müsse, um nicht „crls gauz gemeiner WohltLter^ (sein eigenes Wort)
entlarvt zu werden.
Doch nicht von guten Werken, die jcr jeder vermögende Mann
üben könnte, wollte ich reden, sondern davon, wie Brahms über
Künstler, über Musiker dachte, wie er ermunternd, sördernd so manchem
seiner jüngeren Kollegen zur Seite stand. — „Kollegen" — Brahms
verstand darunter keineswegs nur Meister von hohem Range, sondern
jeden tüchtigen, „honetten" Musiker, etwa brave Mitglieder einer
kleinen Kurkapelle oder auch — Notenschreiber. Er nannte diese
bescheidenen Handwerker ganz ehrlich ^Kollegen", er behandelte sie
mit ausgesuchter Höflichkeit und bemühte sich, ihnen, soweit er das
nur vermochte, zu nützen. Daß er andererseits hochnasige Herren
aller Art in ihre Schranken zurückzuweisen verstand, zeigt ein Vor-
fall mit einem Cellisten. Als der ein neues Kammermusikwerk von
Brahms aus dem Manuskript gespielt hatte, schrieb er aus das Noten-
blatt: ^Das kann man auf dem Cello nicht spielen" und seinen
Namen. Brahms schrieb darunter: ^Das kann man auf dem Cello
spielen. Ioh. Brahms." Lr war ja selbst in jungen Iahren Cellist
gewesen. Aber selbst derlei, eigentlich doch nur von Nnverstand und
Anbildung zeugende Zwischenfälle konnten ihn in seinen Kollegiali»
Lätsgesühlen nicht irre machen.
Freilich, innerhalb des Kreises des einzelnen verlangte er volles
ernstes Können von jedermann, sei es in Handwerk, Kunst oder
Wissenschaft. So sehr er Dilettanten schätzte und den hohen Wert
des Dilettantismus erkannte, die Pfuscher unter den Künstlern konnte
er nicht leiden. Wie unerbittlich er in dieser Forderung war, das
geht aus einem seiner Gelegenheitsworte mir gegenüber hervor: „Mit
Rob. Schumann beginnt die Zeit der unsicheren Leute. Schumann
hatte nichts Rechtes gelernt, Wagner auch nicht, ich auch nicht." Er
meinte dann, die drei hätten sich erst später durch viele Arbeit
Routine verschafft! . . .
Der Name Wagner bringt mich auf den wichtigsten und,
wenn man will, den heikelsten Punkt dieser Betrachtung. Es ist in
dieser Sache schon recht viel — Anrichtiges verbreitet worden, und
nur wenige, ich darf mich als einen der ersten darunter selbst nennen,
trugen dazu bei, der Wahrheit die arg verrammelte Gasse zu öffnen.
Es gab eine Zeit, da zwischen Brahms und Wagner, die früher zu
Wien in angenehmer Form, wenn auch nicht intim verkehrt hatten,
eine Verstimmung eintrat. Wagner sandte, wohl durch Zwischen-
träger gereizt, in seiner Broschüre über das Dirigieren über-
flüssiger Weise einen recht scharfen Pfeil gegen Brahms. Dieser, der
sicher nie an Wagner, sondern stets nur an lärmenden Wagnerianern
Anstoß genommen hatte, und der wohl ahnte oder gar wußte, aus
wessen Küche das Gist stammte, war dadurch eine Zeitlang verletzt,
was um so begreiflicher erscheint, als er selbst sich damals noch nicht
zu jener allgemeinen Anerkennung durchgerungen hatte, die ihm ein
volles Gegengewicht gegen derartige Angriffe, und nun gar von
solchem Gewichte, geboten hätte. Lr hat in dieser Zeit sicherlich dies
oder das Wort gesagt oder wohl auch geschrieben, in dem er seiner
Bitterkeit Lust machte. Bald jedoch war er mit sich im reinen und
l. Äprilheft 1907
entlarvt zu werden.
Doch nicht von guten Werken, die jcr jeder vermögende Mann
üben könnte, wollte ich reden, sondern davon, wie Brahms über
Künstler, über Musiker dachte, wie er ermunternd, sördernd so manchem
seiner jüngeren Kollegen zur Seite stand. — „Kollegen" — Brahms
verstand darunter keineswegs nur Meister von hohem Range, sondern
jeden tüchtigen, „honetten" Musiker, etwa brave Mitglieder einer
kleinen Kurkapelle oder auch — Notenschreiber. Er nannte diese
bescheidenen Handwerker ganz ehrlich ^Kollegen", er behandelte sie
mit ausgesuchter Höflichkeit und bemühte sich, ihnen, soweit er das
nur vermochte, zu nützen. Daß er andererseits hochnasige Herren
aller Art in ihre Schranken zurückzuweisen verstand, zeigt ein Vor-
fall mit einem Cellisten. Als der ein neues Kammermusikwerk von
Brahms aus dem Manuskript gespielt hatte, schrieb er aus das Noten-
blatt: ^Das kann man auf dem Cello nicht spielen" und seinen
Namen. Brahms schrieb darunter: ^Das kann man auf dem Cello
spielen. Ioh. Brahms." Lr war ja selbst in jungen Iahren Cellist
gewesen. Aber selbst derlei, eigentlich doch nur von Nnverstand und
Anbildung zeugende Zwischenfälle konnten ihn in seinen Kollegiali»
Lätsgesühlen nicht irre machen.
Freilich, innerhalb des Kreises des einzelnen verlangte er volles
ernstes Können von jedermann, sei es in Handwerk, Kunst oder
Wissenschaft. So sehr er Dilettanten schätzte und den hohen Wert
des Dilettantismus erkannte, die Pfuscher unter den Künstlern konnte
er nicht leiden. Wie unerbittlich er in dieser Forderung war, das
geht aus einem seiner Gelegenheitsworte mir gegenüber hervor: „Mit
Rob. Schumann beginnt die Zeit der unsicheren Leute. Schumann
hatte nichts Rechtes gelernt, Wagner auch nicht, ich auch nicht." Er
meinte dann, die drei hätten sich erst später durch viele Arbeit
Routine verschafft! . . .
Der Name Wagner bringt mich auf den wichtigsten und,
wenn man will, den heikelsten Punkt dieser Betrachtung. Es ist in
dieser Sache schon recht viel — Anrichtiges verbreitet worden, und
nur wenige, ich darf mich als einen der ersten darunter selbst nennen,
trugen dazu bei, der Wahrheit die arg verrammelte Gasse zu öffnen.
Es gab eine Zeit, da zwischen Brahms und Wagner, die früher zu
Wien in angenehmer Form, wenn auch nicht intim verkehrt hatten,
eine Verstimmung eintrat. Wagner sandte, wohl durch Zwischen-
träger gereizt, in seiner Broschüre über das Dirigieren über-
flüssiger Weise einen recht scharfen Pfeil gegen Brahms. Dieser, der
sicher nie an Wagner, sondern stets nur an lärmenden Wagnerianern
Anstoß genommen hatte, und der wohl ahnte oder gar wußte, aus
wessen Küche das Gist stammte, war dadurch eine Zeitlang verletzt,
was um so begreiflicher erscheint, als er selbst sich damals noch nicht
zu jener allgemeinen Anerkennung durchgerungen hatte, die ihm ein
volles Gegengewicht gegen derartige Angriffe, und nun gar von
solchem Gewichte, geboten hätte. Lr hat in dieser Zeit sicherlich dies
oder das Wort gesagt oder wohl auch geschrieben, in dem er seiner
Bitterkeit Lust machte. Bald jedoch war er mit sich im reinen und
l. Äprilheft 1907