Stilicho, der das Römerreich, das er zu retten vorgibt, im Grunde
in ein Reich der Germanen verwandelt. So fällt der „Vandale"
schließlich dem Meuchelmorde znm Opfer. Und nun brausen die
Heere Alarichs, ein Völkergemisch aus Germanen und Hunnen, ver-
nichtend über Italien, über Rom. Doch unter der ungeschlachten
Wildheit der Barbaren verborgen keimt ein bildungsfähiger Sinn:
von der rohen Raubgier der Hunnen und der Zerstörungswut des
römischen Pöbels wenden sich in stolzem Ekel die Goten ab, und
vor dem Kreuz des Bischofs, in dessen Kirchenschutz die Besiegten
sich slüchten, sinken die christlichen Sieger ehrfürchtig ins Knie. . .
Zwar tritt auch bei der künstlerischen Darstellung dieses Lebens
das Allzuviele oft noch an Stelle des Typisch-Entscheidenden, und
die Neigung zu sich wiederholendem Theoretisieren, wenn es sich
schon charakteristischer als je zuvor den Gestalten anschmiegt, bleibt.
Doch vermag hier beides nun nicht mehr schärferen Augen
den wuchtigen Aufbau des Ganzen zu verdecken. Von der Liessten
Verkommenheit führt das Werk bis zum Gram und Stolz der
Heldenhöhe hinauf. Hier verwundert sich der Prätorianerhaupt-
mann an dem Kameraden, der die alten Kaiser auswendig weiß
„wie die Hausnummern der Tänzerinnen". Hier klagt der bla-
sierte Sohn des Ministers, „wann werden wir aufhören Kinder
zu zeugen, damit sie qualvoll lernen, was wir mit Ekel wissen!^
und er sindet im Cajus Caligula sein Ideal, der „die Macht des
Weltreichs in eine „Laune zu pressen" und „als Held im Weiberrock
geistvoll zu rasen verstand". Der Komödiant Libanius witzelt im An-
gesichte des Weltuntergangs frostiger Angst voll, es wäre mutwillig,
nach den großen Vorsätzen zu handeln, die man in sein Tagebuch
notiert, und als Held zu sterben. Der Neidhammel, der verkommene
Schulmeister Spartacus schleicht hin, um mit dem Docht seines LLmp-
chens in aberwitziger Ruhmsucht das sterbende große Rom in Brand
zu stecken. Aber der feinsinnige Poet Claudian seuszt über die
Schwäche und Kleinheit der Zeit, wenn er sich schon des Lebens
„süßem Reiz" nicht versagen kann,
„Dem sein Geschick den Reiz der Krast versagt."
Marcellin, der Stoiker, grollt über die Blutleere und Phrasen-
wüste ihrer Bildung, die den Menschen zum „Echo eines Audi-
roriums" macht und „den Iungen" wohl lehrt, sich selbst „an der
Gottheit Marmorpostamente" verächtlich die Füße zu kratzen: „nur
nicht, daß er ein Römer sei." Der Vandale Stilicho, der Reichs-
verweser, kämpft, unbekümmert um die rings niederbrechenden Ruinen,
Italien mit Germanenblut und Mannessinn zu verjüngen. Olympius,
der Patrizier, treibt im letzten Schmerz das Rom der Römer, um
das er in zähem Lebenskampfe stritt, er selber bewußt dem Anter-
gange entgegen. Rnd Alarich, der wild-edle Gotenfürst, der seine
Hand einmal nach Rom ausgestreckt hat, ringt vergebens in Reue
mit dem übermächtigen Schicksal, seinen Schritt zurückzuwenden, da
er sieht, welch erbarmungslos vernichtendes Barbarenungestüm er
wider tausendjährige Bildung entfesselt.
Freilich, für die Bühne ist diese Tragödie weder geschrieben
j 2. Aprllhest G07 >
in ein Reich der Germanen verwandelt. So fällt der „Vandale"
schließlich dem Meuchelmorde znm Opfer. Und nun brausen die
Heere Alarichs, ein Völkergemisch aus Germanen und Hunnen, ver-
nichtend über Italien, über Rom. Doch unter der ungeschlachten
Wildheit der Barbaren verborgen keimt ein bildungsfähiger Sinn:
von der rohen Raubgier der Hunnen und der Zerstörungswut des
römischen Pöbels wenden sich in stolzem Ekel die Goten ab, und
vor dem Kreuz des Bischofs, in dessen Kirchenschutz die Besiegten
sich slüchten, sinken die christlichen Sieger ehrfürchtig ins Knie. . .
Zwar tritt auch bei der künstlerischen Darstellung dieses Lebens
das Allzuviele oft noch an Stelle des Typisch-Entscheidenden, und
die Neigung zu sich wiederholendem Theoretisieren, wenn es sich
schon charakteristischer als je zuvor den Gestalten anschmiegt, bleibt.
Doch vermag hier beides nun nicht mehr schärferen Augen
den wuchtigen Aufbau des Ganzen zu verdecken. Von der Liessten
Verkommenheit führt das Werk bis zum Gram und Stolz der
Heldenhöhe hinauf. Hier verwundert sich der Prätorianerhaupt-
mann an dem Kameraden, der die alten Kaiser auswendig weiß
„wie die Hausnummern der Tänzerinnen". Hier klagt der bla-
sierte Sohn des Ministers, „wann werden wir aufhören Kinder
zu zeugen, damit sie qualvoll lernen, was wir mit Ekel wissen!^
und er sindet im Cajus Caligula sein Ideal, der „die Macht des
Weltreichs in eine „Laune zu pressen" und „als Held im Weiberrock
geistvoll zu rasen verstand". Der Komödiant Libanius witzelt im An-
gesichte des Weltuntergangs frostiger Angst voll, es wäre mutwillig,
nach den großen Vorsätzen zu handeln, die man in sein Tagebuch
notiert, und als Held zu sterben. Der Neidhammel, der verkommene
Schulmeister Spartacus schleicht hin, um mit dem Docht seines LLmp-
chens in aberwitziger Ruhmsucht das sterbende große Rom in Brand
zu stecken. Aber der feinsinnige Poet Claudian seuszt über die
Schwäche und Kleinheit der Zeit, wenn er sich schon des Lebens
„süßem Reiz" nicht versagen kann,
„Dem sein Geschick den Reiz der Krast versagt."
Marcellin, der Stoiker, grollt über die Blutleere und Phrasen-
wüste ihrer Bildung, die den Menschen zum „Echo eines Audi-
roriums" macht und „den Iungen" wohl lehrt, sich selbst „an der
Gottheit Marmorpostamente" verächtlich die Füße zu kratzen: „nur
nicht, daß er ein Römer sei." Der Vandale Stilicho, der Reichs-
verweser, kämpft, unbekümmert um die rings niederbrechenden Ruinen,
Italien mit Germanenblut und Mannessinn zu verjüngen. Olympius,
der Patrizier, treibt im letzten Schmerz das Rom der Römer, um
das er in zähem Lebenskampfe stritt, er selber bewußt dem Anter-
gange entgegen. Rnd Alarich, der wild-edle Gotenfürst, der seine
Hand einmal nach Rom ausgestreckt hat, ringt vergebens in Reue
mit dem übermächtigen Schicksal, seinen Schritt zurückzuwenden, da
er sieht, welch erbarmungslos vernichtendes Barbarenungestüm er
wider tausendjährige Bildung entfesselt.
Freilich, für die Bühne ist diese Tragödie weder geschrieben
j 2. Aprllhest G07 >