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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 20 (2. Juliheft 1907)
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Riemann, Ludwig: Ästhetik des "Ungenauen" in der Musik
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0518

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Forti, die Dauer eines Ritardando oder Accelerando und die Bewertung
der musikalischen Phrase. Wenn diese Unebenheiten nun auch dem
wahren Künstler die nötige Freiheit verschafsen, wirken sie doch auf
den Dilettantismus zumeist schädlich, verderbenbringend für das Kunst--
werk. Von diesem Standpunkt aus kann die Angenauigkeit der Noten-
schrift und Vortragszeichen nur bedauert werden. Es ist deshalb zu
begrüßen, daß die Musikpädagogen dem Schüler durch (wenn auch
subjektiv gefärbte) Phrasierungsausgaben und möglichst genaue Tempo-
und Pedalbezeichnungen eine annähernd richtige und deshalb schöne
Wiedergabe des Musikvorbildes ermöglichen.

Essen Ludwig Riemann

Lose BläLLer

Auf Erdeu

Aus dem „Zeit- und Neisebuch" von Alfons Paquet

^Der Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein hat
auf Subskription ein sehr merkwürdiges Buch herausgegeben, reich, fast
üppig im Buchschmuck von I. V. Cissarz ausgestattet und gedruckt bei
August Bagel zu Düsseldorf: „Auf Erden, ein Zeit- und Neisebuch in
fünf Passionen von Alfons Paquet". Es ist nichts weniger als leicht
zu lesen. War man nicht „vorgestimmt", und traf man zufällig ein
zur Einführung ungeeignetes Stück, so legte man's wohl schnell beiseite,
weil man's schwerfällig, schleppend und undichterisch fand — aber irgend
etwas mußte doch auch in diesem erstgelesenen Stücke sein, das zu sich zog:
man hatte das Gefühl, noch einmal genauer nachsehn zu müssen, man
nahm das Buch wieder in die Hand. Langsam entschleierte es dann
seine Eigenart. Prosa oder Streckverse in Iean Paulscher Art, die
eigentlich auch Prosa sind, meist mit so langen Zeilen, daß einem schier
der Atem vergeht, nicht viel Sinn für Rhythmus, Auszählungen, Notizen,
Beschreibungen — Nüchternheiten. Wirklich? Aber hier war eine merk-
würdig bezeichnende Beobachtung. Und dort fiel wieder ein Streiflicht,
wie aus einem hellen Fenster plötzlich eine lange Gasse hinab, daß sich
Gestalten aus dem Dunkel schoben oder schnell aus dem Lichtschein ins
Dunkel huschten. Gestalten, die wir wie oft schon gesehen — gerade
solche, aber nicht in diesem Lichte. Dann kommt ein Stimmungsbild,
das uns als Dichtung aufgeht, ohne sich erst durch unsern Widerspruch
durchsetzen zu müssen. Dann — wie wirkt sie in dieser Umgebungl —
gar eine phantastische traumhafte Ballade in regelmäßigem Strophen-
bau. Wenn wir das Buch aus der Hand legen, wissen wir: es ist
etwas. Vor allem: etwas durchaus Modernes. Nichts Modisches —
was wär's weniger als das! — aber etwas echt Modernes, das mit
dem Finger fast beängstigt und beängstigend nach dem Pulse der Zeit
sucht, des Tages von heute, der Gegenwart, die so jung ist, daß sie
noch nicht geklärt ist, die noch darauf los lebt, die in jedem Augenblicke
noch wird. Davon Ausdruck ist auch die Form. Als ein noch sich
Entwickelndes, ein Werdendes, ein Suchendes und Versuchendes verstehen
wir sie sofort. Alles fließt in ihr, wie in ihrem Gegenstande. Ia: es
i st etwas, dieses Buch.

Nun wolle man sich in unsre paar Proben selber vertiefenZ

2. Iuliheft l90?

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