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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 18 (2. Juniheft 1907)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0392

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dem Gesangvereine — zu kämpfen habe ich immer noch! Mit dem Theater-
spielen aber ist es ein noch schwierigeres Ding! Ich möchte hier auch gleich
betonen, daß ich die Sache nicht angeregt habe und mir auch die Wahl
des Stückes nicht zur Last gelegt werden darf! Der alte gute Mumm,
unser Gemeindepoet, hätte es aber wohl schwer überwunden, wenn das
erste, hier im Dorfe aufgeführte Stück, nicht das von ihm versaßte gewesen
wäre —"

„No! das Theater könnte gärne ganz weggeblieben sein!" meinte
Wilhelm, und ob auch seine Schwester ihm widersprach, so stimmte cherr
Ei doch bei.

„So denke ich auch!" sagte er. „Wo es aber in einem lange brach-
gelegenen fruchtbaren Acker, dem durch irgend was oder wen guter Samen
zugeführt wurde, anfängt zu treiben und zu sprießen, da schießt auch
Amkraut mit aus; was in diesem speziellen Falle und in manch' anderen
keine große Gefahr bedeutet. Denn daß es nicht überwuchern kann, oder
sich gar giftige Pslanzen breitmachen dürfen, dafür müssen eben die
sorgen, die nicht mehr in den Kinderschuhen der Bildung stecken. Wir
leben in einer Äbergangsperiode —"

„,Et is 'n Owergang!^ säh de Foß ook, we-i se ne et Fell ower de
Ohren trecken — nee, Herr Ei! Seggen Se man leiwer: in 'ner Anklauks-
pehrjode!" rief der Alte, der schon lange ungeduldig darauf gewartet hatte,
zu Worte zu kommen. „Fräuer —"

„Niu laat awer 'mal se-in!" Die weiche Stimme seiner Frau hatte
auch sehr feste, bestimmte Töne. „Fräuer was ook nich alles giut un
schöne! Denke blos emal an ein —! Wo woll deck dat gefallen, wenn
se keimen tau'n Faßlament* un de-in Meta sau fiun, we-it darmals
ofte vorkamm, wenn de Mäkens seck nich verstöken un inslödden —"

„Fuen — ? Mutter! Das kenn ich doch! Wie 'ch noch klein
war, bin ich selbst jedesmal an Faßnachten bei Onkel un Tante Steinekens
gegangen mit'n Lannenzweige!" sagte das immer noch kleine Mädchen.
„An se gaben mich was, wenn ich sagte: ,Wutte geren geben — wutte geren
geben?^ un wenn ich sie dabei üwer de Hände streichelte —"

„Streichelte!" höhnte der Alts. „Nee — gestreichelt wurde damals
nich! Wat, Re-ikschen?! Feste word ereeben** — bet an de Dickbeine

„Niu segg awer nist mehr, Krischan! Diu ohle Qussenkopp! Ower-
legg et deck doch blos emal richtig, wat de ümmer ködderst von: fräuer
was't bäter! Ke-ik emal mit annern O-en umme deck här

„No jaa! Eck will't ja nich ganz affstre-in, dat manneches
besser eworren is —! Awer, awer — wenn se man nich sau gruilich
veel lehren —"

„Noch lange nich genug!" rief sein Liebling ohne Verzug. „Ich
muß mich würklich nach einen umkucken, där mich noch mehr beibringt

„No! denn kucke dich man um!" sagte der Alte trocken. „Brauchst
an Ende keinen Brill derzu —"

„Ich merke 's auch, daß mich noch was sählt!" behauptete Wilhelm.
„Da will 'ch mich mau auch nach wän umsehn —"

„Denn mache dich an Mantjen Meiers!" riet Anna schelmisch. „Das
is ja woll de Feinste un Gebild'ste in'n Dorfe "

* Fastnacht ** gerieben

2. Iuniheft lZO? zz;
 
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