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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 15 (1. Maiheft 1907)
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Fuchs, Caspar Friedrich: Heimatschutz und Wohnungsfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0160

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Ls handelt sich zunächst um den Bau neuer Geschäftshäuser oder
den Ainbau vorhandener im Innern alter Städte. Denn die besten
Geschäftslagen, Markt, Hauptstraße usw. sind gewöhnlich die kunst-
historisch wertvollsten Teile der alten Städte mit den schönsten alten
Häusern, welche die wohlhabendsten Bürger seinerzeit an diesen Stellen
errichteten. Hier besteht eine ständige und sehr große Gesährdung
des Heimatschutzes durch die neuere kommerzielle Lntwicklung.

In diesem Punkte kann nur eine Verallgemeinerung der schon
in manchen städtischen Bauordnungen uird in vereinzelten Denkmal-
schutzgesetzen getroffenen Linrichtungen helsen, daß solche HLuser und
ihre Umgebung, also unter Umständen ganze Straßen und Plätze,
unter öffentlichen Schutz gestellt werden, so daß keine bauliche Ver-
änderung an ihnen vorgenommen werden dars, welche ihren architek-
tonischen Charakter gesährdet. Hier muß also unter Amständen die
Wirtschast hinter den Heimatschutz zurücktreten. Aber nicht notwendig
immer. Denn es muß sich dabei keineswegs immer um wirtschaft-
liche Opfer handeln: in der Regel wird kein Verbot von neuen Ge-
schäftslokalen, auch höheren Neubauten, notwendig sein, sondern nur
die Forderung einer entsprechenden architektonischen Gestaltung nicht
nur der Fassaden, sondern auch der LLden. Daß diese Aufgabe künst-
lerisch zu lösen ist, dafür weisen Berlin und neuerdings München in
ihren größten Warenhäusern glänzende Beispiele auf. Bei der größe-
ren Einsachheit fast aller früheren Bausormen wie sie wirklich waren,
nicht wie sie eine afterhistorische „stilvolle" Rachahmung gestaltet hat,
wird dies in der Regel auch keine Verteuerung bedeuten, sondern
eher das Gegenteil. Höchstens im Falle vollständigen Verbots eines
Neu- oder Nmbaus im Interesse des tzeimatschutzes könnte es sich
um Lntschädigung des augenblicklichen Besitzers des betrefsenden
Hauses, aber auch nur dieses Besitzers handeln, da der nächste Er«
werber schon mit Rücksicht auf diese Beschränkung kaust. Die ein-
fachste und sicherste Lösung, die auch schon verschiedentlich Anwendung
gesunden hat, ist in diesem Fall der Lrwerb solcher Häuser durch die
Städte, der durch ein weitergehendes Expropriationsrecht für solche
Fälle zu erleichtern wäre. Schon hier tritt uns der enge Zusammen«
hang entgegen, welcher zwischen dem HeimaLschutz und einer richtig
verstandenen Bodenresorm besteht. Des weiteren wäre aber auch wohl
noch die Frage aufzuwersen, ob das zunächst privatwirtschaftliche
Interesse des betresfenden Haus- oder Geschäftsbesitzers am Nmbau
oder Neubau seines Hauses auch ein wirklich volks wirtschastliches ist,
d. h. ob die dadurch immer weiter gesteigerte Konzentration des Ge-
schäftsverkehrs im Stadtinnern nicht im volkswirtschaftlichen Inter-
esse vielmehr einer Dezentralisation Platz zu machen HLtte. Denn
jene sortschreitende Konzentration ist die Quelle des ungeheuren Stei-
gens der Grundrente in der modernen Großstadt.

Lrheblich schwieriger ist die Frage des Verkehrs und seiner
wirklichen, ost aber auch nur eingebildeten Bedürfnisse. Auch hier
sind mitunter radikale Ilmgestaltungen des ganzen Stadtbildes, Ver-
nichtung ganzer künstlerisch oder historisch wertvoller Straßen und
Stadtteile unvermeidlich, die sogenannten „Straßendurchbrüche^. Da«
von gilt in der Hauptsache das gleiche wie von den Sanierungen:



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