Flucht-
linien und Bebauungspläne entworfen und bearbeitet
und dabei die allgemein anerkannten Grundsätze neu-
zeitlicher Stadtbaukunst zur Geltung gebracht werden,
die den Belgiern noch recht fern liegen. Für die
Wiederherstellung zerstörter und beschädigter Bau-
denkmäler stellte Rehorst folgende Sätze auf:

1. Öffentliche oder private Bauten von künstle-
rischem oder geschichtlichem Werte, die be-
schädigt oder nur teilweise zerstört sind, werden
in den alten Formen wiederhergestellt.

2. Alle öffentlichen und privaten Bauten von künst-
lerischem oder geschichtlichem Werte, die ganz
oder in ihren wesentlichen Teilen zerstört sind,
werden keinesfalls in den alten Formen wieder
aufgebaut.

3. Alle Neubauten an Stelle der zerstörten müssen
architektonisch anständig sein, in ihrer Formen-
sprache die Zeit ihrer Entstehung erkennen lassen
 
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