Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1907)
DOI Artikel:
Söhle, Karl: Die Werke und wir, [5]: Johannes Brahms in seiner Kammermusik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0029

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Goethes „Grenzen der Menschheit" möchte ich diesen Satz des Werkes
auszudrücken und in Worten ein Bild davon zu geben suchen!

Wenn der uralte
Heilige Vater
Mit gelassener Hand
Aus rollenden Wolken
Segnende Blitze
Äber die Erde sä't —

Wahrhastig, das stellen einem diese eisernen Akkorde des Haupt-
themas vor Augen, zumal in der sich aufbäumenden und mächtig
gesteigerten Wiederholung. Die herrlich lebendigen BLsse mildern
sich nun in ihrer Fortsührung zu Triolen, und schnell ist damit Boden
gewonnen für das zweite Thema, das in seiner echt Brahmsischen
Verschleierung, seinem Schwanken zwischen Cis-mol! und L-dur har-
monisch wie rhythmisch den denkbar markantesten Gegensatz bildet:
Das Bewußtsein menschlicher Beschränktheit gegenüber dem Unend-
lichen, und Gesühle der Frömmigkeit regen sich, der „ruhigen Ver-
ehrung":

Küß ich den letzten
Saum seines Kleides,

Kindliche Schauer
Treu in der Brust.

Iedoch Liesste Resignation alsbald, und sie bleibt die Grund-
stimmung, wie sie die solgenden Strophen des Gedichtes ausdrücken:

Denn mit Göttern
Soll sich nicht messen
Irgend ein Mensch usw.

Resignation, bei größter, prometeushaster Geladenheit allerdings,
die zumal im Durchsührungsteil und weiter auch noch in der Re-
j prise immersort sich gewaltsam Lust zu machen sucht, grollt und
! zuletzt in der Coda in bis zur Wildheit gesteigerter Leidenschast-
lichkeit tobt. Resignationt Kein Durchringen zur Freude, und so
schließt der erschütternde Satz:

Was unterscheidet
Götter von Menschen?

Daß viele Wellen
Vor jenen wandeln,

Ein ewiger Strom:

Ans hebt die Welle,

Verschlingt die Wells,

And wir versinken.

Gibt so der erste Satz ein Bild vom Tage, mit Sturm und
Hagelwetter, und wo es gilt zu wirken und zu arbeiten, so malt
dagegen der ihm solgende langsame Satz den ganzen sternübersäten
Frieden der Nacht. „Mainacht", der Mond schaut rund und klar
über die tzecke in den Garten, ein lauer Frühlingswind umschmeichelt

L4 Kunstwart XX, sZ
 
Annotationen