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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 15 (1. Maiheft 1907)
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Schlaikjer, Erich: Der Kampf um die Berliner Bühnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0164

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begünstigt nur eine Geliebte, eine papierne obendrein — die Zei-
tung. Von der Zeitung rnuß umn also ausgehen, wenn man die
Haltung der Zeitung begreifen will. Diese Haltung wird sosort klar,
wenn man das Interesse erkennt, das die Zeitung mit dem Theater
verbindet, und das Interesse erkennt man eben, wenn man sich die
Bedeutung der Bühnen, im besonderen der Berliner Bühnen klar macht.

Nebenher wird dann auch eine andere Erscheinung ins reine
kommen, die vielen ein Problem oder doch ein Problemchen ist —
ich meine den Ton, in dem unter Amständen die Berliner Theater-
kritik geschrieben wird. Im Prinzip empsängt das Lamento vom ^Ton^
sein Urteil in diesen Zeilen Schopenhauers aus den Gedanken über
^Schriftstellerei und Stil": ^AberhaupL ist in der Literatur die Höf-
lichkeit, welche aus der Gesellschast stammt, ein sremdartiges, sehr
oft schädliches Llement; weil sie verlangt, daß man das Schlechte gut
heißt und dadurch den Zwecken der Wissenschaft, wie der Kunst gerade
entgegenarbeitet.« Indessen: die Kampagne, die Sudermann gegen
die ^Verrohung^ der Theaterkritik unternahm, hat zwar zu einer
verdienten Niederlage geführt, aber den Beisall der Philister hat
sie allerdings gefunden. Rnd so mag, wenn der Kampf um die
Berliner Bühnen abgehandelt wtrd, auch über die Formen, in
denen er sich nun einmal abspielen mnß, das Nötige gesagt sein. —

Wenn ich nun von der Bedeutung der Berliner Bühnen rede,
meine ich zunächst keineswegs ihren künstlerischen Rang; ich meine
einsach die Macht, die in ihnen steckt und lasse jede ästhetische
Wertung aus dem Spiel. Diese Macht ist ungeheuer. Dabei sehe
ich von den Possenbühnen und den Theatern der Vorstadt ganz ab,
obwohl das immense (und zum Teil naive) Publikum, das ihnen
zur Versügung steht, uns keineswegs gleichgültig sein kann. Die
Lntwicklung Berlins hat dazu geführt, daß man diese Bühnen im
allgemeinen aus der ernsthasten Betrachtung ausgeschieden hat, und
sie mußte dazu führen, weil sonst auch die größten Berliner Zei--
tungen den Raum fürs Theater nicht mehr hätten stellen können.
Man beschränkt sich in diesem Punkt aus Reportage, die nicht von
den Kritikern, sondern von Hilsskräften ohne literarische Verantwor-
tung ausgeübt wird. Das ist bedauerlich, war aber nicht zu ändern,
wenn man nicht völlig den Aberblick verlieren wollte. Ich denke also
nur an die zwölf bis vierzehn — wie man nun zählen will —
größeren Bühnen, die einer ernsthasten Betrachtung unterzogen wer-
den und einer solchen auch unterzogen werden müssen. An jedem
neuen Abend strömt das Publikum in diese Häuser, an jedem neuen
Abend — es will sich nimmer erschöpfen und leeren — füllt sich
wieder der Raum, und die Bühne spendet ihre künstlerischen Eindrücke.
Nehmen wir auch nur an, daß diese vierzehn Bühnen an jedem
Abend über zusammen 6000 Menschen versügen, dann ergeben sich
im Monat (30 000 und in einem Theaterwinter von neun Monaten
haben wir die Armee von (620 000 Menschen. Man überlege diese
Ziffern und man bekommt eine Ahnung von der Bedeutung der
Volksversammlungen, die von den Theaterdirektoren geleitet werden.
Zum Vergleich denke man einen Augenblick an die sehr starken und
zum Teik sehr ersreulichen Romanersolge der lehten Iahre. Man !

....... ^ -ü

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